„Prince Charming“, die Zweite: Es darf wieder gebuhlt werden – Review

Schriller, bunter, streitlustiger – TVNOW setzt noch einen drauf

Daniel Teuteberg
Gregor Löcher
Rezension von Daniel Teuteberg und Gregor Löcher – 26.10.2020, 11:15 Uhr (erstmals veröffentlicht am 11.10.2020)

Der Prinz und seine Anwärter in der zweiten Staffel von „Prince Charming“ – Bild: TVNOW
Der Prinz und seine Anwärter in der zweiten Staffel von „Prince Charming“

Oh mein Gott. Die Jagd ist eröffnet. Als TVNOW vor einem knappen Jahr mit „Prince Charming“ das erste schwule Dating-Format Deutschlands produzierte, konnte das getrost als Experiment bezeichnet werden. Nach mehr als zufriedenstellenden Abrufzahlen, dem Sprung ins lineare Fernsehen, einer Nominierung für den Deutschen Fernsehpreis und einer Auszeichnung mit dem Grimme-Preis kann durchaus die Frage gestellt werden, weshalb dieses Wagnis nicht schon lange vorher eingegangen wurde – grundlegendes Interesse der Zuschauenden war anscheinend genügend vorhanden, und die Produktion erfüllte die Erwartungen der Neugierigen in einem Maß, das die frühzeitige Verlängerung für eine zweite Staffel mit sich brachte.

Diese kann seit dem 12. Oktober wöchentlich bei TVNOW (und ab dem 26. Oktober montags um 22:15 Uhr bei VOX) verfolgt werden: 20 Anwärter buhlen um die Gunst eines zum Traumprinzen stilisierten gutaussehenden Mannes – wobei sich manche Kandidaten geschickter anstellen als andere. Die weniger Glücklichen müssen in einem wöchentlichen Auswahlverfahren die schwarze Krawatte, die sie zuvor erhalten haben, abgeben und die Traumvilla auf Kreta – Schauplatz des Geschehens – verlassen. Der letzte Verbleibende hat das Herz des Prinzen erobert und kann mit ihm Hand in Hand in den Sonnenuntergang schreiten – so sieht es zumindest das Sendungskonzept vor; dass es auch anders kommen kann, hat die neueste Staffel des „Bachelors“ bewiesen.

Ein Traumprinz aus dem Bilderbuch: Alexander Schäfer soll die Männerherzen höher schlagen lassen TVNOW

Soweit nichts Neues also in der Fortsetzung? Kurz gesagt: nein. An der Grundkonstellation wurde nichts verändert. Das ist in einer zweiten Staffel nach einer erfolgreichen ersten Staffel auch nichts Besonderes – lieber hält man am Erfolgsrezept fest, anstatt sich Neuerungen einfallen zu lassen, die gegebenenfalls vom Publikum nicht gut aufgenommen werden. Auf den 28-jährigen Kölner Nicolas Puschmann aus der ersten Staffel folgt nun der 30-jährige Frankfurter Marketingmanager Alexander Schäfer, der seit März 2020 Single ist. Während einige sofort die Gefahr einer Rebound-Beziehung wittern werden, fühlt er sich bereit für den richtigen Mann an seiner Seite und die wahre Liebe. Ehrlichkeit und miteinander Sprechen sind für Alex das Wichtigste in einer Beziehung, dann könne man alles schaffen. Seinen Traummann stellt er sich blond und blauäugig, sportlich und gerne bärtig vor – dass er aber auch außerhalb dieses Beuteschemas knutscht, erfahren wir schon in der Vorschau. Alex möchte ganz klassisch heiraten und mit seinem Partner in einem Haus leben, vielleicht auf dem Land – und er möchte Kinder haben. Das ist insofern sehr spannend, als dass man doch bei einigen Bewerbern den Eindruck bekommen wird, dass sie neben Selbstinszenierung und Instagram noch keinen Gedanken an Familienplanung aufgewendet haben. Wird das am Ende ein K.O.-Kriterium für den einen oder anderen Kandidaten sein?

Die Riege der Anwärter scheint diesmal etwas extrovertierter und noch gestählter zu sein als beim ersten Mal; den durchschnittlichen guy next door sucht man in der Runde eher vergeblich, aber das ist bei einem Unterhaltungsformat wie diesem auch nicht unbedingt zu erwarten. Der Großteil ist um die 30 Jahre alt, die anderen eher Richtung Mitte 20 als älter. Vincent ist mit 23 das Nesthäkchen, Krankenpfleger Florian und Stylist/​Personal Trainer Michael sind mit 39 (und Abstand) die Daddys. Letzterer stellt aber wohlwollend fest, wie divers die Gruppe sei – just als David hinzustößt, der sich selbst als „curvy“ beschreibt (and I bring the juice in here).

Besonders präsent während des Einzuges ist Gino, dessen direkte Art vermutlich nicht bei jedem Anklang finden, aber sicher zum Unterhaltungswert der Sendung beitragen wird. So begrüßt er nahezu jeden neuen Bewerber mit einer Bemerkung über dessen Äußeres. Während er Andreas „megasüße Löckchen“ bemerkt und feststellt, dass Michael durchtrainierte Beine habe, fragt er nach Adrians Auftauchen unverblümt, ob dieser „trainiert oder fett“ sei. Gino ist es in dieser Staffel auch, der für die Verwicklungen der Kandidaten untereinander sorgt – so ist Bastian sein Nachbar und sowohl mit ihm als auch mit Joachim – dessen Wiener Dialekt er aber nicht mag – hatte er schon Dates. Spannungen deuten sich an zwischen David und Benedetto, bei dem David zufolge „nicht alles echt“ sei. Tatsächlich gibt Benedetto, selbsternannter „Kölner It-Boy“, der „Kölner It-Boy“, ungewohnt offen zu, dass es ihm neben Prince Charming vielleicht auch um eine etwas größere Reichweite ginge. Das allerdings bleibt auch Prince Alex nicht verborgen. Wird Benedetto die erste Gentlemen’s Night, bei der zwei Männer gehen müssen, überstehen? Dann ist da noch Erik. Der Erzieher aus Hamburg ist der einzige aller Kandidaten, der bei seiner Vorstellung erwähnt, dass er eine monogame Partnerschaft sucht und sich gut vorstellen könne, Kinder zu haben – das allerdings nur mit dem richtigen Mann. Vielleicht das perfekte Match?

Die Kandidaten
Adrian (25), Berlin TVNOW
Andrea (24), Bayreuth TVNOW
Arne (25), Heidelberg TVNOW
Bastian (30), Berlin TVNOW
Benedetto (27), Köln TVNOW
Bernhard (30), Düsseldorf TVNOW
David (24), Köln TVNOW
Erik (31), Hamburg TVNOW
Florian (39), Berlin TVNOW
Gino (32), Berlin TVNOW
Jakob Matthias (29), Dortmund/​Hannover TVNOW
Jan Maik (30), Zürich TVNOW
Joachim (29), Schwechat (Wien) TVNOW
Lauritz (27), Frankfurt TVNOW
Leon (32), Zürich TVNOW
Michael (39), Zürich TVNOW
Patrick (32), Frankfurt TVNOW
Roman (32), Wien/​Hamburg/​Köln TVNOW
Sascha (30), Köln TVNOW
Vincent (23), London TVNOW

Nachdem alle Männer eingetroffen sind, erhalten sie eine erste Videobotschaft des Prinzen, in der dessen Gesicht allerdings verborgen bleibt – was alle nur noch nervöser macht. Fertig aufgestylt, kommt es dann endlich zum ersehnten Kennenlernen. Mehr oder weniger plumpe Versuche von Roman (Du bist aus Frankfurt? Mega, ich liebe Frankfurt!) und Gino (Du kommst jetzt mit!), Alone-Time mit Alex zu bekommen, erinnern an Speed-Dating der schlimmsten Sorte und sorgen für Konfliktpotential zwischen den Kontrahenten. Romantik-Tenor hin oder her, aber Reality-Formate funktionieren besser, wenn auch ordentlich gestritten wird. Auch Lauritz – der ebenfalls in Frankfurt lebt – würde den Prince gerne ansprechen und ist dabei so aufgeregt, dass man bis zuletzt mitfiebert, ob er den Mut noch aufbringen kann oder nicht. Wie sich herausstellt, hat er Alex nicht nur vor Kurzem auf einer Party bedient, sondern kennt ihn auch von Instagram und hat immer Posts von ihm gezeigt, wenn er nach seinem Traummann gefragt wurde. Ob die Story so stimmt oder zu schön ist, um wahr zu sein, sei mal dahingestellt. So oder so könnte Lauritz eine interessante neue Farbe schwulen Lebens in die Sendung bringen, denn er bezeichnet „das Thema Fetisch“ als seine Leidenschaft und wünscht sich, dass sein Partner damit etwas anfangen kann. Ob er damit bei Prince Alex an der richtigen Adresse ist? Es wird sich in den kommenden Wochen zeigen, der fernsehserien.de-Redaktion gilt er aber bereits als Favorit.

Wer schon in der ersten Gentlemen’s Night seine Koffer packen muss, soll an dieser Stelle nicht verraten werden – wohl aber, dass die Corona-Pandemie in der ersten Folge mit keinem Wort erwähnt wird. Man kann geteilter Meinung darüber sein, in welchem Umfang dies hätte geschehen müssen. Einerseits dient das Format der Unterhaltung und in diesen Zeiten sicher nicht zuletzt der Ablenkung, andererseits erwartet man bei einem Dating-Format „mit Anfassen“, dass zumindest erklärt wird, ob und warum dies hier gefahrlos möglich sein soll (etwa mit vorheriger Quarantäne). Erwartungen gibt es sicherlich auch in qualitativer Hinsicht, denn die Auszeichnung mit dem Grimme-Preis und der Medienrummel um die erste Staffel hängen die Messlatte hoch. Der eine oder andere neue Zuschauer wird sich angesichts der Vorschau, in der direkt auf einen nackten Hintern gezoomt wird, sicher fragen, warum das preisgekröntes Fernsehen darstellen soll. So wird die zweite Staffel nun zeigen müssen, ob sie den – gegensätzlichen? – Erwartungen von Unterhaltung und Anspruch gerecht werden kann. Gefühlt hat man diesmal in allen Punkten noch eine Schippe draufgelegt, aber dieser Eindruck mag vielleicht auch der Tatsache geschuldet sein, dass solche Ereignisse im eigenen Leben nicht so komprimiert stattfinden, zumal im Moment eher Abstand geboten ist. Heiße Küsse, große Gefühle, Tränen, Drama, Streitereien (Ihr seid alle shady bitches hier!) – auch die zweite Staffel der Reality-Show wird voraussichtlich wieder gute Unterhaltung bieten. Und obwohl Homosexualität doch eigentlich ein uralter Hut ist, ist die Darstellung schwuler Liebe auch im Jahr 2020 noch etwas Außergewöhnliches. So sind das Format „Prince Charming“ im Allgemeinen und auch diese zweite Staffel im Besonderen wieder bemerkenswert im Fahrwasser einer unüberschaubaren Menge an vergleichbaren heteronormativen Formaten.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten Episode der zweiten Staffel von „Prince Charming“.

Unsere Wertung: 3,5/​5

Der Streamingdienst TVNOW veröffentlicht die zweite Staffel von „Prince Charming“ seit dem 12. Oktober montags im wöchentlichen Rhythmus. VOX besorgt die lineare Free-TV-Premiere jeweils zwei Wochen später – ab dem 26. Oktober montags um 22:15 Uhr. Insgesamt wird es neun reguläre Folgen und eine abschließende Wiedersehensshow geben.

Über die Autoren

Daniel Teuteberg ist Jahrgang 1986 und hat sich schon in früher Kindheit sehr für das Medium Fernsehen begeistert. Und das, obwohl sein Elternhaus erst sehr spät mit Satellitenempfang ausgerüstet wurde und ihm die ganze Bandbreite seiner Möglichkeiten bis dahin vorenthalten blieb. Schon im Grundschulalter nahm er akribisch die Hörzu auseinander – wortwörtlich mit der Schere. Er ist vermutlich der Erfinder des Episodenführers, was jedoch nie offiziell festgehalten wurde. Seine handgeschriebenen Werke existieren aber noch heute. Bevorzugte Genres gibt es kaum. Nach dem Kinderfernsehen wandte er sich relativ jung den ZDF-Familienserien zu, bevor er die Daily Soaps für sich entdeckte. Nach einigen Jahren kühlte diese Leidenschaft teilweise ab, doch „Marienhof“ und „Verbotene Liebe“ hielt er bis zum Ende die Treue. Zur Zeit seines Studiums weist sein Serien-Lebenslauf Lücken auf, da er zeitweise ohne Fernsehempfang auskommen musste und nur selten Zeit für und Lust auf neue Serien hatte. Nachdem er im Studium mit Erziehungs- und Kom­mu­ni­ka­tions­wis­sen­schaft noch zweigleisig gefahren ist, setzte sich schließlich doch die alte Leidenschaft für die Medien durch und so kümmert er sich seit 2013 als Redakteur bei fernsehserien.de hauptsächlich um die Pflege der Seriendatenbank und setzt damit fort, was er schon als Kind geliebt hat.

Lieblingsserien: Superstore, The Middle, Vorstadtweiber

Gregor Löcher wurde in den späten 70er-Jahren in Nürnberg geboren und entdeckte seine Leidenschaft für Fernsehserien aller Art in den 80er-Jahren, dem Jahrzehnt der Primetime-Soaps wie dem Denver Clan und Falcon Crest, was ihn prägte. Seitdem sind Faibles für viele weitere Serien und Seriengenres hinzugekommen, namentlich das der Comedyserie. Seit 2008 ist er als Webentwickler für fernsehserien.de tätig und hat zum Glück nach wie vor die Zeit, sich die eine oder andere Serie anzusehen.

Lieblingsserien: UFOs, Die Brücke, Will & Grace

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