„Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“ unterhält sogar Sportmuffel – Review

RTL feiert Franz Beckenbauer und Mitstreiter wie Gerd Müller

Stefan Genrich
Rezension von Stefan Genrich – 17.11.2023, 20:02 Uhr

Als „Gute Freunde“ erscheinen (v. l.) Paul Breitner (Jan-David Bürger), Franz Beckenbauer (Moritz Lehmann), Sepp Maier (Paul Wellenhof), Uli Hoeneß (Max Hubacher) und Gerd Müller (Markus Krojer). – Bild: RTL / Xiomara Bender
Als „Gute Freunde“ erscheinen (v. l.) Paul Breitner (Jan-David Bürger), Franz Beckenbauer (Moritz Lehmann), Sepp Maier (Paul Wellenhof), Uli Hoeneß (Max Hubacher) und Gerd Müller (Markus Krojer).

Gute Freunde feiern zusammen und kämpfen gegeneinander. Jedenfalls leben Münchner Fußballer ihre Leidenschaften aus – zumindest in den 60er- und 70er-Jahren: Helden wie Franz Beckenbauer (Moritz Lehmann) und Gerd Müller (Markus Krojer) jagen nach dem runden Leder und dem großen Geld. Mit wenigen Abstrichen faszinieren die Dramen auf dem Rasen und im Privatleben sogar Sportmuffel. RTL zeigt lediglich drei von sechs 45-minütigen Episoden „Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“: am 22. November um 20:15 Uhr. Der Sender hat bestätigt, dass er auf die zweite Hälfte der Miniserie verzichtet. Zum Ausgleich lockt RTL+ mit sämtlichen Folgen: Bereits ab dem 18. November stehen sie in den kostenpflichtigen Paketen zum Streaming bereit.

Aus dem müden Haufen entsteht ein Profi-Verein und Unternehmen

Gerd Müller schießt entscheidendes Tor

In der Kabine warten die Helden auf ihren Einsatz im Finale der Fußball-WM 1974. Reporter kommentieren, Fans jubeln. Gerd Müller schießt das entscheidende Tor. Zehn Jahre zuvor beobachten Wilhelm Neudecker (Michael A. Grimm) und Walter Fembeck (Rainer Wöss) den künftigen Bomber der Nation. Im Regen lästern der Präsident und der Geschäftsführer vom FC Bayern München über den kleinen Dicken, der sonst als Schweißer arbeitet. Der stabile Bursche feuert den Ball wieder mal in den Kasten auf dem Spielfeld von Nördlingen. Ein Funktionär vom TSV 1860 München erinnert an sein Wappentier und ärgert damit die beiden Vertreter der Konkurrenz: Der Müller wird ein Löwe. Wenn er da mal nicht irrt …

Ehren wir Gerd Müller, Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Paul Breitner und Uli Hoeneß

In einem Auto-Salon fertigt Robert Schwan (Maximilian Brückner) die fesche Mitarbeiterin Uschi (Beatrix Strobel) ab. Trotzig verkauft sie dem Ausschussvorsitzenden der Bayern eine überteuerte Karre im Goldton. Wenige Monate später wickelt die strebsame Frau auch Gerd ein. 1967 heiratet das Paar. Zu dieser Zeit ist der FC Bayern schon in die Bundesliga aufgestiegen. Gerd Müller, Sepp Maier (Paul Wellenhof), Franz Beckenbauer, Paul Breitner (Jan-David Bürger) und Uli Hoeneß (Max Hubacher) – solche Männer tragen den damaligen Regionalverein ab 1964 an die Spitze. Robert Schwan als erster Manager im deutschen Fußball und Präsident Wilhelm Neudecker verwandeln den müden Haufen – in einen exklusiven Club und gewinnbringendes Unternehmen.

Kaiser Franz Beckenbauer eckt an

Uschi überredet Gerd, als Werbefigur aufzutreten und einen seltsamen Schlager zu singen: Dann macht es Bumm. Erfolg und Wohlstand gefallen dem Torschützenkönig. Gleichzeitig irritiert ihn die fremde Welt. Sepp genießt hingegen den Luxus. Der Torwart treibt gerne Späße. Robert Schwan baut Franz zum sogenannten Kaiser auf. Dieser Angeber eckt nicht alleine bei Gerd an. Die Klatschblätter verbreiten Geschichten über Ehegattin Brigitte Beckenbauer (Leonie Brill). Die Schreiber verpassen den härteren Stoff. Erst nach einigen Jahren steht Franz zu seinem Sohn einer Jugendliebe. Rüpel Paul Breitner trainiert verbissen. Er hasst seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Dem Revoluzzer droht der Rauswurf aus der Mannschaft. Aber er hängt an Uli Hoeneß. Dieser Stürmer vermittelt wiederum seinem Kumpel Werbeverträge. Der Sohn eines Metzgers betrachtet Fußball als Geschäft und nervt seine Kameraden. Er träumt von einer Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1972. Allerdings stören Gewalttaten palästinensischer Terroristen den Spaß.

Uli Hoeneß (Max Hubacher, l.) und Paul Breitner (Jan-David Bürger) posieren für Fotos. RTL /​ Jürgen Olczyk

Mit wenigen Abstrichen faszinieren die Dramen

Bitte nicht mit Kitsch und Pathos übertreiben

Wie üblich übertreibt UFA Fiction mit Kitsch und Pathos. Damit setzt Nico Hofmann seine Duftmarke. Dennoch mundet „Gute Freunde“ – im Gegensatz zu seinen ernst gemeinten Historienserien wie „Die Flucht“. Der Produzent unterhält überzeugender, als dass er aufklärt. Gleichwohl greifen er und seine Leute in den Honigtopf. So stört süßliche Hintergrundmusik wie das Klaviergeklimper, als die Polizei über den Tod des Neuzugangs Rudi Schmidt (Jakob Gühring) informiert. Moritz Lehmanns Darstellung von Franz Beckenbauer bleibt etwas blass. Gerade dieser Charakter verdient kritische und kraftvolle Auftritte, zumal ihm bis heute moralische Schwächen nachgesagt werden. Immerhin darf Franz als Drama-Queen sowohl Kameraden als auch Schlachtenbummler nerven. Nicht zuletzt könnten die Macher von „Gute Freunde“ tiefer in die Abgründe ihrer Figuren blicken. Manche Konflikte bewegen das TV-Publikum zu wenig.

Vereinspräsident Wilhelm Neudecker (Michael A. Grimm, r.) und Manager Robert Schwan (Maximilian Brückner) besichtigen neues Stadion. RTL /​ Jürgen Olczyk

Unterschiede zwischen Erfindung und Wirklichkeit verwischen

Porträts gelingen den Schauspielern

Mit kleinen Einschränkungen gelingen die Porträts den Schauspielern. Michael A. Grimm poltert als Wilhelm Neudecker wunderbar herum. Er fletscht die Zähne und streitet mit seinem Friseur Niggl (Tim Seyfi). Endlos haut er derbe Sprüche heraus. Unter dem Spitznamen Tschik trainiert Zlatko Čajkovski (Sascha Alexander Geršak) rauchend die jungen Kerle. Nebenbei prägt er denkwürdige Zitate mit serbokroatischem Akzent: Der liebe Gott verteilt Glück, und der Koch verteilt die Suppe. Mit Hundeblick verzaubert Markus Krojer als Gerd Müller. Ich will in der Hauptsache Fußball spielen, verkündet er treuherzig: Und mehr als ein einziges Schnitzel essen kann ich auch nicht. Durch Martin Brambach („Unter anderen Umständen“) scheint der verständnisvolle und geduldige Bundestrainer Helmut Schön ins Leben zurückzukehren.

Bildkomposition ist zu bewundern

Die Bildkomposition vereint hochwertige Aufnahmen mit Schwarz-Weiß-Material sowie grobkörnigen und verwaschenen Szenen im Retro-Look. Einschübe imitieren Schmalfilme mit altertümlichen Markierungen. Dokumentarische Reste aus Fernsehen, Wochenschauen und Archiven verwischen die Unterschiede zwischen Erfindung und Wirklichkeit. Für weitere Abwechslung sorgen zitternde Ergebnisse aus Videokameras. Grafische Elemente und Schrifttafeln sowie Standbilder sind dazwischen geschnitten worden.

In der Kabine faltet Bundestrainer Helmut Schön (Martin Brambach) die Nationalmannschaft zusammen. RTL /​ Frank Dicks

Ohren bluten, und Frauen wachsen Achselhaare

Autoren verbinden spannende mit lustigen Ereignissen

Journalist Thomas Hüetlin hat Fakten und Anekdoten beigesteuert, die aus seinem Sachbuch zum Thema stammen: „Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“. Unter dem Kürzel HaRiBo beweisen Hanno Hackfort, Richard Kropf und Bob Konrad ihr Gespür für Streaming: Nach „4 Blocks“ und „Kleo“ haben sie jetzt die Miniserie über die Professionalisierung der Bayern entwickelt – unterstützt von Nico Schulz-Dornburg („Kitz“). Zudem frischen Alexander Lindh („Druck“) und Niklas Trinkhaus die Drehbücher auf. Auf diese Weise verbinden die Autoren spannende und lustige Ereignisse miteinander. Die Ohren bluten, wenn Franz Beckenbauer seine Schlager im Studio einsingt. Die fünf Bayern mischen 1974 die Nationalmannschaft auf, als sie mehr Geld verlangen. 1970 pflaumt Gerd Müller den gerade ernannten Kapitän Franz Beckenbauer an: Was der Sepp macht, ist lustig. Was du machst, ist arrogant.

Streit artet mitunter in Seifenoper aus

Niemand sollte zu intensiv auf Realitätsnähe achten. Oder ging es manchmal so wild zu wie in „Luden – Könige der Reeperbahn“? Der Streit artet mitunter in eine Seifenoper aus. Im Vorspann ist eine Warnung zu lesen, dass die wahren Begebenheiten die Serie lediglich inspiriert hätten. Gut, dass kein Lehrstück entstanden ist! Die Atmosphäre und die Ausstattung stimmen. Den Frauen sind sogar die zeitgemäßen Achselhaare gewachsen. Politische und gesellschaftliche Umbrüche tauchen am Rande auf. Somit ist zum Beispiel Paul Breitners linke Gesinnung leichter zu begreifen. Nordlichter mögen den bayerischen Dialekt nicht immer verstehen – egal, denn Glaubwürdigkeit und Stimmung profitieren von der sprachlichen Eigenart. Geschickt gießt Regisseur David Dietl alle Zutaten in eine Form.

Im Stadion grüßen (v.l .) Franz Beckenbauer (Moritz Lehmann), Gerd Müller (Markus Krojer) und Sepp Maier (Paul Wellenhof). RTL /​ Frank Dicks

Auf diese Weise haben Fußballer noch nie amüsiert

Hoffentlich schiebt RTL die zweite Hälfte von „Gute Freunde“ nach

RTL gebühren Glückwünsche für die unterhaltsame Miniserie. Auf diese Weise haben Fußballer noch nie amüsiert. Die Szenen aus den Stadien reißen die Zuschauerinnen und Zuschauer von den Sitzen, sogar wenn sie sonst bei der „Sportschau“ abschalten. Nicht nur Abonnenten sollten auf die wohl geratene Produktion zugreifen können. Hoffentlich schiebt RTL nach einer Wartezeit die zweite Hälfte von „Gute Freunde“ im kostenlosen Programm nach.

Dieser Text beruht auf Sichtung der kompletten Miniserie „Gute Freunde – Der Aufstieg des FC Bayern“.

Meine Wertung: 4/​5

Ab dem 18. November stellt die kostenpflichtige Plattform RTL+ alle sechs Episoden zum Streaming bereit.

Zusätzlich läuft die erste Hälfte im frei empfangbaren Fernsehen – bei RTL am 22. November um 20:15 Uhr. Laut Mitteilung verzichtet der Sender auf den Rest.

Nicht zuletzt ist seit dem 15. November ein zugehöriger Podcast bei RTL+ und etwa auf Spotify zu hören.

Über den Autor

Seit 2016 hat Stefan Genrich Websites entwickelt und an einer Hochschule unterrichtet. Vor einer siebenjährigen Pause bei fernsehserien.de würdigte er das weihnachtliche TV-Programm im United Kingdom: Sein Herz schlägt für britisches Fernsehen. Daher verfolgt er jeden Cliffhanger von „Doctor Who“. Der Journalist kritisiert nebenberuflich Serien. Ihn ärgern Mängel bei ARD und ZDF – oder er genießt „Tagesthemen“ sowie „Nord bei Nordwest“. Frühe Begegnungen mit „Disco“ und „Raumschiff Enterprise“ haben Spuren hinterlassen. Später scheiterte Stefan beim Versuch, die Frisur von „MacGyver“ zu kopieren. Wegen „Star Trek: Strange New Worlds“ und „1923“ mag er Paramount+.

Lieblingsserien: Frasier, Raumpatrouille, Star Trek – Deep Space Nine

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1963) am

    "RTL+" könnte ruhig auch mal einen Biopic drehen über Borussia Mönchengladbach - und auch Geschichten machen über Günter Netzer, Berti Vogts, Jupp Heynckes, Rainer Bonhof sowie Dr. Helmut Grashoff.
    Der HSV wäre auch mal interessant über Uwe Seeler...
    • (geb. 1963) am

      Bin zwar auch kein Bayern-Fan (worauf ich sehr, sehr stolz bin) - aber die Serie ist sowas von interessant.
      Bis jetzt habe ich die ersten beiden Folgen per kostenlosem Probe-Abo auf "RTL+" geguckt - und war doch ziemlich beeindruckt über die Anfänge dieses späteren Arroganz-Clubs.
      Für mich kam am besten immer noch "Gerd Müller" rüber. Der soll ja tatsächlich ein bischen einfältig gewesen sein. Der Schauspieler sieht wirklich aus wie ein Double von ihm.
      "Sepp Maier" kommt auch noch rüber.
      Aber "Franz Beckenbauer" ist - vom Aussehen her - nicht ganz so gelungen, wie iach finde.
      Warum wurde aber "Franz "Bulle" Roth" nicht berücksichtigt? Der kam ja nur am Rande vor.
      Liegt es daran, dass er kein Nationalspieler war?
      • am via tvforen.de

        Habe mir mal 2 Folgen auf RTL+ (Probeabo 30 Tage) angesehen, wohl für jeden Bayern Fan ein muss. Ist aber absolut nicht mein Ding da kein Bayern Fan. Bin da wohl etwas voreingenommen aber wem es gefällt.
        • am via tvforen.de

          Ein Bayern-Fan bin ich auch nicht. Aber mich interessiert die Umsetzung, vor allem wie die Leute dargestellt werden. Deshalb werde ich mir die Teile ansehen, die frei empfangbar sind.
      • am via tvforen.de

        Es geht hauptsächlich um Gerd Müller, Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Paul Breitner, Uli Hoeneß in den Anfangsjahren bis 1974.

        Roth kommt vor, es wird auch erklärt, warum man ihn "Bulle" nennt, aber spielt eher eine Statistenrolle. Super gespielt wird der Wilhelm Neudecker, auch Helmut Schön (Martin Brambach).

        Es wirkt alles sehr authentisch, weil die auch alle bayerisch sprechen, dann werden auch immer wieder Originalbilder aus den 60ern und 70ern eingespielt. Sehr gut fand ich auch den Darstelker des Gerd Müller. Wie gesagt, ich finde das wirklich gut gemacht.

        Spoonman, nein, absolut kein Bauerntheater.
      • am via tvforen.de

        Ich finde es großartig, und bin wahrhaftig kein FC-Bayern-Fan. Super gelungen.
        • am via tvforen.de

          Ist "Bulle" Roth auch mit von der Partie?
        • am via tvforen.de

          Paula Tracy schrieb:
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          > Ich finde es großartig, und bin wahrhaftig kein
          > FC-Bayern-Fan. Super gelungen.

          Mich interessiert das Thema eigentlich sehr. Florian König meinte gestern, das Ganze sei "gut gespielt", aber bei dem kurzen Ausschnitt, der gezeigt wurde, hatte ich eher den Eindruck von schlecht gespieltem Bauerntheater. Täuscht das?

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