The Smoke – Review

TV-Kritik zum Feuerwehr-Drama mit Jamie Bamber – von Marcus Kirzynowski

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 27.05.2014, 11:25 Uhr

Kev Allison (Jamie Bamber, l.) mit seiner Lebensgefährtin Trish (Jodie Whittaker) und bestem Kumpel Mal Milligan (Rhashan Stone).

„The Smoke“ beginnt mit einer ebenso beeindruckenden wie beklemmenden Actionszene: Sieben Minuten lang begleiten wir hautnah den Feuerwehrmann Kev Allison (Jamie Bamber) bei seinem verzweifelten Versuch, ein Baby aus einem brennenden Haus zu retten. Scheinbar ähnlich orientierungslos wie Kev schwenkt die Kamera in ständig wechselnde Richtungen, dichter Rauch behindert unseren wie seinen Blick. So sieht die Hölle aus: Während die Hitze steigt und die Decken wegbrechen, sehnt Kev die angeforderte Spezialleiter herbei. Aber die Leiter kommt zu spät, das Baby stirbt, Kev überlebt nur mit schweren Verbrennungen. Effektiver kann man eine Serie über Feuerwehrleute nicht beginnen.

Seit 2012 erlebt das Brandbekämpfergenre eine kleine Renaissance im englischsprachigen Fernsehen: Nach NBCs erfolgreich gestartetem „Chicago Fire“ versuchte sich mit Sky1 auch ein britischer Sender an einem eigenen Drama um die heldenhaften Staatsbediensteten jenseits der Polizeibehörden. „The Smoke“ war aber leider nicht der gleiche Erfolg beschieden, weswegen es nach der achtteiligen ersten Staffel nicht fortgesetzt werden soll. Das könnte auch daran liegen, dass die Produktion für den britischen Pay-TV-Sender bestimmt nicht billig war: die zwar nicht zahlreichen, aber doch in jeder Folge vorhandenen Actionszenen können mühelos mit ihren Pendants in US-Serien mithalten. Insgesamt wirkt „The Smoke“ wesentlich aufwändiger als andere Eigenproduktionen von Sky-Sendern wie etwa „Yonderland“ oder „Hit & Miss“. Und dafür, dass sich dieses hohe Produktionsniveau rentierte, reichten die sich schnell bei um die 650.000 einpendelnden Zuschauerzahlen wohl nicht aus. Schade, denn außer den professionell inszenierten Actionszenen, die im Übrigen packender sind als in der aktuellen Feuerwehrserie des ungleich größeren US-Networks NBC, hat das britische Drama noch einiges mehr zu bieten.

Nimmt trotz schwerer Verletzungen seinen Dienst wieder auf: Feuerwehrmann Kev Allison.
Da ist zunächst einmal die Tragik. Sechs Monate nach dem verheerenden Einsatz, wenn die Haupthandlung ansetzt, ist Kev ein Wrack, psychisch wie physisch. Das hindert ihn nicht daran, seinen Dienst als Einsatzgruppenleiter seiner Wache im Osten Londons wieder anzutreten. Und während er unter Schmerzen weiterhin versucht, Menschen aus eingequetschten Autos und von Hochhäusern zu retten, muss er parallel seine inneren Dämonen bekämpfen. Die sind zum Teil dem posttraumatischen Belastungssyndrom geschuldet und zum Teil den Selbstzweifeln, die der erlittene körperliche Schaden nach sich zieht. Die Verbrennungen hatten nicht nur hässliche Narben an Beinen und Unterleib zur Folge, sondern auch eine Impotenz. Wie Kev und seine Lebensgefährtin Trish (Jodie Whittaker aus dem Krimidrama „Broadchurch“) damit umzugehen versuchen, ist erstaunlich sensibel in Szene gesetzt und offenbart ein Potential als Drama-Schauspieler, dass man Bamber nach seiner meist doch recht eindimensionalen Darstellung des Apollo in der „Battlestar Galactica“-Neuauflage gar nicht zugetraut hätte.

Weit weniger sensibel inszeniert sind die ebenso heftigen wie plötzlichen Sexszenen, die immer wieder eingestreut werden. Leider verwässern sie teilweise auch den Realismus der Drehbücher, wenn ohne erkennbare Anbahnung oder nachvollziehbare Motivation Menschen auf dem Kneipenklo oder der Feuerwache übereinander herfallen. Stilistisch erinnert das an die Art, wie Sexszenen in britischen Jugendserien wie „Skins – Hautnah“ oder „Misfits“ eingesetzt wurden. Und das ist auch kein Zufall, hat die Serienschöpferin Lucy Kirkwood, die „The Smoke“ fast im Alleingang geschrieben hat, doch bei „Skins“ ihre ersten Erfahrungen als Drehbuchautorin gesammelt (von Haus aus schreibt sie Theaterstücke). Sexy ist das durchaus, lässt die Handlung aber teils gemeinsam mit den Beziehungsgeschichten insgesamt (vor allem dem Liebesdreieck zwischen Trish, Kev und dessen Kollegen und besten Freund Mal) zu sehr in Soap-Gewässer abdriften.

Das leistet dem Unterhaltungswert der Serie jedoch keinen Abbruch, die in ihrer Mischung aus fesselnder Action, Charakterdrama und (hier ebenfalls recht derbem) Humor mehr an „Third Watch“, den noch immer unerreichten modernen Klassiker des Genres, erinnert als an das deutlich oberflächlichere „Chicago Fire“. Auch „The Smoke“ erfindet die Feuerwehrserie nicht neu, besinnt sich aber auf die Stärken des Sujets und präsentiert diese erstaunlich frisch und modern. Auch die Erzählstruktur ist US-amerikanischen Vorbildern entlehnt: Neben den abgeschlossenen Handlungen rund um die jeweiligen Einsätze verlaufen übergreifende Handlungsstränge über die Episoden hinweg. Darin geht es um die Nachwirkungen des Brandes aus der Eröffnungsszene, nicht nur um Kevs Verletzungen, sondern auch um die Verursacher. Über den neuen Teamkollegen Dennis (Taron Egerton), einen (Ex?-)Skinhead, der aufgrund seiner kriminellen Vergangenheit von allen nur „Asbo“ genannt wird (Kürzel für eine gerichtliche Anordnung wegen antisozialen Verhaltens im UK), kommt Kev auch in Kontakt zu dem gefährlichen Brandstifter.

Während unsere Pay-TV-Sender wie TNT Serie oder der deutsche Sky-Ableger immer noch diskutieren, ob sie nicht eventuell demnächst irgendwann mal eine erste eigene Dramaserie in Auftrag geben könnten, sind deren britische Pendants schon einige Schritte voraus. Auch wenn sich nicht jede ihrer Investitionen wirtschaftlich auszahlt, muss man doch den Mut eher kleiner Sender bewundern, mit solch ambitionierten Eigenproduktionen dem Überangebot an US-Serien etwas entgegenzusetzen. Dass dabei inhaltlich und stilistisch genauso fesselnde Serien entstehen können wie jenseits des Atlantiks, beweist „The Smoke“ eindrucksvoll.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von „The Smoke“.

Meine Wertung: 4/​5

Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: Sky1

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

Kommentare zu dieser Newsmeldung

    weitere Meldungen