Ben Edwards (Taylor Kitsch, l.) und James Reece (Chris Pratt) sind auf der Hut
Bild: Prime Video/Attila Szvacsek
Allzu oft meldet sich Hollywood-Schauspieler Chris Pratt in politischen Fragen nicht zu Wort. Im Podcast des US-Komikers Bill Maher zeigte er jüngst allerdings große Sympathien für Donald Trumps hochumstrittenen Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., einen Verwandten von Pratts Ehefrau Katherine Schwarzenegger. Auch den amtierenden US-Präsidenten nahm der „Jurassic World“-Darsteller während des Gesprächs teilweise in Schutz. Dass Pratt dem konservativen Lager angehört, legen nicht nur diese Aussagen nahe. Auch seine Projektauswahl zeigt in diese Richtung.
In der Prime-Video-Serie „The Terminal List“ etwa begab er sich 2022 auf die Spuren von Charles Bronsons gnadenlosem Rächer aus der „Ein Mann sieht rot“-Reihe. Seinem Navy-Seal-Elitekämpfer James Reece wird von Seiten des Staates übel mitgespielt. Und als seine Familie ums Leben kommt, kennt der Soldat nur noch ein Ziel: Alle Verantwortlichen müssen sterben. Der auf Jack Carrs gleichnamigem Roman basierende formelhafte Reißer bekommt nun mit „The Terminal List: Dark Wolf“ ein Prequel spendiert, das sich auf Reeces alten Kumpel Ben Edwards (Taylor Kitsch) konzentriert. Jenen CIA-Agenten, der in die Verschwörung aus der Ursprungsserie selbst verwickelt ist. Auch Chris Pratt kehrt in seine alte Rolle zurück, verabschiedet sich in der zweiten Folge aber erst einmal aus dem Geschehen.
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Das Spin-off, entwickelt von Romanautor Carr und dem bereits hinter der Originalproduktion stehenden David DiGilio („Strange Angel“), springt nach dem „The Terminal List“ zitierenden Einstieg schnell in der Zeit zurück. 2015 befindet sich der Navy SEAL Edwards im Irak, wo er und seine Truppe, darunter der muskelbepackte Raife Hastings (Tom Hopper), gegen die Terrororganisation Islamischer Staat vorgehen. Während eines Gefangenaustausches geraten die mit einheimischen Militärs zusammenarbeitenden US-Amerikaner in einen Hinterhalt, bei dem Bens Vertrauter Daran Amiri (Fady Demian) seinen Unterschenkel verliert.
Eliza Perash (Rona-Lee Shimon) und Raife Hastings (Tom Hopper) halten nach Feinden Ausschau.Prime Video/Attila Szvacsek
Dass der Protagonist bei aller Härte ein einfühlsamer Mann ist, unterstreichen die Macher bereits hier und kurz darauf. Ehre, Vaterland, Freiheit – all das sind noble Dinge, für die es sich zu kämpfen lohnt. Besonders wichtig ist in Edwards’ Augen aber, dass die Soldaten füreinander wie Brüder einstehen, sich nie im Stich lassen. Von Anfang an weht ein starker Korpsgeist durch das Prequel, zementiert durch Lagerfeuerromantik unter Männern, pathetische Ansprachen und dramatische Musik. Wie viele andere amerikanische Filme und Serien, in denen es um Militäreinsätze geht, scheut auch „The Terminal List: Dark Wolf“ vor salbungsvollen Gesten nicht zurück. Im Vergleich mit dem Vorgänger von 2022 wird es in den ersten drei Folgen, die für diese Kritik gesichtet wurden, jedoch nicht ganz so sakral.
Im Umgang mit Darans Liebsten zeigt sich, dass in Ben durchaus ein Familienmensch steckt. Aber genau hier setzen Carr und DiGilio an, um die eigentliche Handlung ins Rollen zu bringen. Amiri bekommt Besuch von einem Terroristen namens Massoud Danawi (Farshad Farahat), der ihn zu einer ungeheuerlichen Tat zwingt. In der Folge lässt sich Edwards zu einer Kurzschlusshandlung hinreißen, die den Befehlen seiner Vorgesetzten zuwiderläuft. Das Ergebnis: Der verdiente Navy SEAL wird entlassen und damit quasi seiner Seele beraubt, wie es betont schwülstig heißt.
Weil Ben und sein Gefährte Hastings auf dem Rückweg in die USA in Frankfurt stranden, ziehen sie kurzerhand einen touristischen Streifzug in Betracht. Aus einer Motorradsause in den (gar nicht mal so nahen) Schwarzwald, einer Schifffahrt auf dem Main oder dem Besuch des Struwwelpeter-Museums wird allerdings nichts, auch wenn man vor allem Letzteres gerne gesehen hätte. Der Grund ist CIA-Mitarbeiter Jed Haverford (Robert Wisdom), der den beiden frisch gefeuerten Soldaten in einer Bar regelrecht auflauert, um ihnen einen neuen Job anzubieten. Selbstredend hängt dieser mit Bens und Raifes Wirken im Irak und ihrem alten Zielobjekt Danawi zusammen. Gemeinsam mit alten Bekannten – Mohammed Farooq (Dar Salim) und Jules Landry (Luke Hemsworth) – sowie neuen Mitstreitern – Eliza Perash (Rona-Lee Shimon), Tal Varon (Shiraz Tzarfati) und Ish (Michael Ealy) tauchen die ehemaligen Navy SEALs unter Anleitung Haverfords (beknacktester Spruch: „Ihr seid meine Hämmer, und alles andere sind die verdammten Nägel!“) in eine quer durch Europa führende Verschwörung ein, die mit dem iranischen Atomwaffenprogramm zu tun hat.
Ben Edwards (Taylor Kitsch, r.) nimmt in der Budapester U-Bahn die Verfolgung auf.Prime Video/Attila Szvacsek
Dass die Figurenzeichnung, zumindest anfangs, oberflächlich bleibt und moralische Grauzonen nur halbherzig ausgeleuchtet werden, muss nicht verwundern, wenn man die Vorgängerserie gesehen hat. Auch dort herrschen meistens Schwarz-Weiß-Muster vor, werden emotional mitreißende Momente eher behauptet, als glaubhaft arrangiert. Hier und da blitzt in „The Terminal List: Dark Wolf“ zwar Bens innere Zerrissenheit auf. Zur Entfaltung kommt sie bislang allerdings nicht, weil Augenblicke wie ein Anruf seiner in den Staaten wartenden Ehefrau Amy (Betty Gilpin) hastig abgefrühstückt werden. Bedauerlich, denn Taylor Kitsch ist eigentlich ein Schauspieler, dem ambivalente Charaktere durchaus liegen (siehe die Westernsaga „American Primeval“).
Überzeugen will das Prequel auch als Actionthriller eingangs nur bedingt. Weder schafft es der für die ersten beiden Episoden verantwortliche Regisseur Frederick E.O. Toye („The Boys“), packend choreografierte Kampfsequenzen in den Kasten zu bringen. Noch sind die Passagen, die die Spannung anheizen sollen, besonders clever konstruiert. Der Gefangenaustausch zu Beginn reicht beispielsweise nicht an die Intensität einer ganz ähnlichen Sequenz in „The Terminal List“ heran, in der Reece und seine Truppe in einem mit Wasser gefüllten Tunnelsystem in einen Hinterhalt stolpern. Meilenweit entfernt ist die neue Prime-Video-Serie gar von der eindringlichen Gestaltung, mit der Alex Garland in seinem jüngsten Kinofilm „Warfare“ einen realen Navy-SEAL-Einsatz im Irak rekonstruiert. Dort hat man wirklich das Gefühl, hautnah mit dabei zu sein, den Schweiß der in einem Haus festsitzenden Soldaten riechen zu können.
Für Abhilfe sorgt immerhin das dritte Kapitel von „The Terminal List: Dark Wolf“, das unter der Regie Liz Friedlanders („The Waterfront“) entstand. Inszenierung und Schnitt treiben den Puls nun spürbar nach oben, selbst wenn die Handlung weitgehend klassischen Agentenverschwörungsmechanismen folgt. Genau das wird hier aber kompetent und dynamisch umgesetzt. Die Hoffnung auf einen halbwegs fesselnden Fortgang muss man also nicht komplett begraben.
Meine Wertung: 2,5/5
Die ersten drei Folgen der Serie „The Terminal List: Dark Wolf“ sind bei Prime Video ab Mittwoch, dem 27. August verfügbar. Anschließend wird im wöchentlichen Rhythmus jeweils eine neue Episode veröffentlicht.
Über den Autor
Christopher Diekhaus, Jahrgang 1985, erlebte seine TV-Sozialisation in den 1990er-Jahren. Seine echte Liebe für den Flimmerkasten entbrannte allerdings erst gegen Ende der Schulzeit. Nach seinem Studium landete er zunächst in einer Film- und Fernsehproduktionsfirma. Seit 2013 schreibt Christopher als Freiberufler Film- und Serienkritiken. Das Portal fernsehserien.de unterstützt er seit Ende 2019. Im Meer der Veröffentlichungen die Perlen zu entdecken – diese Aussicht spornt ihn immer wieder an. Insgeheim hofft er, irgendwann eines seiner in der Schublade liegenden Drehbücher zu verkaufen. Bis er den Oscar in Händen hält, sichtet und rezensiert er aber weiter fleißig die neuesten Serien.