„United States of Al“: Wie schlägt sich die neue Sitcom des „The Big Bang Theory“-Schöpfers? – Review

Deutschlandpremiere von Comedy um afghanische Ortskraft in den USA auf ProSieben

Bernd Krannich
Rezension von Bernd Krannich – 02.01.2022, 20:00 Uhr

Der Cast von „United States of Al“: (v. l.) Elizabeth Alderfer, Adhir Kalyan, Dean Norris, Parker Young, Kelli Goss und Farrah Mackenzie – Bild: CBS
Der Cast von „United States of Al“: (v. l.) Elizabeth Alderfer, Adhir Kalyan, Dean Norris, Parker Young, Kelli Goss und Farrah Mackenzie

„United States of Al“ ist eine von zwei im Frühjahr 2021 in den USA gestarteten neuen Sitcoms von Chuck Lorre („The Big Bang Theory“) – ebenso wie „B Positive“ wurde sie für eine zweite Staffel in der Season 2021/​22 verlängert. Ab Montag (3. Januar 2022) kommt sie als Deutschlandpremiere zu ProSieben.

Im Zentrum der Comedyserie steht einmal mehr ein ungleiches Charakter-Paar. In „United States of Al“ ist das einerseits der frühere Soldat Riley (Parker Young; „Imposters“, „Suburgatory“), der nach drei ausgedehnten Dienstzeiten in Afghanistan in seine Heimat nach Ohio zurückgekehrt war, aber Probleme mit der Wiedereingliederung hat. Nach zähem Ringen ist es ihm gelungen, den Übersetzer Awalmir, genannt Al (Adhir Kalyan; „Rules of Engagement“, „Second Chance“), in die USA zu holen, der den Gegenpol spielt – die US-Streitkräfte hatten ihren Ortskräften zugesagt, ihnen das Übersiedeln in die USA zu ermöglichen, dies dann aber mit bürokratischen Hürden hingezogen. Im Sommer erlangte das Thema mit dem Rückzug internationaler Streitkräfte aus Afghanistan traurige Aktualität.

Dank Rileys Einsatz war Al bereits einige Monate vor diesem Ereignis in Ohio angekommen (die Serie hatte ihre US-Premiere am 1. April und damit deutlich vor den Ereignissen aus dem Sommer). In Ohio muss Al überrascht feststellen, dass Riley und seine Gattin Vanessa (Kelli Goss, „The Ranch“) sich mittlerweile getrennt haben, was auch deren kleine Tochter Hazel (Farrah Mackenzie) betrifft – da Al ihr Patenonkel ist, fühlt er sich für sie besonders verantwortlich.

Riley (Parker Young) heißt Al (Adhir Kalyan) willkommen – auch Schwester Lizzie (Elizabeth Alderfer) freut sich. Warner Bros. Entertainment Inc

Riley lebt mittlerweile wieder in der Garage im Haus seines Vaters Art (Dean Norris; „Breaking Bad“) – der Witwer führt ein kleines Handwerksunternehmen, in dem auch Riley jobbt. Ebenfalls im Haushalt lebt Rileys Schwester Lizzie (Elizabeth Alderfer; „Disjointed“), die zudem als Buchhalterin für ihren Vater arbeitet – Lizzies Verlobter war ebenfalls bei der Armee und war in Afghanistan gefallen: Sowohl Riley wie Lizzie übertünchen ihre emotionalen Probleme mit unüberlegten Fehlgriffen.

Art, selbst Veteran (wenn er auch nie einen großen Kampfeinsatz erlebt hatte), weiß Als Einfluss auf seinen Sohn zu schätzen und beherbergt diesen daher gerne. Als bodenständiger Muslim und aus einer anderen Kultur stammend, eckt Al in der Gegend immer wieder an – auch mit seiner Freundlichkeit, als er sich etwa in der Gegend als neuer Nachbar vorstellen will und von den eigenbrötlerischen Bewohnern nur Unverständnis und schnell wieder zugeschlagene Türen erntet. Er ruft seiner Gastfamilie aber auch immer wieder ins Gedächtnis, was wirklich wichtig ist: Familie! Parallel sorgt Al sich auch um seine eigene Familie – insbesondere seine ebenfalls als Übersetzerin in Afghanistan tätige Schwester, die immer noch auf eine Einreisegenehmigung warten muss und die weiterhin im Kriegsgebiet lebt.

Willkommen in der Garage: Die Freunde Riley (Parker Young, l.) und Al (Adhir Kalyan) leben zusammen in der Garage von Art. Warner Bros. Entertainment Inc

So ist „United States of Al“

Es liegt nahe, „United States of Al“ mit den anderen Comedyserien von Chuck Lorre zu vergleichen, von dem unter anderem allein in den jüngeren Jahren neben „The Big Bang Theory“ auch „Mom“, „Two and a Half Men“, „Mike & Molly“ und „Bob ❤ Abishola“ stammen. Dabei läuft es letztendlich auf eine Mischung aus einem deutlich entschärften „Big Bang Theory“ mit Einschlägen von „Mom“ sowie „Mike & Molly“ heraus. Al mit seinen starken und für seine Umgebung ungewöhnlichen Einstellungen erinnert gewisslich an Sheldon Cooper, ist aber deutlich verständnisvoller und einfühlsamer bezüglich des Lebens seiner Mitmenschen – wodurch er gleichzeitig ein Stück von Leonard Hofstadter enthält. Dabei bringt Al, wie jede Sitcomfigur, auch ein bisschen Einfalt mit, hat etwa eine kleine Fern-Konkurrenz mit einem weiterhin in Kabul lebenden Cousin.

Der zweite Protagonist, Riley, erinnert als Charakter an eine abgeschwächte Version von Raj und Howard: Er ist hedonistisch, hat Frauenabenteuer, ist aber deutlich weniger pathetisch und auch weniger frauenverachtend als der Physiker und der Ingenieur aus Pasadena.

Durch die traumatischen Erlebnisse, die über dem Leben von Lizzie und Riley hängen, finden sich Anklänge von „Mom“ in „United States of Al“ wieder: Beide Charaktere werfen sich in Momenten, in denen ihre Erlebnisse sie überwältigen, in zerstörerische Verhaltensweisen und bringen sich damit auch um Lebensglück. Beide tun sich schwer dabei, Hilfe zu akzeptieren – vor allem der stolze Riley, der die ihm als Veteranen gesetzlich zustehenden Hilfen wie Therapie und auch eine Rente für in der Dienstzeit erworbenen „Schwerbehinderungen“ aus falsch verstandener Männlichkeit ablehnt.

Wie weiland Sheldon Cooper glaubt Al (Adhir Kalyan, r.), in jeder Lebenssituation den richtigen Weg zu kennen – auch in der zerbrochenen Beziehung von Vanessa (Kelli Goss) mit Riley. CBS Broadcasting

Hier kommen auch die Anklänge von „Mike & Molly“ durch: Im Gegensatz zu den Protagonisten von „The Big Bang Theory“ und „Two and a Half Men“, die sich zumeist unreflektiert als Krone der Schöpfung sehen und sich ihre gegenüber anderen Menschen verletzenden Verhaltensweisen „erlauben“, lag über „Mike & Molly“ bei näherem Hinsehen auch immer Melancholie um das Verlorene (beide Protagonisten mussten mit einem frühen Verlust des Vaters umgehen, was auch in ihren Familien später zu traumatisierten und traumatisierenden Erfahrungen führte). Alle Hauptfiguren in „United States of Al“ haben schwere Verluste hinnehmen müssen: Al sein Heimatland, Riley seine Gesundheit, Lizzie ihre große Liebe und auch Art ist ja Witwer, der sich damit konfrontiert sieht, dass er die verstorbene Gattin seinen Kindern nicht ersetzen konnte.

„Meta-Kritik“ erntete „United States of Al“ in den USA übrigens dafür, dass ausgerechnet der „Afghane“ Al vom gebürtigen Südafrikaner Adhir Kalyan gespielt wurde, dessen Familie ihre Wurzeln zudem in Indien hatte – und der damit zu seiner Rolle eine denkbar geringe Beziehung hat, so dass ihm etwa auch unterstellt wurde, er würde die sprachlichen Eigenheiten aus Afghanistan nicht hinbekommen.

Daneben handelt es sich natürlich um eine Sitcom, in der der Witz immer Vorrang vor akkurater Darstellung der Kultur hat. Bei allem Lob für die Protagonisten ist zudem der neue Lebensgefährte von Rileys Ehefrau ein Totalausfall – „Freddy“ wird von Brian Thomas Smith porträtiert, der bei „The Big Bang Theory“ schon Pennys Ex Zack (der mit der Vegas-Heirat und dem Wunsch um eine Samenspende) spielte – und der hier als plattes Abziehbild einer Art Alt-Hippie zu sehen ist.

Insgesamt ist „United States of Al“ eine durchaus sehenswerte Sitcom, die die typischen Witzchen immer wieder mit emotionalen Momenten der Selbsterkenntnis und der Melancholie mischt. Bei der Darstellung des Culture-Clash und aktueller politischer Themen bemüht man sich zwar, hat sich aber letztendlich ein bisschen zu viel aufgebürdet.

Dieser Text basiert auf Sichtung der kompletten ersten Staffel von „United States of Al“.

Meine Wertung: 3,5/​5

Die Sitcom „United States of Al“ hat am 3. Januar ihre Deutschlandpremiere auf ProSieben. Zum Auftakt wird eine Doppelfolge ab 20:15 Uhr gezeigt, danach gibt es wöchentlich eine neue Folge.

Über den Autor

Bernd Krannich ist Jahrgang 1974 und erhielt die Liebe zu Fernsehserien quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater war Fan früher Actionserien und technikbegeistert, Bernd verfiel den Serien spätestens mit Akte X, Das nächste Jahrhundert und Buffy. Mittlerweile verfolgt er das ganzes Serienspektrum von „The Americans“ über „Arrow“ bis „The Big Bang Theory“. Seit 2007 schreibt Bernd beruflich über vornehmlich amerikanische Fernsehserien, seit 2014 in der Newsredaktion von fernsehserien.de.

Lieblingsserien: Buffy – Im Bann der Dämonen, Frasier, Star Trek – Deep Space Nine

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Meine Fresse, als Fan von 2,5 Men (mit Sheen) und BBT hatte ich mich riesig auf eine neue Serie von Lorre gefreut, vor allem, weil das Thema riesiges Potenzial bietet. Ich habe nicht einmal die erste Folge ohne Vorspulen wg. Fremdscham bei den Plattwitzen überstanden. Die zweite habe ich scon nicht mehr zu Ende geschaut... Das war alles so unlustig wie Kevin Can Wait oder die neue mit den begabten Kindern und mittelschlauen Kiffereltern, die nach 10 Folgen wieder eingestellt wurde. Manchmal blieb mir zwar der Thematik die Luft weg, aber es war nicht lustig... Ziel verfehlt.

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