Steven Soderberghs Thriller-Miniserie mit Claire Danes und Timothy Olyphant versucht den „Full Circle“ – Review

Stargespickte HBO-Produktion startet verwirrend, aber vielversprechend

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 18.07.2023, 18:30 Uhr

Claire Danes (l.) und Zazie Beetz (r.) in „Full Circle“ – Bild: HBO Max
Claire Danes (l.) und Zazie Beetz (r.) in „Full Circle“

Wohl jeder Film- und Serienfan weiß, dass es manchmal genügt, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, um eine Geschichte in Gang zu setzen. Es kann jemandem aber auch schon zum Verhängnis werden, mehr oder weniger zufällig den gleichen Kapuzenpulli zu tragen wie jemand anderes. Dann kann er zum Beispiel an dessen Stelle Opfer einer Entführung auf den nächtlichen Straßen von Manhattan werden, wie die Auftaktfolge von „Full Circle“ zeigt.

Die sechsteilige Miniserie des US-Streamingdienstes HBO Max versammelt eine bemerkenswerte Anzahl prominenter Mitwirkender vor und hinter der Kamera. Zu den Stars gehört Claire Danes, die sich nach ihrer Hauptrolle in der langlebigen Agentenserie „Homeland“ fest im Serienbusiness etabliert hat. Nach Apples vielschichtiger Dramedy „Fleishman is in Trouble“ ist dies bereits ihre zweite Miniserien-Hauptrolle in kurzer Zeit. An ihrer Seite spielen Timothy Olyphant („Justified“) und 1980er-Jahre-Kinostar Dennis Quaid („The Big Easy – Der große Leichtsinn“, „Enemy Mine – Geliebter Feind“), CCH Pounder („The Shield“) und der durch „When They See Us“ bekannt gewordene Jharrel Jerome. Auf der anderen Seite der Kamera zeichnete der als Regisseur von Indiefilmen bekannt gewordene Steven Soderbergh für die Inszenierung verantwortlich, der unter anderem durch „The Knick“ auch schon einige Serienerfahrung mitbringt. Sein langjähriger Partner Ed Solomon lieferte alle sechs Drehbücher.

Einfach machen es Solomon und Soderbergh den Zusehenden nicht, ihrer Geschichte zu folgen respektive überhaupt zu begreifen, was die Geschichte sein soll. In rascher Folge reiht die einstündige Auftaktepisode nämlich Szenen aus mindestens drei parallelen Handlungssträngen aneinander, die zunächst unverbunden scheinen. Erst in der zweiten Episode fügen sie sich langsam zusammen, ohne dass aber die Motive und Hintergründe schon zu erkennen wären. Es sind drei weit auseinander liegende Welten, in die wir Zuschauer eingeführt werden: Da ist zunächst die weiße Upperclass-Familie Browne, bestehend aus Sam (Danes), Derek (Olyphant) und deren Teenagersohn Jared (Ethan Stoddard). Sam managt das Business ihres Vaters Jeff McCusker (Quaid), eines Starkochs, der mit Kochbüchern und Merchandising reich und berühmt geworden ist. Die Brownes leben in einem großzügigen Apartment in Manhattan.

Haben die Kidnapper am Telefon: Derek (Timophy Olyphant), Sam (Claire Danes) und Jeff (Dennis Quaid)HBO Max

Ein paar Kilometer weiter in Queens herrscht Savitri Mahabir (Pounder) über ein Verbrechersyndikat guyanischer Einwanderer. Unter dem Deckmantel eines Versicherungsunternehmens sind die Migranten unter anderem im Drogenhandel aktiv. Mahabir trauert um ihren Bruder, der gewaltsam ums Leben kam. Unterdessen bekommen in ihrem südamerikanischen Heimatland zwei Jugendliche, Xavier (Sheyi Cole) und Louis (Gerald Jones), die freudige Nachricht, dass sie in die USA aufbrechen können – als neue Rekruten Mahabirs. In New York lebt bereits Louis’ Schwester Natalia (Adia), die sich eine Karriere als Physiotherapeutin aufbauen will, aber auch die Freundin von Mahabirs Neffen Aked (Jerome) ist.

Die Geschichte kommt in Gang, als Aked von seiner Tante den Auftrag bekommt, Jared zu kidnappen, wozu er die beiden Neuankömmlinge einspannt. Die Brownes bekommen also einen Anruf, dass sie noch in der gleichen Nacht eine große Geldsumme übergeben sollen, wenn sie ihren Sohn lebend wiedersehen wollen. Aber wenig später steht der plötzlich wieder in der elterlichen Wohnung. Bei der Entführung gab es eine Verwechslung, womit wir wieder bei dem roten Hoodie sind, den eben nicht nur Jared trug, sondern auch ein geheimnisvoller Junge, mit dem er sich treffen wollte. Für die Brownes stellt sich nun die Frage, wie sie dem ihnen unbekannten Teenie am besten helfen können, der anstelle ihres Sohns in der Gewalt der Entführer ist. Zudem ist dem Syndikat noch eine Beamtin (Zazie Beetz, „Atlanta“) auf der Spur, die auf eigene Faust ermittelt.

Einweisung ins Verbrecherbusiness: Xavier (Sheyi Cole) und Louis (Gerald Jones) HBO Max

Das klingt nicht nur kompliziert, sondern wird leider auch so erzählt. Echte Spannung kommt erst auf, als Vater Derek mit den prallen Geldtaschen nachts Richtung Park läuft, in dem die Übergabe vor einer gesetzten Deadline stattfinden soll. Dazu kommen Konflikte zwischen den Gangstern und vor allem einer der neuen Rekruten ist sich überhaupt nicht sicher, ob dieses Verbrecher-Business wirklich sein Ding ist. Unterdessen bleibt das Motiv hinter der Entführung im Dunkeln: Warum ausgerechnet Jared Browne? Das weiß vorerst wohl nur Savitri Mahabir, die an ihrem Schreibtisch vor einem Foto ihres Bruders sitzt und aus Reiskörnen einen Kreis legt – eben jenen titelgebenden, der sich am Ende schließen soll. Hoffentlich so, dass auch die Zuschauer verstehen, um was es (ihr) eigentlich bei dem Ganzen geht. Dazu sind ja noch vier Folgen Zeit.

Bis dahin hat die Serie genügend Schauwerte, um einen bei der Stange zu halten: ambivalente Charaktere innerhalb des Verbrecherclans, die Gegensätze zwischen den leuchtenden Wolkenkratzern Manhattans, auf dessen Straßen auch nachts um Eins noch das pralle Leben herrscht, und den runtergekommenen Vierteln, in denen die Einwanderer ihren Geschäften nachgehen – und nicht zuletzt die Familiendynamik der Browne-McCuskers, die noch reichlich undurchsichtig bleibt. Claire Danes bekommt leider in den ersten beiden Episoden noch keine rechte Gelegenheit, ihr Talent zu beweisen. Auch Dennis Quaid darf noch nicht viel mehr machen, als spätabends im Park Schach zu spielen. Überzeugender sind da schon die afro-amerikanischen JungschauspielerInnen, unter denen besonders Jharrel Jerome als gleichermaßen großmäuliger wie unsicherer „Erbe“ hervorsticht.

Am Morgen danach: Derek und Sam (r.) schildern einer Polizeibeamtin die Ereignisse.HBO Max

Die Inszenierung ist sehr dynamisch: Die meisten Szenen sind eher kurz, die Schnitte zwischen den verschiedenen Schauplätzen und Handlungssträngen rasant. Dass es Soderbergh versteht, Thriller spannend in Szene zu setzen, hat er mit Kinoerfolgen wie Out of Sight und „Ocean’s Eleven“ bewiesen. Um mit dieser Geschichte vollends zu überzeugen, müsste er es im Verlauf der weiteren Folgen allerdings noch schaffen, die losen Fäden so zusammenzufügen, dass die Motivationen der zentralen Figuren nachvollziehbar werden.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von „Full Circle“.

Meine Wertung: 3,5/​5

Die sechsteilige Miniserie wird seit dem 13. Juli wöchentlich in den USA bei HBO Max veröffentlicht. Ein deutschsprachiger Abnehmer ist noch nicht bekannt.

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1967) am

    Da hab ich ja schon beim Lesen null Bock mehr aufs gucken, obwohl Claire Danes mitspielt....

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