„Frier und Fünfzig“: Wenn Fernsehen sich selbst spielt – Review

Annette Frier spielt Annette Frier – und das ist wirklich lustig!

Gregor Löcher
Rezension von Gregor Löcher – 09.11.2025, 20:56 Uhr

Typisch Schauspielerin! Annette Frier (Annette Frier, r.) schmollt mit ihrer Agentin Tanni (Jasmin Shakeri). – Bild: Joyn/Willi Weber
Typisch Schauspielerin! Annette Frier (Annette Frier, r.) schmollt mit ihrer Agentin Tanni (Jasmin Shakeri).

Sie ist wieder da! Nicht, dass sie jemals wirklich weggewesen wäre. Auch nach dem Ende ihrer Durchbruchserie „Danni Lowinski“ blieb Annette Frier alles andere als untätig – namentlich in „Merz gegen Merz“ an der Seite von Christoph Maria Herbst als ihrem ständig streitenden Ehemann, oder als Ersatz für Ulrike C. Tscharre in „Hotel Heidelberg“, diesmal an der Seite von – äh, wieder Christoph Maria Herbst, als ihrem nur manchmal streitenden Ehemann. Nun spielt sie sich selbst – auch nicht zum ersten Mal. Denn auch als fiktionalisierte Version von Annette Frier kennt man sie bereits aus „Danni Lowinski“ oder „Pastewka“. Aber zum ersten Mal als Hauptfigur. Und man ist natürlich neugierig – wird die „echte“ Annette Frier so ganz anders sein als die Paraderolle, die sie immer wieder verkörpert? Oder wird man auch in ihrer neuen Serie „Frier und Fünfzig – Am Ende meiner Tage“ genau das bekommen, wofür man auch sonst Annette-Frier-Serien einschaltet?

Die neue Joyn-Serie – Streaming-Heimat unter anderem von „Frau Jordan stellt gleich“ – handelt von der Schauspielerin Annette Frier, und einem Thema, das in den letzten Jahren verstärkt in Text und (Bewegt-) Bild thematisiert wird: Frauen, die älter werden. Und besonders Schauspielerinnen, die älter werden. Und die abgeschrieben werden, von den Produzenten und – angeblich – dem Publikum, sodass sie höchstens noch in eng definierten Rollenklischees auftreten dürfen, etwa als die von Frier selbst zitierte „lustige Oma“.

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Frier spielt hier die Rolle ihres Lebens – wortwörtlich. Zumindest die idealisierte fiktive Version davon. Wobei, von einem Ideal ist das „echte“ Leben natürlich weit, weit entfernt – nicht nur im echten Leben. Die Serie kombiniert mehrere Ebenen miteinander: Medien-Satire, Frauen-Comedy, bissiger Gesellschafts-Kommentar. Und bemerkenswerterweise funktioniert das alles sehr gut, nicht nur für sich genommen, sondern erst recht als Kombination.

Unterstützung erhält Frier von ihrer – echten – Schwester Caroline Frier („Die Landarztpraxis“), die hier ebenfalls als fiktionalisierte Version ihrer selbst mitspielt. Dazu gesellen sich kurze und weniger kurze Cameo-Auftritte vieler bekannter Gesichter aus der deutschen TV-Landschaft, die diese als Realität verkleidete Fiktion zum Leben erwecken, indem sie ebenfalls alle sich selbst darstellen: Barbara Schöneberger, Bettina Lamprecht, Cordula Stratmann, Katrin Bauerfeind (als Sprachnachricht) … Und natürlich Henning Baum.

Annette Frier (Annette Frier) und Henning Baum (Henning Baum) in der „Wie es dazu kam …“ SzeneJoyn/​Willi Weber

Ein Juwel für Serienfans, die damals jeden Montag das Seriendoppel „Der letzte Bulle“ und „Danni Lowinski“ genossen haben, ist die Wieder- äh, -Vereinigung der jeweiligen titelgebenden Darsteller Frier und Baum. Damals liefen Danni und Mick hintereinander – immer schön abgetrennt durch den Abspann. Nun in „Frier und Fünfzig“ wird der Trenner eingerissen, und Frier und Baum befinden sich auch mal nebeneinander und, tja, untereinander. Die beiden genannten Serien waren einst das Aushängeschild des Bällchensenders, der dadurch zum Hoffnungsträger deutscher Serien wurde. Nachhaltig wurde diese Hoffnung aber eher enttäuscht – was in „Frier und Fünfzig“ bissig, aber treffend kommentiert wird mit Oder willst du etwa, dass wir am Ende bei Sat.1 landen?!.

Die Serie ist gespickt mit kleinen Boshaftigkeiten und Seitenhieben auf die Branche: echte Sendernamen, tatsächlich existierende Sendungen und Personen. In einer Szene „Frier und fünfzig“ tritt Annette Frier bei „TV total“ auf – Sebastian Pufpaff inklusive. Wie oft bei dieser Art Meta-Comedy bleibt man als Zuschauender ständig unsicher, wer hier eigentlich wen spielt. Spielt jede Figur sich selbst – oder ausnahmsweise doch eine Rolle? Annette Frier ist zum Beispiel nicht mit dem Schauspieler Alexander Khuon verheiratet, sondern mit einem Radfahrer namens Sascha, der wiederum von Khuon gespielt wird. Besagter Ehemann betrügt Annette mit seiner Spinning-Trainerin – und alle wissen es, nur nicht die Hintergangene. Als sie es schließlich erfährt, beginnt sie eine Affäre mit Mick Brisgau, äh nein, mit Henning Baum. Klingt ein bisschen nach Midlife-Crisis? „Frier und Fünfzig“ ist auch eine Serie über Frauen in den Wechseljahren. Lustigerweise betonen mehrere weibliche Figuren, sie seien ja nicht in den Wechseljahren, Zitat: Zieh mich nicht in deine Wechseljahre mit hinein! Während die Serie einerseits für weniger Stigmatisierung wirbt, bestätigt sie andererseits die gängigen Mechanismen, um Gesellschaftskritik zu üben.

Der eigentliche Auslöser für Friers Sinnkrise ist ein Fan, gespielt von keiner Geringeren als Alexandra von Schwerin – Serienfans natürlich bekannt als Danni Lowinskis alte Gegenspielerin Frau Bohse: Wenn man Annette Frier einschalte, dann wisse man immer, was man bekommt. Diese Bemerkung trifft Frier ins Mark. Sie will sich neu erfinden, endlich etwas ganz anderes spielen. Doch niemand interessiert sich dafür. Für Frier scheint es keine andere Rolle zu geben als die, die sie ohnehin schon spielt. Also beschließt sie, selbst aktiv zu werden: Sie sucht sich eine Autorin, die ihr eine neue Rolle auf den Leib schreibt – eine Serie, in der sie selbst die Hauptfigur ist. Der Titel: „Frier und Fünfzig“. Eine Serie in der Serie.

Darf in Annette Friers fiktionalisierter Welt natürlich nicht fehlen: Caroline Frier (Caroline Frier) Joyn/​Willi Weber

Ganz so, wie in der fiktiven Welt behauptet, ist es in Wahrheit freilich nicht: Viele Rollen, die Frier spielt, mögen ähnlich angelegt sein, aber als „Ella Schön“ etwa zeigte sie eine ganz andere Seite – möglicherweise bereits damals ein Real-Life-Versuch von Annette Frier, auch mal etwas anderes zu spielen. Das Experiment glückte, die Serie lief über viele Jahre im ZDF. 

In ihrer neuen Serie wird wie so oft als Einstieg für die Serie bewusst eine Szene gewählt, die in der Chronologie weiter hinten liegt und die die Zuschauenden ohne langatmige Erklärung in Handlung werfen soll: Zu Beginn der ersten Folge erwacht Frier nackt, in Stoff gewickelt, mit Freiheitsstatuen-Krönchen auf dem Kopf, mitten auf einem Fußballfeld – nach einer offensichtlich durchzechten Nacht. Die Fußballmannschaft schaut zu, während sie den Walk of Shame antritt. Danach folgt der klassische Rücksprung: Wie ist es zu dieser Situation gekommen? Begleitet wird das Ganze vom Titelsong „What’s Up?“ der 4 Non Blondes. Ein Hit aus dem Jahre 1993, der wohl nicht nur die Titelheldin, sondern auch die anvisierte Zielgruppe umreißen soll: Zuschauende mittleren Alters, die die 90er bereits bewusst miterlebt haben, damals aber noch dabei waren, erwachsen zu werden.

Abgesehen von Gesellschaftskritik und Meta-Ebenen geizt dieses Drehbuch aber auch nicht mit Onelinern. Wer früh spritzt, sieht später aus wie Meg Ryan ist einer davon. Dies erhöht das Seherlebnis um ein Vielfaches, und der Rezensent war ein bisschen beeindruckt, dass dies auch heutzutage noch gut funktioniert, ohne dabei gleich ins Klamaukige abzudriften. Hinter jedem Gag steckt immer auch eine Beobachtung über den Umgang der Branche mit Frauen über 40. So bekommt Frier einen Blumenstrauß mit einem Gutschein für eine Botox-Behandlung. Wörtlicher kann man „vergiftetes Kompliment“ wohl nicht umsetzen. Die Gratwanderung zwischen Komödie und Kommentar klappt dabei angenehm leichtfüßig.

Annette Frier (Annette Frier, M.) an der Seite von Fay Cool (Julia Beautx) zu Gast bei „TV Total“, moderiert von Sebastian Pufpaff (Sebastian Pufpaff) Joyn/​Willi Weber

„Frier und Fünfzig“ ist als halbstündige Comedy angelegt, klassisches 25-Minuten-Format. Wer Annette Frier bisher mochte, wird auch „Frier und Fünfzig“ wertschätzen. In diesem Fall weiß man wirklich vorher, was man bekommt, bevor man einschaltet – im guten Sinne. Frier in Höchstform, und auch die anderen Mitwirkenden verkörpern ihr fiktionalisiertes Ich mit Leidenschaft. Henning Baum hat sichtlich Spaß daran, mit seinem eigenen Macho-Image zu spielen. Nebenfiguren wie der esoterisch angehauchte Freund von Friers Tochter sorgen für zusätzliche Farbtupfer. Die Serie mag ein Kommentar auf Gesellschaft und Medien sein – aber sie ist dabei auch noch wirklich lustig. Wer Interesse an der deutschen Medienlandschaft hat oder einfach Spaß daran, wenn das Fernsehen sich selbst analysiert, kann gern mal reinschauen.

Dieser Text beruht auf der Sichtung der ersten und der sechsten von acht Folgen „Frier und Fünfzig“.

Meine Wertung: 4/​5

„Frier und Fünfzig“ wird auf dem Streamingdienst Joyn ab dem 10. November im kostenfreien Bereich veröffentlicht. Die lineare Erstausstrahlung in Sat.1 erfolgt dann ab dem 24. November montags um 22:15 Uhr in Doppelfolgen.

Über den Autor

Gregor Löcher wurde in den späten 70er-Jahren in Nürnberg geboren und entdeckte seine Leidenschaft für Fernsehserien aller Art in den 80er-Jahren, dem Jahrzehnt der Primetime-Soaps wie dem Denver Clan und Falcon Crest, was ihn prägte. Seitdem sind Faibles für viele weitere Serien und Seriengenres hinzugekommen, namentlich das der Comedyserie. Seit 2008 ist er als Webentwickler für fernsehserien.de tätig und hat zum Glück nach wie vor die Zeit, sich die eine oder andere Serie anzusehen.

Lieblingsserien: UFOs, Die Brücke, Will & Grace

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1992) am

    Das klingt ja alles sehr gut.


    Als "Danni Lowinski"-Fan ist die Serie sowieso Pflicht.


    Annette Frier ist immer sehr lustig.

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