Der Winter naht – oder doch nicht? – Review

„The Winter King“ wird Opfer seiner Exklusivität

Rezension von Fabian Kurtz – 05.09.2023, 17:30 Uhr

„The Winter King“ nach Bernard Cornwell läuft seit dem 20. August auf MGM+. – Bild: MGM+
„The Winter King“ nach Bernard Cornwell läuft seit dem 20. August auf MGM+.

Nachdem „Game of Thrones“ am 19. Mai 2019 ein letztes Mal über die Bildschirme flackerte, brach in der Serienlandschaft ein Graben aus, durch den die konkurrierenden Firmen schleunigst Wasser hineinspülen wollten. Stolz kündigte Netflix an, noch im selben Jahr „The Witcher“ als Nachfolgeprodukt ins Angebot zu packen. Man staunte auch nicht schlecht, als mit Amazons „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ das bisweilen teuerste Serienprojekt aller Zeiten, eine Fantasy-Serie sein sollte. Das Genre ist eine Investition, die sich lohnt.

Doch sitzen die Drachen schon lange nicht mehr auf ihren Bergen voll Gold und auch die Elfen und Zwerge brauchen für den eigenen Märchenwald die Landkarte. Dass nun auch MGM+ mit „The Winter King“ einen neuen Ort des Eskapismus ins Feld führt, zeigt, dass es scheinbar noch viel Bedarf und vor allem Stoff gibt, dessen Figuren noch zum Leben erweckt werden können. „The Winter King“ basiert auf den beliebten Romanvorlagen von Bernard Cornwell, der auf Basis der Artus-Sage eine eigene Geschichte entwickelt hat. Nun zeigt sich allerdings als erstes Problem an dieser Stelle, und eigentlich als Todesurteil für diese Kritik, die Frage nach dem Belang.

Die Adaption von Fantasy-Romanen zu bewerten Bedarf für eine vollständige Analyse eigentlich, die Vorlage zu kennen. Dies ist hier nicht der Fall. Der Handlung nun Untreue gegenüber der Vorlage zu attestieren liegt also genauso fern wie sie für ihren Einfallsreichtum, davon abzuweichen, zu loben. Auch die Unterschiede zur Artus-Sage hervorzuheben wäre fatal, da Bernard Cornwells Roman „The Winter King“ natürlich jede Freiheit hat, diese zu verfremden, zu optimieren oder gar zu negieren.

Iain de Caestecker (r.) als von seinem Vater verbannter Bastard Arthur Pendragon MGM+

Die allgemeine Müdigkeit in diesem Diskurs liegt somit auch nicht mehr beim Wie der Diskussion, sondern beim Worüber. Existenziell hat somit auch die Textdiskussion einen ordentlichen Dämpfer erfahren, sieht man den öffentlichen Diskurs vielmehr bei einem gemeinsamen Liken oder Haten, was wiederum mit dem rheinischen Jedem Tierchen sein Pläsierchen zum Schweigen gebracht wird. Differenziert und fundiert über Fantasy zu diskutieren ist oftmals die Anstrengung nicht wert, wenn man sich besinnt, worüber überhaupt diskutiert wird. In diesem Fall „The Winter King“.

Eine Serie, die sich leider den Vorwurf anhören lassen muss, spezifisch im Sinne des Publikums zu sein. Produkt für eben jene antizipierten Käufer, die entweder Fantasy mögen, Bernard Cornwell mögen oder besser noch gleich seinen Roman „The Winter King“ mögen. Für sie ist die Serie gemacht. Das Tempo in der Geschichtenerzählung, was sich ganz der chronologischen Handlung als der Exposition widmet, erwartet eine gewisse Vorkenntnis der Geschehnisse, der Figuren und der Genre-typischen Landkarte. Breitschultrig wie Artus selbst sitzt „The Winter King“ zwar souverän im Sattel, verschreckt aber gleichsam die ahnungslosen Streuner in die Büsche.

Merlin (Nathaniel Martello-White, r.) bittet den verbannten Arthur die Königreiche Britanniens zu vereinen. MGM+

Vor allem inszenatorisch sehen sich die ersten beiden Folgen unter der Regie von Otto Bathurst gänzlich im Dienst eines obligatorischen Bewusstseins, der ewigen Bereitschaft, die gezeigten Fantasiewelten ohne Wenn und Aber zu akzeptieren. Die jeweiligen Ortsnamen, die bei der Etablierung der Schauplätze in stil-typischer Schriftart eingeblendet werden, unterstreichen diese Konkretisierung. Anstatt zu erzählen, wird also benannt und anstatt zu zeigen, wird gesagt.

Der ahnungslose Zuschauer ist bei Charakteren wie Arthur (Iain de Caestecker), seinem Vater Uther Pendragon (Eddie Marsan), der ihn verbannt, und dem Zauberer Merlin (Nathaniel Martello-White), der Arthur aus dem Exil holt, um Britannien zu vereinen, verwirrt. Die Abweichung von allgemein bekannten Legenden ist, wie oben beschrieben, durchaus sehenswert und notwendig, es bedarf ihrer jedoch ausreichend Exposition und Zeit, angenommen zu werden. Peter Jackson stellte seinem „Der Herr der Ringe: Die Gefährten“ einen Prolog voraus, der auch diejenigen ins Boot holte, die 2001 durch Zufall in den Kinosaal gestolpert waren. „The Winter King“ hingegen gibt einem das Gefühl, exklusiv sein zu wollen.

Diese Rezension basiert auf den ersten zwei Episoden der ersten Staffel von „The Winter King“.

Meine Wertung: 3,5/​5

The Winter King läuft seit dem 20. August auf MGM+ in den USA und wird hierzulande laut Ankündigung von MagentaTV voraussichtlich im Jahr 2024 über das Streamingangebot der Telekom abrufbar sein.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Die Serie Winterking beruht auf dem ersten Band einer Trilogie von Bernard Cornwell. Die nur komplett Sinn macht. Faszinierend an den sehr erfolgreichen Büchern ist, dass er eine ganz eigene Story erzählt. Die Charaktere sind zum Teil gänzlich anders, als in der gängigen Arthussaga. Z.B. ist einer der Helden ein Blender und Poser und Merlin und Morgana sind auch weniger plakativ und einfach gestrickt. Dadurch erhält die Geschichte viel mehr Tiefe und realistische Züge. Nicht so dieses Fabel-schwarz/weiß-Ding. Die Trilogie gehört zu meiner absoluten Favorites und ich bin froh sie gelesen zu haben, bevor ich mich demnächst an die Serie wage.
    • am

      Außer einem hierzulande einigermaßen bekannten Gesicht wie "Vielseitigkeitskönner" - nämlich Eddie Marsan (bekannt als Film-Lestrade & als Terry in Ray Donovan) - sind hier ansonsten keine namhaften Leute oder gar Charakterköpfe an dieser Produktion beteiligt. 
      Wenn diese Serie nicht alle 10 Minuten spätestens so etwas wie ein "Weißes Kaninchen" aus dem Hut zaubert - weil die Story in ihren Grundfesten so gut wie Jeder/mann/frau schon kennt - dann wäre eine zweite oder gar dritte Staffel ein WAHRES SERIENWUNDER.
      • am

        Ganz ehrlich, diese Kritik verstehe ich nicht (und nicht nur rein sprachlich - "ein Graben bricht aus" - hä, was bricht aus?). Hauptkritikpunkt des Autors ist, dass die Serie "spezifisch im Sinne des Publikums" sei. Wenn das heißen soll, dass der Autor keine Ahnung vom Fantasy-Genre hat, ist das doch sein (Bildungs-)Problem, nicht das der Serie. Und: Die Artus-Sage muss man doch heute wohl niemandem mehr erklären. Die ist hundertfach verfilmt und inzwischen Allgemeingut. Man muss ja auch niemendem erklären, was Science Fiction ist. Ich bitte doch auf dieser Seite ein bisschen darauf zu achten, dass ihre Autoren etwas Kompetenz an den Tag legen.
        • am

          Ich möchte hinzufügen, es gibt auf dieser Seite hier sehr gute Autoren, die sattelfest im Fantasy-Genre sind, vielleicht hätte man ihnen die Rezension überlassen sollen. Und ich hoffe, Sie verstehen, dass dies nicht als haten gemeint ist, sondern als sachliche Kritik. Ich sitze hier nicht schäumend vor der Tastatur, aber ich fühle mich als Leser und Serienfan von dieser Rezension nicht ernst genommen.

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