„Black Lightning“: Netflix’ DC-Superheldenserie punktet mit Politbezug und charismatischem Hauptdarsteller – Review

Gelungene Mischung zwischen Comic-Adaption und realistischem Hintergrund

Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 28.01.2018, 10:00 Uhr

Cress Williams als Jefferson Pierce aka „Black Lightning“ – Bild: The CW
Cress Williams als Jefferson Pierce aka „Black Lightning“

Es dauert nur drei Minuten, bis „Black Lightning“ zeigt, dass es sich hier um entschieden mehr handelt als bloß die nächste Comic-Superheldenserien des Hochglanzsenders The CW: Jefferson Pierce, wie der „schwarze Blitz“ mit bürgerlichem Namen heißt, fährt seine Tochter, die er vom Polizeirevier abholen musste, weil sie an einer Demonstration teilgenommen hatte, mit dem Auto nach Hause – und wird prompt von der Polizei angehalten. „Zum dritten Mal in diesem Monat“, wie Jefferson betont. Der weiße Polizist, der sehr wohl weiß, dass Jefferson nichts verbrochen hat, demütigt den Schwarzen im Anzug nach allen Regeln der Kunst. Aus purer Lust an der rassistischen Schikane.

Dieser Verweis auf Zustände wie offenen Rassismus und Polizeigewalt, wie sie in den USA der letzten Jahre vermehrt in den Fokus geraten waren, ist der deutlichste von vielen Hinweisen, die das Autoren-Ehepaar Mara Brock Akil und Salim Akil („The Game“) in ihrer Verfilmung des DC-Comics platzieren, um die Welt, in der Black Lightning tätig werden muss, so heutig und (im durchaus traurigen Sinn) zeitgemäß wie möglich zu zeichnen. Auch produktionstechnisch positioniert sich die im Main Cast fast nur mit Schauspielern of color besetzte Serie als Solitär: Schauplatz ist die fiktive Stadt „Freeland“, in den 13 Episoden der ersten Staffel gibt es keine Überschneidungen mit den anderen CW-Superheldenserien aus dem so getauften „Arrowverse“ („Arrow“, „The Flash“, „Supergirl“, „Legends of Tomorrow“), obgleich dessen Boss Greg Berlanti auch hier als Executive Producer mitmischt. Allerdings wollen die Verantwortlichen nicht kategorisch ausschließen, dass es im Erfolgsfall doch noch zu Überlappungen kommen könnte.

Was „Black Lightning“ von den allermeisten Comic-Superheldenserien absetzt, ist nicht nur die Orientierung an den realen Zuständen eines Landes, in dem nach acht Jahren Barack Obama derzeit ein weißer Rassist die Regierungsgeschäfte führt, sondern auch der Verzicht auf das Erzählen einer sogenannten „Origin Story“. Die Pilotepisode, von Salim Akil höchstselbst inszeniert, erzählt also nicht davon, wie Jefferson Pierce zu „Black Lightning“ wird, zum Superhero, der seine Gegner mittels seiner Elektro-Kräfte in Schach hält, sondern davon, wie Pierce darüber ins Grübeln kommt, ob er nach neun Jahren Abstinenz wieder in den Spandex-Anzug steigen soll, um das Verbrechen zu bekämpfen. „Black Lightning“ ist in dem Sinn sein eigenes Sequel, sein eigenes „The Return of“. Und noch in einem weiteren Sinn setzt sich die Serie ab: In der Titelrolle ist keiner der üblichen glattgesichtigen, modelfrischen Jungspunde zu sehen, die sonst das CW-Bild prägen, sondern der quarterbackbreite Cress Williams aus „Hart of Dixie“, lebenserfahrene 47 Jahre alt. Nicht, dass ihn das auch nur einen Funken weniger sexy machen würde: Williams hat Charme und Charisma genug für zehn dieser Serien.

Jefferson Pierce hat sich nach seiner ersten Phase als schwarzer Blitz, an dessen Ende seine Ehe zerrüttet und die Gesundheit angeschlagen war, dazu entschlossen, das Elend der Gesellschaft an anderer Front zu bekämpfen: Als Rektor der Garfield High School in Freeland hat es sich der frühere Olympiasieger zum Ziel gesetzt, die Jugendlichen – nicht nur die schwarzen – beizeiten auf den rechten Weg zu bringen, noch bevor sie überhaupt auf die schiefe Bahn geraten können. Dabei hat er vieles richtig gemacht: Immerhin hält gleich zu Beginn die (echte) Senatorin aus Ohio, Nina Turner, eine Laudatio auf den Direx. Dennoch ist die Lage in Freeland fatal, wie Ausschnitte aus TV-Nachrichten (mit einem Cameo des News-Reporters Roland S. Martin) zeigen: Gangster haben die Stadt im Griff, darunter der Drogen- und Prostitutionsring „The 100“, geleitet vom skrupellosen Ex-Politiker und Jetzt-Kingpin Tobias Whale, der seine gescheiterten Schergen mit Vorliebe in Aquarien ertränkt oder bei Bedarf harpuniert. Gespielt wird der Blofeld-artige Fiesling vom albinoweißen Rapper Krondon (bürgerlich: Marvin Jones III).

Die Schwestern Jennifer (China Anne McClain) und Anissa (Nafessa Williams) Pierce geraten in Gefahr

25 Schießereien pro Wochenende beklagt derweil die Polizei um Inspector Henderson, Jeffersons Kumpel (Damon Gupton, „Prime Suspect“). Kein Wunder, dass der Vorzeigepädagoge ins Grübeln kommt: Soll er das alte Kostüm vielleicht doch wieder auspacken und funkensprühend für Ordnung sorgen, gemäß seines poetischen Leitspruchs, dass „justice, like lightning, should always appear to some men hope and to other men fear“? Wer ihn darin bestärkt, ist sein alter Vertrauter und Anzug-Schneider Gambi – als väterlicher Mentor gespielt von James Remar („Dexter“). Anders als Jeffersons Ex-Frau Lynn (Christine Adams, „Feed the Beast“) ist Gambi der Meinung, der in den Schuldienst gewechselte Superheld habe damals verantwortlich gehandelt und sei keineswegs „süchtig“ nach den Auftritten mit Blitz und Kawumm gewesen.

Doch Jefferson zweifelt. Schon weil er sich um seine zwei Töchter sorgt: Teenager Jennifer (China Anne McClain, „A.N.T.: Achtung Natur-Talente“), Leistungssportlerin mit Crush für Mitschüler Khalil (Jordan Calloway aus „Unfabulous“), und Endzwanzigerin Anissa (Nafessa Williams), eine angehende Ärztin, die derzeit an Vaters High School lehrt und ansonsten mit der erlöschenden Liebe zu ihrer Freundin hadert. Sukzessive bringt der Plot Jefferson an einen Punkt, an dem er sich fast zwangsweise wieder auf die alte Black-Lightning-Identität besinnen muss: Erst drangsalieren Whales Unterlinge Jennifer dann entführen sie beide Töchter in ein als Bordell genutztes Motel, schließlich wird eine ehemalige Schülerin Jeffersons beim Versuch, die eigene Tochter aus den Händen der „100“ zu befreien, ermordet. Entgegen des Versprechens, das der Familienvater seiner Lynn einst gab, greift er wieder zur Elektro-Power.

Der große Gegenspieler Tobias Whale (Marvin ‚Krondon‘ Jones III)
Die über die ersten beiden Folgen sparsam, aber wirkungsvoll eingesetzten Actionszenen trotzen der Trashigkeit des mit leuchtenden Blitzen auf der Brust versehenen Superheldenkostüms – schon weil Cress Williams der Figur mit trocken hingeworfenen Onelinern und wuchtiger Körperlichkeit ordentlich Durchschlagskraft verleiht. Die Regisseure (Salim Akil und „CSI: New York“-Veteran Oz Scott) setzen auf eine sehr agile Kamera, die elegant durch die Lüfte saust, wenn der Blitzemann seine Gegner mit ungesunden Voltgrößen traktiert, aber auch die Konzentration hält, wenn es in ruhigen Sequenzen etwa um die (angesichts der Gefährdung ihrer Töchter sich anbahnende) Wiederannäherung von Jefferson und Lynn geht.

Anders als in vielen herkömmlichen Comic-Verfilmungen verliert sich dabei nie das Gefühl, dass die Handlung in einer als „echt“ identifizierbaren Welt mit individuellen Bürgern, sozialen Problemen und Gefährdungslagen angesiedelt ist, und es ist sowohl den Autoren, der Regie und den guten Darstellern geschuldet, dass es nicht als Bruch wahrgenommen wird, wenn Williams als Jefferson dann plötzlich in den Comic-Kampfmodus übergeht und jene Figur spielt, die von Tony Isabella und Trevor van Eeden einst als DC-Gegenentwurf zu Marvels „Luke Cage“ entworfen wurde.

Mit Soul von Al Green bis Sampha und Retro-Rock von Jack White auf der Tonspur, aber ohne die Übertreibungen der Blaxploitation, betreiben die Akils das geschickte Wordbuilding einer schwarzen Superheldenserie, die an die wirkliche Welt andockt und dabei doch immer auch unterhaltsamer Comic bleibt. An mögliche Spin-Offs wird explizit gedacht, indem auch Jeffersons Töchter allmählich ihre (ererbten?) Kräfte entdecken: Anissa etwa, die Waschbecken aus der Wand reißen und Supermarkträuber durch die Gegend werfen kann, entwickelt sich zu einer Figur, die Kenner der Comicreihe als DC-Heldin „Thunder“ identifizieren können. Sie wäre damit die erste queere schwarze Superheldin. Wer derlei Empowerment für identitätspolitischen Aktionismus hält, sei darauf verwiesen, dass die Dringlichkeit der Serie schon dadurch bestätigt ist, dass die weißen Suprematisten unter den Comic- und Serienfans seit Monaten gegen die Produktion agitieren und überall, wo es möglich ist, massiv Downvoting betreiben und sich über eine (vollständig halluzinierte) Weißenfeindlichkeit der Serie ereifern. Black Lightning, lass die Blitze zucken!

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie „Black Lightning“.

Meine Wertung: 4/​5


Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: The CW


Die Serie „Black Lightning“ wird in den Vereinigen Staaten für den Sender The CW produziert. In Deutschland erfolgte die Premiere am 23. Januar 2018 bei Netflix.

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Weiß hier irgendwer, warum es nicht weitergeht? Im Moment ist Sendepause, dabei müsste Netflix schon längst die 6. Folge im Programm haben. Kann mir bitte jemand sagen, was da nicht so läuft, wie es soll? Vielen Dank im Voraus.

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