Die Streaming Wars mit Gewinnern und Verlierern, noch mehr Spin-Offs und weniger Frauen: Das internationale Fernsehjahr 2024 im Rückblick

Welche Veränderungen hat die internationale Medienwelt erlebt?

Bernd Krannich
Bernd Krannich – 30.12.2024, 12:19 Uhr

Symbolhaft für die internationale TV-Industrie – Bild: CBS/Paramount Global/Disney+/Showtime
Symbolhaft für die internationale TV-Industrie

Über die Gründe kann man im Einzelnen streiten. Bei „The Acolyte“ jedoch fällt bitter auf, dass Stenberg seit ihrer Verpflichtung mit Anfeindungen von „’Star Wars’-Fans“ leben musste. Und bei „Navy CIS: Hawaii“ kommt man nicht umhin anzumerken, dass CBS diese in den Einschaltquoten ordentlich laufende Serie absetzte und auf dem Sendeplatz durch ein ungetestetes Format „vom Reißbrett“ ersetzte – ein Format, das vom Sohn von „Navy CIS“-Urgestein Mark Harmon erdacht wurde und dem Vater-Sohn-Gespann kuschelige Produzenten-Jobs brachte.

Die amerikanische Fernsehindustrie befindet sich in der Zeit nach „Peak TV“: Die Zeit, während der im Wettstreit um Streaming-Kunden das Geld locker saß, ist vorbei, deutlich weniger Serien werden beauftragt und die meisten Anbieter konzentrieren sich eben wieder auf die (weltweit) kaufkräftigsten Kunden (auch hier kann man streiten): weiße Männer in westlichen Ländern.

Künstliche Intelligenz

Im Jahr 2023 ging es im Streik der Schauspieler und dem der Drehbuchautoren auch um Persönlichkeitsrechte und vor allem den Einsatz von generative artificial intelligence – also der Verwendung von Technik, um aus bestehendem Material etwas „Neues“ zu schaffen. Konkreter ging es darum, welche Mitspracherechte und auch Entlohnung Schauspieler und Autoren haben würden, wenn Medienkonzerne „ihre Arbeit“ nutzen wollen, um neue Inhalte am Computer zu schaffen.

Ob es den beiden Berufsgruppen gelungen ist, ihre Rechte zu sichern, wird die Zukunft zeigen müssen und werden spätere Branchenbeobachter bewerten. Die Film- und Fernsehindustrie umfasst jedoch weit mehr als diese beiden Berufsgruppen und aktuell ist weiterhin nicht absehbar, wie die generelle rechtliche Situation sich entwickeln wird: Kleinere Gruppen von Urheberrechtehaltern versuchen vor Gericht zu beweisen, dass die aktuellen KI-Anwendungen ihre Rechte verletzen müssen, um gewisse Ergebnisse liefern zu können (etwa das Buch eines Autoren ohne Genehmigung gescannt haben, um Informationen zu dessen Inhalt geben zu können).

Wie bei den „Streaming Wars“ steckt die Industrie noch „mittendrin“. Hier werden die Konflikte aber eben auf kleineren Schlachtfeldern ausgetragen und sind weniger sichtbar als der Wettkampf von Milliarden-Konzernen miteinander.

Nur eines von zwei neuen „Navy CIS“-Spin-Offs: „NCIS: Origins“ CBS

Franchitis greift weiter um sich

Schon lange existiert der Trend, dass Geldgeber in den Medien auf etablierte Intellectual Properties setzen: Sie hoffen darauf, dass die Zuschauer eher in eine neue „Star Wars“- oder „Star Trek“-Serie schauen, als sich eine zuvor „namenlose“ Neuentwicklung anzusehen. Oder sich für eine neue Serie begeistern können, in der die bekannten Figuren aus den Sherlock-Holmes-Geschichten eine Rolle spielen – egal, wie eng oder weit weg die Handlungen von den Vorlagen sind.

Nachdem in den vergangenen Jahren zunehmend die Weichen für eine noch verstärkte Franchise-Bildung gestellt wurden, kommen allmählich immer mehr Ergebnisse auf die Bildschirme. 2025 etwa werden gleich zwei „Dexter“-Ableger bei Paramount+ laufen (neben „Dexter: Original Sin“ auch noch „Dexter: Resurrection“) und erstmalig werden zwei „Game of Thrones“-Ableger „parallel“ produziert: Zum „House of the Dragon“ gesellt sich dann „A Knight of the Seven Kingdoms“. Weiterhin werden mit „Watson“ (CBS) sowie „Sherlock & Daughter“ zwei Serien aus der „Welt“ von Sherlock Holmes im US-Fernsehen laufen, beide recht weit weg vom Originalstoff: In „Watson“ kehrt Dr. John Watson nach Holmes’ Tod (und in der Gegenwart) in die Medizin zurück; bei „Sherlock & Daughter“ verlässt der britische Meisterdetektiv das Viktorianische London und es steht die Frage im Raum, ob er eine uneheliche, erwachsene Tochter hat, über die er von deren Mutter nie informiert wurde.

Nach „NCIS: Origins“ im letzten Jahr wird das „Navy CIS“-Franchise durch das Spin-Off „NCIS: Tony & Ziva“ ergänzt. Und für CBS reichte eine einzige, vage Idee, um eine neue Anwaltsserie nach dem Serienklassiker „Matlock“ zu benennen.

Es wird politisch: Die nahe Zukunft

Wahljahre wie 2024 mit der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl sind für die TV-Industrie immer gut: Denn die Wahlkämpfer buchen über wenige Monate viel Werbung – und sorgen damit für höhere Werbepreise.

In der 2025 beginnenden zweiten Präsidentschaft von Donald Trump ist nun – für die Fernsehwirtschaft als Ganzes – ein Staatsoberhaupt mit einem autoritären Regierungsstil zu erwarten, das weitgehend auf Deregulierung setzt. Letzteres hat Trump auch bei der Nominierung von Brendan Carr als kommendem Oberhaupt der Rundfunk-Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission) nochmals unterstrichen, als er davon sprach, dass die FCC zuletzt das Grundrecht der „freien Rede“ eingeschränkt und auch die US-Wirtschaft ausgebremst habe. In diesem Kontext bedeutet die Einschränkung „freier Rede“ vor allem ein Vorgehen gegen verbale Angriffe sowie Hasskommentare, das die FCC den Plattformbetreibern auferlegte. Die „Behinderung der Wirtschaft“, die Trump sieht, bezieht sich auf die Funktion der FCC als Kartellwächter und eben Regulator, der dem freien Spiel der Marktkräfte den Schutz von Wettbewerbsbedingungen auch für kleinere Anbieter sowie Kundenschutz gegenüberstellt.

Schon in der ersten Amtszeit Trumps hatte der Präsident über das Justizministerium eine Klage erwirkt, die den Zusammenschluss der Firmen Warner Bros. und Discovery nach Möglichkeit verhindern sollte, da Trump eine tiefe Animosität mit der Berichterstattung des (Trump-kritischen) Nachrichtenkanals CNN von Turner (und damit Warner Bros.) verband. Auch ließen Trumps Parteigänger infolge der zweiten TV-Debatte des jüngsten Wahlkampfs – Trump gegen Harris bei ABC – bei der FCC prüfen, ob das (allgemein als „tadellos“ erachtete) Verhalten der Moderatoren zu einer Sanktionierung des Senders führen müsse. Kurzum: Der Präsident macht, was er schon als Geschäftsmann tat, und poltert, droht Gegnern mit rechtlichen Konsequenzen.

Im Gegensatz dazu ist Trump für seinen Langmut mit freundlich gestimmten Unternehmen und Unternehmern bekannt. Wenige Beobachter würden dem Urteil widersprechen, dass Trump den Milliardären nähersteht als dem einfachen Bürger.

Nachdem nun die ersten Schlachten in den Streaming Wars geschlagen sind, erwarten Branchenbeobachter für die nächsten Jahre eine weitere Flurbereinigung: Zusammenschlüsse und Aufkäufe („Merger & Aquisition“ aka „M&A“) von Medienkonzernen, bei denen die FCC in ihrer Funktion als Kartellwächter das eine oder andere Urteil zu fällen haben wird. So steht zu erwarten, dass die Medienkonglomerate sich in Zukunft auf die eine oder andere Art beim Präsidenten und seiner Regierung anbiedern werden (müssen), um sich das Leben einfacher zu machen.

Derweil im Vereinigten Königreich: Die BBC atmet auf

Mit den Parlamentswahlen des vergangenen Jahres in Großbritannien kam das Ende für die konservative Regierung der Tories. Die hatten seit einer Wahl 2010, als David Cameron zum Premierminister wurde, die Regierungsverantwortung gehabt. Zu ihrer Politik gehörte auch eine Stärkung privater Medien zulasten der BBC – diese hatte sich Cameron mit einer kritischen Berichterstattung im Wahlkampf zum Feind gemacht. Über die 14 Jahre der konservativen Regierung waren die Einnahmen der BBC – die zum Großteil als waschechte „Steuer“ in die Entscheidungsverantwortung der Regierung fallen – immer weiter „beschnitten“ worden; teils durch Umstrukturierungen, teils dadurch, dass die Steuer keinen vollen „Inflationsausgleich“ erhielt.

Weitere Einschnitte waren für die Zeit der nächsten Royal Charter ab 2028 anvisiert; im politischen System des Vereinigten Königreiches obliegt es formal dem Staatsoberhaupt (König oder Königin), für Einrichtungen und Organisation zu bestätigen, dass sie dem Gemeinwohl dienen und daher vom Staat auf Zeit gewisse außergewöhnliche Rechte (Privilegien) erhalten; bei der BBC etwa die Finanzierung durch eine „Rundfunksteuer“. Die aktuelle BBC Charter läuft seit dem 1. Januar 2017 und bis 31. Dezember 2027, dann muss sie erneuert werden, soll die BBC fortbestehen und auf bisherige Weise finanziert werden.

Die aktuelle UK-Regierung hat zunächst vom Kurs weiterer Einschränkungen für die BBC abgesehen und angekündigt, dass die nächste anstehende Anpassung der Rundfunksteuer einen vollen Ausgleich für die aktuelle Inflation bringen wird.

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Über den Autor

Bernd Krannich ist Jahrgang 1974 und erhielt die Liebe zu Fernsehserien quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater war Fan früher Actionserien und technikbegeistert, Bernd verfiel den Serien spätestens mit Akte X, Das nächste Jahrhundert und Buffy. Mittlerweile verfolgt er das ganzes Serienspektrum von „The Americans“ über „Arrow“ bis „The Big Bang Theory“. Seit 2007 schreibt Bernd beruflich über vornehmlich amerikanische Fernsehserien, seit 2014 in der Newsredaktion von fernsehserien.de.

Lieblingsserien: Buffy – Im Bann der Dämonen, Frasier, Star Trek – Deep Space Nine

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Danke für den interessanten Beitrag.

    Wenn in Zukunft weniger Serie produziert werden, ist das generell nichts Schlechtes, wenn bei diesen Projekten dann die Qualität steigen würde. Lieber weniger aber bessere Serien als einen Haufen Schrott. Fernsehen ist allerdings ein Markt. Die einzige Masslatte, die es auch in Zukunft geben wird ist: Was wollen die Zuschauer sehen? Das Geschichtenerzählen sollte im Vordergrund der Entscheidungen stehen. Eine wirklich gute Geschichte mit einer gut geschriebenen Protagonistin würde niemand zurückweisen. Doch wenn die Zuschauer stattdessen politisch ideologische beeinflusst werden sollen, oft auch noch sehr plump, dann merken die das ... Dann stimmen sie per Fernbedienung ab. So einfach ist es. Also, was wir brauchen sind nicht Quoten, sondern gute Storys die interessante Geschichten erzählen.
    • am

      Die provokante Behauptung nur westliche weiße Männer ziehen ist Quatsch. Man darf es halt nur nicht mit dem Holzhammer machen so wie Hollywood es seit Jahren macht. Das dann in die Hose geht ist klar. Wenn der Zuschauer das Gefühl hat, dass er indoktriniert werden soll mit einer bestimmten ideologischen Weltanschauung ist klar dass das in die Hose geht. 
      Und bitte lasst das Gendern sein. Wenn ihr schon Schauspieler und Schauspielerinnen ansprechen wollt, schreibt das auch bitte so wie ich gerade und nicht mit Sonder- oder Satzzeichen dazwischen. Danke.

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