The Americans – Review

TV-Kritik zum Agentendrama – von Marcus Kirzynowski

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 26.02.2013, 16:25 Uhr

Der Schein trügt: Elizabeth (Keri Russell) und Phillip (Matthew Rhys) mit ihren nichtsahnenden Kindern.

Elizabeth und Phillip Jennings sind ein scheinbar ganz normales amerikanisches Ehepaar, das in den 80er Jahren mit seinen beiden Kindern in einem gutbürgerlichen Stadtteil von Washington lebt. In Wahrheit sind sie sowjetische Staatsbürger und heißen auch nicht Jennings: Sie sind Schläferagenten des KGB, die sich in den USA bereits vor 15 Jahren eine Scheinexistenz aufgebaut haben. Das wissen allerdings nicht einmal ihre eigenen Kinder.

Das Ende Januar auf dem FOX-Kabelableger FX gestartete „The Americans“ ist eine ungewöhnliche Mischung aus Spionagethriller und Familiendrama, allerdings weit entfernt von der 80er-Jahre-Serie „Agentin mit Herz“, in der die Kinder der Titelheldin ebenfalls immer ahnungslos waren, was ihre Mutter in Wahrheit so trieb. Eher möchte sich das Drama wohl in den Reigen aktuellerer Pay-TV-Serien wie „Homeland“ einordnen. Serienschöpfer Joe Weisberg, der selbst früher bei der CIA arbeitete, hatte die Idee, nachdem 2010 in den USA ein bis dahin perfekt getarnter russischer Spionagering aufflog. Als Executive Producer konnte er unter anderem Graham Yost („The Pacific“) gewinnen, der durch seine Arbeit als Showrunner von „Justified“ bereits einen guten Kontakt zu FX mitbrachte.

Die Pilotfolge wirkt zunächst ähnlich überdreht und mit Handlungselementen vollgepackt wie die vorherigen FX-Produktionen „Nip/​Tuck“ und „American Horror Story“. Sie beginnt gleich mit einer Sexszene: Eine blonde Schönheit reißt in einer Bar einen FBI-Agenten auf und verwöhnt ihn später mit einem Blow-Job. Nachdem sie das Hotel verlassen hat, reißt sie sich allerdings die blonde Perücke vom Kopf und entpuppt sich als sowjetische Agentin Nadezhda (alias Elizabeth). Der FBI-Mann ist ein Überläufer des KGB, den ihr Ehemann Phillip kurz darauf entführt und in den Kofferraum des Jennings-Familienautos verfrachtet. Zu allem Überfluss zieht jetzt auch noch ein neuer Nachbar ein, der sich ausgerechnet als FBI-Agent vorstellt. Er arbeitet in der Abteilung für Spionageabwehr und ist auf sowjetische Schläfer angesetzt. Dass gerade die Jennings nebenan wohnen, ist aber tatsächlich reiner Zufall. Trotzdem wird er natürlich schnell misstrauisch. Als wäre all das noch nicht genug der Verwicklungen, erfahren wir in Rückblenden noch, dass Elizabeth eine gemeinsame Vergangenheit mit dem entführten KGB-Mann verbindet: Er war damals in der UdSSR ihr Ausbilder und hat sie zudem vergewaltigt.

Die Frau mit den zwei Gesichtern: Elizabeth Jennings alias Nadezhda (Keri Russell)
Ziemlich viel Stoff für etwas mehr als eine Stunde Laufzeit und tatsächlich wirkt die erste Folge dann auch etwas überfrachtet, gleichzeitig aber auch sehr dicht und durchaus vielversprechend, was weitere Folgen angeht. Interessant sind weniger die Actionszenen als vielmehr die stilleren Momente zwischen Phillip und Elizabeth. Schnell wird klar, dass beide ganz unterschiedliche Auffassungen über ihre Beziehung und ihr Leben in Amerika haben. Während Phillip im Laufe der 15 Jahre des ursprünglich nur als Scheinehe begonnenen Zusammenlebens echte Gefühle für Elizabeth entwickelt hat, sieht sie das Verhältnis zu Phillip mehr oder weniger immer noch als reine Arbeitsbeziehung – außer dass sie eben zusammen Kinder haben. Zudem fühlt sich Phillip inzwischen in seinem „Gastland“ recht wohl, hat gemerkt, dass das Leben im Kapitalismus gar nicht so schlimm ist, wie die Ideologen in der Heimat ihm eingetrichtert haben. Seine Ehefrau hingegen ist weiterhin stramme Kommunistin und überzeugte KGB-Agentin. Beide machen sich außerdem natürlich große Sorgen, was aus ihren Kindern würde, sollten sie jemals enttarnt werden. Sehr schön vermittelt die Serie in diesen Szenen, welche inneren Konflikte entstehen können, wenn zwei ursprünglich Fremde 15 Jahre erzwungenermaßen Tisch und Bett teilen und sogar gemeinsame Kinder erziehen müssen.

Weniger überzeugend ist der doch arg konstruierte Handlungsstrang des benachbarten FBI-Manns. Das Motiv des natürlichen Feindes, der zum privaten Umfeld der Protagonisten gehört, ist im Grunde durch Walter Whites Schwager Hank in „Breaking Bad“ schon zur Genüge auserzählt worden. Das ständige Katz-und-Maus-Spiel zwischen den für verschiedene Seiten arbeitenden Nachbarn ist aber zumindest ein folgenübergreifender Erzählbogen, während ansonsten in den Folgen 2 und 3 die Episodenhandlungen dominieren. Das Tempo nehmen die Serienmacher hier bereits deutlich zurück; fast wirkt es, als hätten sie im Piloten schon einen Großteil ihres Pulvers verschossen. Kann die zweite Folge um die Erpressung einer Putzfrau des Verteidigungsministers noch halbwegs überzeugen, sinkt die Spannung in der reichlich wirren dritten Episode um die Frau eines erschossenen KGB-Agenten doch deutlich.

Ein Plus sind die beiden Hauptdarsteller Keri Russell („Felicity“) und Matthew Rhys („Band of Brothers“), die die ständigen Rollenwechsel des Paares zwischen knallharten Spionen und sorgenden Eltern glaubhaft verkörpern. Insbesondere mit Russell haben die Produzenten zum Glück keine typische Hollywood-Schönheit besetzt, sondern eine Mittdreißigerin, hinter deren kühler Attraktivität immer ein Abgrund zu lauern scheint. Gelungen ist auch der Einfall, die Handlung nicht in der Gegenwart anzusiedeln, sondern in der Hochzeit des Kalten Kriegs, zu Beginn der Amtszeit Ronald Reagans. Abgesehen davon, dass UdSSR und USA natürlich dankbarere Kontrahenten sind als es mit dem heutigen Russland möglich wäre, sorgt das für schöne Reminiszenzen an diese Zeit in Ausstattung und Kostümen. Nicht mehr als routiniert ist hingegen die Inszenierung ausgefallen, obwohl die dritte Folge mit „The West Wing“-Regisseur Thomas Schlamme aufwartet. Der hat allerdings schon in der Seriensaison 2011/​12 mit der Pilotfolge von „Pan Am“ vermuten lassen, dass er ohne seinen langjährigen Partner Aaron Sorkin nicht mehr als solides Handwerk abliefert.

Insgesamt reicht „The Americans“ sicher nicht an Highlights des Agentengenres heran, könnte aber zumindest den Fans von Spionagedramen die Wartezeit auf die neue „Homeland“-Staffel halbwegs interessant verkürzen.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Folgen von „The Americans“.

Meine Wertung: 3/​5
© Alle Bilder: FX

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

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