The Cape – Review

von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 17.01.2011

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„The Cape“ attackiert seinen Erzfeind Peter Fleming (James Frain, r.)

Rasant, farbenfroh, spannend und vor allem überzeugend: „The Cape“ ist das Beste, was NBC in dieser TV-Saison bislang an den Start geschickt hat. War der späte Start zur Midseason also Taktik, oder hat man bei dem mit Zuschauerschwund kämpfenden Sender noch immer nicht realisiert, was Qualität ausmacht? Fast alle Vorzüge von „The Cape“ stehen in krassem Gegensatz zu anderen NBC-Formaten: die Ansiedlung in einer fiktiven Stadt, der Mut zum Anderssein, sowie die Konsequenz und Geradlinigkeit, mit der Produzent und Autor Tom Wheeler seine Vision umsetzt. Dazu gehört auch die Musik von „Battlestar Galactica“-Veteran Bear McCreary, der hier mit seinem dramatischen und eleganten Score erneut unter Beweis stellt, dass er momentan der vielseitigste Fernsehkomponist im US-TV ist.

Die Besetzung von „The Cape“ dürfte nicht nur die Herzen von Serienfans höher schlagen lassen. Tatsächlich haben wir es hier endlich mal wieder mit Stuntcasting zu tun, das auch tatsächlich funktioniert! Vor allem David Lyons, der bereits eine Nebenfigur in den letzten beiden Staffeln von „Emergency Room“ zum unverzichtbaren Bestandteil des Formats machte, wächst hier über sich hinaus und entpuppt sich als die absolute Idealbesetzung für Vince Faraday. Dabei gerät ihm auch zum Vorteil, dass Faradays „The Cape“-Figur nicht nach dem Piloten bereits vollständig entwickelt ist. Die Serie wird von dem Lernprozess des Ex-Cops leben, er wird Fehler machen und an seine geistigen und physischen Grenzen stoßen. Schließlich schläft der Feind nicht, der durch James Frain absolut hervorragend verkörpert wird. Niemals übertrieben oder lächerlich verleiht er der „Cape“-Variante eines Lex Luthor eine starke Präsenz, so dass derartige Vergleiche eigentlich erst im Nachhinein aufkommen.

Trip Faraday (Ryan Wynott) wartet auf weitere Zeichen seines real gewordenen Lieblingshelden.
Die Protagonisten von „The Cape“

Wie gesagt, was Summer Glaus Bloggerin Orwell eigentlich antreibt, liegt nach den ersten beiden Episoden noch vollkommen im Dunkeln. Das bedingte Vertrauen, das sich inzwischen ihr und Vince entwickelt hat, ist jedoch eine der interessantesten Facetten von „The Cape“ und dementsprechend harmonieren Lyons und Glau sehr gut. Auch die Beziehung von Vince zu seiner Familie, wirkt nie leer oder aufgesetzt, nie zu simpel oder idealisiert als Rückzugspunkt. Wie Dana und Trip ohne Vince klarkommen und mit den fortgesetzten Manipulationsversuchen durch Marty fertig werden, ist eine weitere, spannende Komponente der noch jungen Serie. Wann werden beide erfahren, dass sich hinter „The Cape“ der totgeglaubte Vince verbirgt? Kann Dana ihrem Sohn überhaupt je glauben, wenn der behauptet, dass sich sein Superheld persönlich an ihn wendet, wenn er nachts auf dem Dach ihres Wohnhauses auf ihn wartet?

„The Cape“ besticht zudem durch die farbenfrohen, leicht bizarr wirkende Sets, in der sich Vince und Co. bewegen. Erinnerungen an die Neo-Noir-Welten von „Nikita“ oder „Dark Angel“ werden wach, die Illusion einer fremden, aber dennoch sehr bekannten Umgebung. Ein Hauch von Surrealität kann da nur helfen, egal ob beim Zirkuszelt der ungewöhnlichen Bankräubertruppe von Mentor Max, in Faradays Panorama-Penthaus oder Orwells Blogger-Hauptquartier. Kaum ein anderes Format hat momentan soviel Mut optisch mit einer derartig großen Bandbreite von Farben und Settings zu spielen. Gewisse Anleihen aus „Heroes“ oder „Watchmen“ lassen sich dabei sicher nicht verleugnen, was aber kein Nachteil ist. Ein farbenfrohes Format, das gleichzeitig nicht an der kompletten, inhaltlichen Oberfläche schwimmt, ist unerwartet zur Marktlücke geworden. Es gibt eine Alternative zu „Entweder-Oder“.

Ob dieser Mut auch belohnt wird, steht noch in den Sternen. NBC hat mit „The Cape“ sein bestes Format seit langem gestartet – doch bekommt das auch jemand mit? Die Quoten beim Debüt am 9. Januar waren ordentlich, aber nicht überragend. Die eigentliche Bewährungsprobe dürfte auf dem regulären Sendeplatz, am Montagabend warten. Sollte Vince Faraday bei seinem Streben nach Gerechtigkeit ausgerechnet an dem desolaten Zustand von NBC scheitern, wäre dies der Gipfel der Ironie und ein weiteres Zeichen dafür, dass Network-Fernsehen in den USA die besten Tage vielleicht hinter sich hat. Aber Genre-Fans gelten ja als besonders loyal. Jetzt ist die Zeit dies unter Beweis zu stellen.

Meine Wertung: 5/​5

Infos, Sendezeiten, Links und Foren zu „The Cape“

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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