Nashville – Review

TV-Kritik zur Country-Soap – von Gian-Philip Andreas

Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 21.01.2013, 11:17 Uhr

Das „Nashville“-Ensemble – im Vordergrund: Connie Britton und Hayden Panettiere

Wenn eine Serie „Nashville“ heißt, drängen sich Assoziationen auf: Es kann darin nur um Country-Musik gehen, gilt die Hauptstadt von Tennessee doch seit den Tagen von Johnny Cash und Waylon Jennings als spirituelles und logistisches Zentrum dieser Art von Musik. Zudem muss man an Robert Altmans oscarprämierten Kinofilm „Nashville“ von 1975 denken, ein Ensembledrama. Und was ist ein Ensemblefilm schon anderes als die Kurzversion einer nicht gedrehten Serie?

Tatsächlich hat „Nashville“, die im Oktober auf ABC gestartete neue Serie der „Thelma und Louise“-Autorin Callie Khouri, mit Altmans Film einiges gemeinsam: Hier wie dort geht es um die Erlebnisse einer Gruppe von Menschen, die auf verschiedene Weise mit Country zu tun haben, und hier wie dort wird der Musikbiz-Erzählstrang mit einem politischen Wahlkampf parallelgeführt. „Nashville“, die Serie, geht also zumindest auf grundsätzlicher Ebene als Hommage auf Altmans Meilenstein des Musikfilms durch.

Khouri lässt zwei starke Frauenfiguren aufeinanderprallen, die verschiedenen Generationen entstammen. Connie Britton (aus „Friday Night Lights“ und „American Horror Story“) spielt die Mittvierzigerin Rayna Jaymes, Superstar der Country-&-Western-Musik, Mutter zweier Kinder, Ehefrau eines netten Bankrotteurs mit bestimmt fatalem Steuergeheimnis, überdies Tochter eines dominanten Patriarchen. Mit Wallemähne und „hey y’all“-Konföderierten-Akzent passt sie bestens auf jede Südstaaten-Cocktailparty, wo bekanntlich nichts mehr zählt als ein breites Grinsen und ein gewahrter Schein.

Über zwanzig Jahre jünger ist Hayden Panettiere, die tolle „Heroes“-Cheerleaderin. Sie spielt hier den Country-Shootingstar Juliette Barnes, deren poppige Arrangements bei Teenies bestens ankommen. Man ahnt es schon: Das wird ein Zweikampf, als träte eine gealterte Country-Legende ? la Bonnie Raitt gegen einen aktuellen Hotshot wie Taylor Swift an (die Macher weisen derlei Identifizierungsspiele natürlich von sich). Für die Darstellerinnen ist das natürlich ein gefundenes Fressen. Schon in den ersten Folgen dürfen sich beide angiften, dass es eine Freude ist. Wen wundert’s, dass beide prompt für den ‚Golden Globe‘ nominiert wurden: Britton als Hauptdarstellerin, Panettiere in der Nebenrolle.

Das Interessante an der dramaturgischen Anlage der Serie ist nun, dass keine Heldengeschichte entwickelt werden muss, um diese dann in eine Krise zu führen. Denn die Krise steht gleich am Anfang. Raynas Karrierezenit wurde soeben überschritten: Der Noch-Superstar erfährt in der Pilotfolge von miesen Plattenverkaufszahlen und ihrer schlecht vorverkauften Tournee. Die Plattenfirma will deshalb, dass sie zusammen mit Juliette auf Tour geht und – Gipfel der Beleidigung! – deren Vorprogramm bestreitet. Rayna sagt empört ab. Die Erfolgsverwöhnte sieht sich plötzlich in eine Konkurrenzsituation gezwungen mit der frisch gehypten Nachwuchskraft, deren Ohrwürmer demütigenderweise sogar ihre zwei Töchter lieben (die Juliettes Hit „Telescope“ in einer schönen Szene in Episode 3 sogar in einer Talentshow aufführen). Natürlich weitet sich die Konkurrenz ins Private aus: Juliette versucht, Rayna ihren Gitarristen und Ex-Lover Deacon abspenstig zu machen. Der ebenso kernige wie sensible Frauenverstehertyp (gespielt von Charles Esten aus „Big Love“), musikalisches Herz von Raynas Begleitband, dürfte der Serie schon mal die weibliche 40+-Zielgruppe sichern. Ob Juliette ihn nur aus musikalischen oder tatsächlich auch aus amourösen Gründen für sich gewinnen will, bleibt anfangs reizvoll in der Schwebe. In der dritten Folge lehnt er ihr mephistophelisches Job-Angebot erst einmal ab.

Scarlett (Clare Bowen) träumt von einer Zukunft als Country-Sängerin
Klugerweise strickt Khouri noch eine weitere Konkurrenzerzählung in den Serienplot: Raynas Vater Lamar (ungehemmt auf J. R.-Kurs: Powers Boothe) überredet ihren Ehemann Teddy (Eric Close aus „Without A Trace“) dazu, als Kandidat in den Bürgermeisterwahlkampf einzutreten. Plötzlich muss sie Repräsentationsaufgaben übernehmen, woraus sich die ewige Frage ergibt, ob oder wie es ein Paar schaffen kann, sich in anspruchsvollen Karrieren gegenseitig zu unterstützen. Mehr noch: Teddy tritt ausgerechnet gegen Coleman Carlisle (Robert Wisdom) an, einen guten Freund Raynas.

Viel Konkurrenz also – und das passt, geht es doch vorwiegend ums Showbusiness und die in unserer Casting-Gesellschaft dauerwichtige Frage, wie man es nach oben schaffen kann, um dort möglichst lange zu bleiben. Also gruppieren sich um Rayna und Antagonistin Juliette weitere aufstrebende Musiker, Deacons junge Nichte Scarlett etwa (blond, mit Schmollmund: Clare Bowen), eine dichtende Kellnerin. Oder deren Freund Avery (Jonathan Jackson aus „General Hospital“„), Typ Emo-Punk, der nachts mit seiner Band olle Elvis-Costello-Hits nachspielt. Oder Gunnar, ein Honky-Tonk-Jungspund, der Scarlett dazu überredet, Songs zu schreiben und mit ihm aufzunehmen. Ist er auch ein Konkurrent um ihre Liebe?

„Nashville“ macht vieles richtig: Das ausufernde Ensemble, in das sich noch diverse Manager, Assistenten, Agenten sowie Raynas Schwester eingliedern, wird in pointierten, genau getakteten Szenen eingeführt. Die Musiknummern – seit „Glee“ und „Smash“ in Mode – wirken nicht herbeigeschrieben, sondern ergeben sich logisch und wohl dosiert aus der Handlung. Die Musik erschlägt weder das Drama noch jene Zuschauer, die mit Country und dessen oft seichten Songtexten nichts anfangen können. So schält sich schnell ein erstes Bild des Mikrokosmos der Country-Metropole Nashville heraus, vom Vorspann (mit Luftaufnahmen der Skyline) bis in die dunklen Spelunken hinein: Wahrscheinlich ist es wirklich so, dass sich ein Produzenten-Haudegen wie Watty White (herrlich: Country-Sänger J. D. Souther) ins „Bluebird Café“ setzt, um die neuesten Talente auszuchecken. Auch Jack White von den „White Stripes“ wohnt inzwischen ja in Nashville und gibt angeblich gerne mal spontane Kneipengigs.

Natürlich, die Serie operiert auch mit Soap-Elementen und schrammt gelegentlich am simplifizierenden Kitsch vorbei – wie „Rivalen der Rennbahn“ in „Dallas“: Juliette etwa verabredet sich mit Deacon zum Songwriting im sattgrünen Landschaftspark der Country-Oma Tammy Wynette, und im Nu stellen die beiden einen sendefertigen Schmusehit fertig, bevor sie sich aneinander verlustieren. Klischeegemäß kommt Juliette, die allmählich eigene Abgründe erkennen lässt, aus desolater Familie, und die drogensüchtige Mutter klagt sich, mit Make-Up-Schrunden mühsam auf verkommen geschminkt, in ihr Gewissen hinein. Auch schön: Daddy Lamar ist nur so schlecht auf Raynas Sängerkarriere zu sprechen, weil er jahrzehntelang die Affäre seiner Frau mit einem Musiker ertrug. Diese psychologisch eher unterkomplexe Enthüllung ergibt sich nicht aus der Handlung, sondern wird von Raynas Schwester ungefragt referiert. Das ist – wie manch anderes in der Serie – erzählerisch nicht allzu elegant gelöst.

Allerdings ist es gerade auch dieses Seifige an „Nashville“, das zum Wiedereinschalten reizt und dem Authentizitätsfetisch entgegenwirkt, der in Musikergeschichten ja oft nervt. Eine gelungene Sache also: Konfrontationspotenzial ist in den Handlungsbögen bestens angelegt, die beiden groß aufspielenden Hauptdarstellerinnen gemeinden junge wie ältere Zuschauerschichten ein. Und die Engführung von Showbiz und Politik läuft schon jetzt in eine Richtung, die wohl auch Robert Altman gut gefallen hätte.


Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von „Nashville“.

Meine Wertung: 4/​5

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: ABC

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

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