Prosit, deutsche „Sesamstraße“! 50 Jahre Samson, Tiffy, Herr von Bödefeld und Co.

Rückblick auf die erfolgreichste Serie für Kinder im Vorschulalter

Dennis Braun
Dennis Braun – 08.01.2023, 09:17 Uhr (erstmals veröffentlicht am 17.12.2022)

Drei Generationen der „Sesamstraße“: (v. l.) 1982, 1997 und 2012 – Bild: IMAGO/United Archives|IMAGO/teutopress|NDR/Thorsten Jander
Drei Generationen der „Sesamstraße“: (v. l.) 1982, 1997 und 2012

1973–1975: Übernahme synchronisierter US-Folgen

Die offiziell erste Folge der „Sesamstraße“ lief am 8. Januar 1973 um 9:30 Uhr im Ersten und wurde abends noch einmal in den Dritten Programmen wiederholt, ausgenommen wie erwähnt der Bayerische Rundfunk, der die soziale Situation in Deutschland in der Sendung nicht korrekt dargestellt sah. Darin enthalten waren etwa ein legendärer Sketch mit Ernie und Bert über ein verschwundenes Stück Schokoladenkuchen, der erste Auftritt von Sherlock Humbug, dem größten Detektiv der Welt, sowie die monsterschlaue Prüfmaschine von Herbert Leichtfuß, mit dem dieser das Krümelmonster testen wollte.

Nach Angaben des mittlerweile eingestellten NDR-Mitschnittservices fand die Premiere der synchronisierten „Sesamstraße“ allerdings schon ein paar Wochen früher statt: Demnach soll am 23. Dezember 1972 bereits die nach offizieller Zählung zweite Folge im NDR gelaufen sein, zuvor waren noch einmal mehrere Testsendungen der Sesame Street in englischer Sprache gezeigt worden. Sowohl die Muppets als auch die menschlichen Charaktere wurden von den kleinen Zuschauern schnell ins Herz geschlossen, was nicht zuletzt der verdichteten Ausstrahlung geschuldet war: Erstmals gab es einen von Montag bis Donnerstag festen Programmplatz einer Kindersendung, die zudem am gleichen Tag noch einmal wiederholt wurde.

Insgesamt 247 Folgen liefen bis Sommer 1974 in Erstausstrahlung und waren bis Ende 1975 noch regelmäßig als Wiederholungen zu sehen. Für die berühmte Titelmelodie „Der, die, das. Wer? Wie? Was? Wieso? Weshalb? Warum?“ zeichnete Ingfried Hoffmann verantwortlich, der etwa auch für „Die Sendung mit der Maus“ und „Käpt’n Blaubär“ tätig war. Der BR musste übrigens nach ARD-internen Regelungen die von ihm abgelehnte „Sesamstraße“ durch eine Eigenproduktion ersetzen. So entstand „Das feuerrote Spielmobil“, das seine Erstausstrahlung schon am 21. April 1972 im Nachmittagsprogramm der ARD hatte und aus der „Spielschule“ hervorgegangen war.

Unter dem Motto „Ein Wiedersehen mit Bibo & Oscar“ kam es in den 1980er Jahren auf zahlreiche Zuschauerwünsche hin noch einmal zur Wiederholung einiger der synchronisierten US-Folgen, die die Dritten Programme von NDR, WDR (nur 1984) und hr mehrmals im gemeinsamen Sommerprogramm zeigten. Letztmalig konnte man diese 1990 im NDR und teilweise im hr sehen. Anders als bei der Erstausstrahlung wurden bei diesen Folgen (abgesehen von Vor- und Nachspann) keine deutschen Einspielfilme gezeigt.

1976–1977: Die Bumfidel-Ära

Während sich die Kinder vor allem an den Muppets erfreuten, stieß jedoch die Figur des Griesgrams Oscar, der in einer Mülltonne lebte, der Elternschaft sauer auf, die bei der ARD vehement gegen die amerikanische Rahmenhandlung protestierte. Mit Erfolg: Zu Jahresbeginn 1976 wurde diese durch eine in Deutschland produzierte, filmisch erzählte Geschichte ersetzt, die in keiner Straße spielte, so dass der Serientitel „Sesamstraße“ nun nicht mehr nachvollziehbar war. Muppet-Clips gab es natürlich auch weiterhin, so feierten erstmals die Figuren Graf Zahl und Der große Mumpitz Premiere.

Markus Krüger mit 11 Jahren in der Rolle als BumfidelIMAGO/​United Archives

Im Zentrum standen nun die „lustigen Geschichten eines Lausejungen“ namens Bumfidel (Markus Krüger), der bei seiner alleinerziehenden Mutter (Ingeburg Kanstein) in bescheidenen Verhältnissen in Hamburg lebte. Im Rohwolt-Verlag erschienen zudem mehrere Bücher mit gezeichneten Bumfidel-Geschichten von Marieluise Bernhard-von Luttitz, außerdem gab es ein Hörspiel, das 1976 mit der Originalbesetzung aus der „Sesamstraße“ entstand. Autor hiervon war Jan Harloff.

Ebenso kamen in dieser Zeit Kurzfilme mit der Familie Sauer hinzu, einem selbstständigen Ehepaar, welches ein eigenes Taxigewerbe betrieb. Thomas und Hanne Sauer hatten zwei Kinder, Matthias und Hannelore, genannt Lörchen, und lebten in einem Reihenhaus in der Birkenstraße in Hamburg. Die ca. zehnminütigen Geschichten zeigten Probleme des täglichen Lebens, z. B. Geldsorgen und Krankheiten. Der Vater Thomas Sauer wurde übrigens von Gernot Endemann gespielt, der später noch eine wesentlich bekanntere Rolle in der „Sesamstraße“ übernehmen sollte. Der Alltag der Taxifamilie Sauer war noch bis in die 1980er Jahre Bestandteil der Sendung.

Für viele weitere in Deutschland produzierte Realgeschichten der 1970er und 1980er Jahre zeichnete der Autor Christoph Busse verantwortlich, der auch sämtliche Lieder hierzu komponierte. Häufig darin zu sehen war der Schauspieler Peter Bauer, der beispielsweise einen stummen Landstreicher, den leicht tollpatschigen Herren Hans Heinrich und nicht zu vergessen Herrn K. spielte, der an der Seite von Dr. Blau alias Peter Arff in unzähligen Clips auftrat. Ebenfalls populär waren die Verkehrswestern mit einem vom spanischen Darsteller Ricardo Palacios porträtierten Sheriff, der Bud Spencer sehr ähnlich sah, und seinem Assistenten („Schwarzwaldklinik“-Veteran Jochen Schroeder). Viele dieser Geschichten waren noch bis Mitte der 1990er Jahre zu sehen, sodass mehrere Generationen mit ihnen aufwuchsen.

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