Es ist ein interessantes Phänomen: Je älter wir werden, desto jünger fühlen wir uns. Die Schere zwischen realem und gefühltem Alter klafft offensichtlich immer weiter auseinander. Kein Wunder: Während der Mensch früher mit 50 Jahren am Ende seines Lebens stand, hat er heute in diesem Alter gerade Halbzeit. Körper und Geist sind zwar noch besser in Schuss. Doch das Ganze hat auch eine Kehrseite: In einer Gesellschaft, die Jugendlichkeit zum Idealmaß erhoben hat, will niemand sichtbar altern. Um Aufmerksamkeit und Anerkennung zu erhalten, wird an der Oberfläche gearbeitet und gerettet, was zu retten ist. So bedient die Anti-Aging-Industrie diese Sehnsucht nach Jugendlichkeit: Wer es sich leisten kann, geht zum Schönheitschirurgen. Glätten, saugen, straffen – warum nur haben viele ein Problem damit, das Altern als natürlichen Prozess zu akzeptieren? Gehören Lachfalten und Krähenfüße nicht einfach dazu? Birgt es Risiken, jünger sein zu wollen, als man tatsächlich ist? Und wie weit ist der Traum von der ewigen Jugend heute noch entfernt? Die Gäste: Manch junges Model büßt derzeit Aufmerksamkeit ein, wenn Eveline Hall den Laufsteg betritt: Die 66-Jährige etabliert sich gerade zum gefragten Supermodel – trotz wallender Silbermähne und der einen oder anderen Falte. „Ich will nicht jünger aussehen, als ich bin. Man kann sich sexy machen, elegant, attraktiv, aber nicht jung“, resümiert die grauhaarige Schönheit, die früher als Balletttänzerin arbeitete. Maria Dörk kann ihr Älterwerden leider nicht so gelassen sehen. Die 59-Jährige fühlte sich mit zunehmendem Alter immer unattraktiver. Erst eine Reihe von Schönheitsoperationen brachten ihr das Selbstvertrauen zurück. 16.000 Euro ließ die Pforzheimerin mittlerweile in Schönheitskliniken liegen. Ob Facelifting oder Fettabsaugen – um das Rad der Zeit etwas zurückzudrehen, ist ihr vieles recht: „Sich jung fühlen ist für mich Würde. Warum soll ich das Altern annehmen, wenn ich es doch verhindern kann?“. Der ehemalige ARD-Moderator Sven Kuntze findet das tragisch: „Wer krampfhaft an der Jugend festhält, gewinnt gewiss nicht an Lebensqualität.“ Zwar kann er nicht leugnen, dass mit dem Alter die Mängelliste immer länger wird, doch dies zu bejammern, mache einen nur unglücklich. So plädiert er für mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Alter und einen Genuss, der nur mit dem Alter erreichbar ist: die Vollkommenheit
der Lebensweisheit. Schnabeltasse, Singkreis oder Spiele-Abend im Altersheim – für die 80-jährige Ingrid van Bergen eine fürchterliche Vorstellung. Die Schauspielerin steht noch heute regelmäßig auf der Bühne und mag es ausgeflippt: „Ich fühle mich jung, bin immer gestylt und kleide mich gerne wie eine Rockerbraut!“. Entsprechend ihres Lebensgefühles umgibt sich van Bergen auch nur mit Jüngeren. Zipperlein schweigt sie tot und gibt ihnen damit erst gar keinen Raum – ganz nach dem Motto: „Der Geist baut sich seinen Körper.“ Der Comedian Chris Boettcher dagegen ist noch keine 50 und hadert schon jetzt mit seinem Alter. Ob Bauchansatz oder schwindende Anerkennung beim weiblichen Geschlecht – Altern ist für ihn alles andere als lustig. „Früher habe ich mich über Horst Tapperts Tränensäcke lustig gemacht, heute habe ich selbst welche“, klagt der 47-Jährige. Hinzu kommt die Angst, dass er irgendwann auch für seine 17 Jahre jüngere Frau zu alt sein könnte. „Ich hoffe, sie hält zu mir, jetzt wo der Verfall beginnt.“ Das Aufhalten des körperlichen Verfalls ist das Spezialgebiet von Professor Bernd Kleine-Gunk. Der Gynäkologe und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anti-Aging-Medizin setzt dabei unter anderem auf den viel kritisierten Einsatz von Hormonpräparaten. Seinen persönlichen Geheimtipp gibt es allerdings nicht auf Rezept: „Eine zwölf Jahre jüngere Frau bringt dem Mann laut Statistik vier Jahre mehr an Lebenserwartung.“, schmunzelt der 52-Jährige, der selbst eine 22 Jahre jüngere Lebenspartnerin an seiner Seite hat. Beim Stichwort Anti-Aging schrillen bei Karin Götze die Alarmglocken. Um ihre Wechseljahresbeschwerden zu lindern, nahm die 62-Jährige jahrelang Hormone. Kurzfristig brachte das Präparat zwar Erleichterung, doch langfristig wohl verheerende Folgen: Karin Götze hat heute Krebs. „Ich machte hierfür ganz klar die Hormon-Ersatz-Therapie verantwortlich. Welches Risiko die birgt, war mir nicht bewusst.“ An der Bar: Täglich einen Kopfstand, zum Essen ausschließlich Rohkost und viel Schlaf – das sind die persönlichen Anti-Aging-Geheimnisse von Wilhelm Fiebiger. Sein Ziel hat der fast 95-Jährige fest im Visier: Er möchte 200 Jahre alt werden. „Ich fühle mich wie mit 40 – an das Ende denke ich nie“, posaunt der vitale Rentner, der in einem kleinen Häuschen im Westerwald lebt. Ob Holzhacken, Obst- und Gemüseanbau oder mit dem Auto zum Nachbarort – Fiebiger kommt bis heute bestens alleine klar und ist damit vielen ein Vorbild. (Text: SWR)