Menschen hautnah Kein Wort mehr – Wenn Kinder ihre Eltern verlassen
343 Folgen seit 2015
Kein Wort mehr – Wenn Kinder ihre Eltern verlassen
Monika G. hat immer gearbeitet, um dazu zu verdienen, um ihre Töchter durchzubringen, um von zu Hause zu fliehen. Über 30 Jahre ist es her, dass sie sich von ihrem gewalttätigen Mann trennte, da endete die Zeit der Angst, da schien alles gut werden zu können. Doch dann wurden die Töchter erwachsen und hörten plötzlich auf, mit ihr zu sprechen. Erst ein paar Monate, dann ein paar Jahre, dann mehr als ein Jahrzehnt. Funkstille. Eine Begründung bekam sie von ihren Töchtern nicht. Daniela hatte den Kontakt zu ihrer Mutter, Monika G., abgebrochen. „Es ging nicht anders“, sagt sie. In zahlreichen Therapien hat Daniela gelernt, sich die eigenen Bedürfnisse vor Augen zu führen. Als sie klein war, war ihre Mutter immer wieder nachts in ihr Zimmer gekommen, hatte sich zu ihren Füßen ins Bett gekuschelt, um Schutz bei ihr und ihrer dreijährigen Schwester zu finden – vor ihrem Mann. Zwischen dem Dasein für ihre Mutter und ihrer Schwester ging Daniela irgendwo verloren. Sie ist Kinderkrankenschwester geworden. Das ewige „Helfen müssen“ wird sie nicht mehr los. Und auch nicht das schlechte Gewissen, ihre Mutter im Stich gelassen zu haben. Seit ein paar Monaten gibt es eine Therapie mit der Mutter zusammen. Alle paar Wochen treffen sie sich in einer katholischen Einrichtung, das ist der einzige Kontakt
und der einzige Hoffnungsschimmer auf ein „normales“ Verhältnis. Doch die Begegnungen geraten zu einem zähen Ringen um die eigene Sicht der Dinge: „Sie versteht mich nicht“, sagt Daniela, „sie will immer mehr, so viel, bis ich wieder nur für sie lebe.“ Ihre Mutter jedoch glaubt, diese Angst längst verstanden zu haben. Sie respektiere doch alle Wünsche nach Distanz. Aber sie sei erschrocken von „so viel Kühle“, sie wolle doch nur ein „ganz normales Familienleben“ führen, wie andere auch. Danielas jüngere Schwester Irena ist radikaler. Sie führt ihr Leben unabhängiger. Daniela bewundert sie dafür. Irena hat seit Jahren gar keinen Kontakt zur Mutter und hütet ihr Leben eisern als Geheimnis vor der Mutter. Der Film erzählt die Geschichte von Mutter und Töchtern aus verschiedenen Perspektiven, Geschichten, die sich zu einer Familiengeschichte verflechten und zum Bild einer in sich zerrissenen Familie werden. „Menschen hautnah“ beleuchtet ein Phänomen, das in unserer Gesellschaft zum Alltag gehört und dennoch als Tabu gilt: den abgebrochenen Kontakt zwischen Eltern und Kindern. Die Gründe für den Abbruch des Kontaktes sind individuell und dennoch spiegeln sich in ihnen immer die gleichen Muster: ein Geflecht aus Missverständnissen und enttäuschten Erwartungen, aus Verletzungen und dem Drang nach Freiheit. (Text: WDR)