Eine Überraschung, eine Entdeckung, ein Wunder – so Martin Walser über den jiddischen Schriftsteller Mendele Moicher Sforim. Eigentlich heißt der Autor Sholem Yankev Abramovitsh. Er wurde 1835 bei Minsk in Weißrussland geboren, schrieb hebräisch, weil das in den jüdischen Intellektuellenkreisen so üblich war. Jiddisch, das galt als eher primitive Sprache des Volkes, der ungebildeten Frauen, der beschränkten Frömmler. Wer aber aufklären will, muss mit denen reden können, die er aufklären will. Abramovitsh erfand die Figur von Mendele, dem Buchhändler. Fortan schrieb er auf Jiddisch und verwandelte die vielgescholtene Sprache in Literatur: reichhaltig, nuanciert,
alltagsnah. Jetzt hat Martin Walser diesem Dichter, den er nicht weniger als zwischen Jonathan Swift und Franz Kafka ansiedelt, ein Denkmal gesetzt. „Shmekendike blumen“ heißt sein Essay, mit dem er Abramovitsh endlich in Deutschland bekannt machen möchte. Aber er tut es nicht alleine: Susanne Klingenstein, Literaturwissenschaftlerin aus Boston, ist die Expertin für „Mendele den Buchhändler“. In ihrer grundlegenden Studie über das „Leben und Werk des Sholem Yankev Abramovitsh“ erzählt sie die „Geschichte der jiddischen Literatur zwischen Berdichev und Odessa, 1835 – 1917.“ Eine unbekannte literarische Landschaft – für uns neu entdeckt. (Text: SWR)