Staffel 9, Folge 34–65

  • Staffel 9, Folge 34
    So hat er sich das nicht vorgestellt. Kapitän Jens Thorn fährt seit 56 Jahren zur See. Ein bis zwei Jahre will er noch machen – eigentlich. Doch statt das Kreuzfahrtschiff MS Amera durch die Weltmeere zu führen, sitzt der Seemann nun in Emden fest. Zusammen mit einer rund hundertköpfigen Rumpfmannschaft hält er das Schiff in Schuss. Das Corona-Virus hat die Kreuzfahrtindustrie in die Knie gezwungen. Täglich „verbrennen“ die Schiffe im Dock Millionen Euro, doch die Reedereien halten sie in Betrieb und wollen die Zeit für ihre Zukunft nutzen.
    Doch wie lange können sie durchhalten? Für den Naturschutzbund Deutschland – kurz NABU – ist der Stopp der Kreuzfahrtindustrie ein zweischneidiges Schwert. Zwar hat sich die CO2-Emission durch den Stopp drastisch reduziert, doch die Verbesserung ist nicht nachhaltig. Das Problem: Der Schadstoffausstoß durch die Luft belastet die Städte, in denen die Schiffe gerade liegen. Auf der anderen Seite könnte die Krise zu einer Marktbereinigung führen. Doch auch hier ist das Dilemma: Werden alte Schiffe aus Geldgründen abgewrackt, kann das auf Kosten von Mensch und Natur gehen.
    Und auch die Forschung sieht die Krise kritisch. Bislang war das Kreuzfahrtschiff die „Cash Cow“ auf See. Um den Kreuzfahrtschiffen umweltfreundliche Antriebe zu verkaufen, haben besonders Werften oder Motorenzulieferer in Entwicklung und Forschung investiert. Fehlen die Milliarden aus der Kreuzfahrtbranche, geht es mit der Suche nach umweltfreundlichen Technologien nicht mehr weiter.
    Mehr als zehn Jahre lang wuchs die Kreuzfahrtindustrie jährlich um ein Prozent. Der Stopp trifft die Menschen, die ihren Lebensunterhalt damit verdient haben, hart. Josh Withrow war als Erster Offizier auf MS Amera. Nun hängt er in Kiel fest, ohne Arbeit, ohne Geld, ohne eine Ahnung, wie es weitergeht. Nahe Kaiserslautern hat der ehemalige Zweite Offizier Christian Baumann ein Reisebüro für Kreuzfahrten eröffnet, um sesshaft zu werden. Nun kämpft er um seine Existenz. Nicht nur in Deutschland, auf der ganzen Welt kämpfen Reiseführer, Busunternehmen, Souvenirläden um ihre Existenz und sehnen sich nach Touristen.
    Doch was für die einen Hoffnung ist, ist vor allem für die Einwohner wahr gewordene Horrorvorstellung. Noch vor wenigen Monaten haben Touristenschwärme ihre Heimat überflutet. Jetzt, wo die Touristen ausbleiben, wollen sie am Liebsten den Ist-Zustand festhalten und lehnen sich gegen den zukünftigen „Overtourism“ auf. Die Cruise Line International Association – kurz CLIA – vertritt 95 Prozent der Kreuzfahrtschiffe und will die Zeit des Stillstands nutzen, um zwischen den Fronten zu vermitteln.
    Und das mit Hochdruck. Kultur erhalten, Umwelt schützen, Tourismus wiederbeleben. Schon jetzt sind die Vorbuchungen für Kreuzfahrten enorm hoch. Das macht der Kreuzfahrtindustrie Hoffnung auf ein schnelles Comeback. Geplant ist eine Weiterfahrt schon im August – dann mit Social Distancing-Plänen, einer geringeren Auslastung, Hygienemaßnahmen und einem Virus-Krisen Management. Doch sind Passagiere, Länder und Städte dafür schon bereit? (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 06.07.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 35
    Sie ahnten nicht, welche Videos von ihnen im Internet kursieren: Zahlreiche junge Frauen hatten ein Musikfestival besucht und wurden heimlich auf Dixi-Klos gefilmt. Die versteckte Kamera war so klein, dass man sie nicht bemerkte. Jetzt laufen die Aufnahmen auf Pornoseiten. Es ist ein Phänomen, das in Deutschland weitgehend unbekannt ist. Doch in anderen Ländern ist es längst ein Flächenbrand mit gezielten Polizeieinsätzen. In Deutschland stehen auf Spannervideos bis zu zwei Jahre Haft, doch die Spanner fühlen sich online sicher. Offenbar fehlt noch das Problembewusstsein, und die Täter müssen keine Konsequenzen fürchten. Schließlich wissen ihre Opfer nicht, dass sie Opfer sind. Wer macht so etwas? Reporterin Patrizia Schlosser dringt undercover in das Netzwerk dieser Leute ein, chattet über ein Jahr lang immer wieder mit Männern, die sich über Spy-Cams austauschen und sich gegenseitig für ihr Tun feiern. Das Recherche-Ziel: die Täter identifizieren und konfrontieren. (Text: Tagesschau24)
    Deutsche TV-PremiereMo 13.07.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 36
    Eisiger Wind bläst unzählige Schneefäden über die russische Winterlandschaft. Es ist acht Uhr früh, die Sonne schiebt sich langsam durch die Wolken, als zwei Lastwagen eine Sammelstelle bei Smolensk an der weißrussisch-russischen Grenze verlassen. An Bord jeweils mehr als 30 deutsche Kühe aus Brandenburg – hochträchtig. Der Export soll angeblich dem Aufbau einer Zucht dienen. Ziel der Reise: Usbekistan. Bis dahin sind es noch mehr als 4000 Kilometer. Was die Fahrer nicht wissen: Die Lkw werden von Tierschützern der deutschen Organisation Animals Angels begleitet.
    Helana Bauer und ihre Mitstreiter sind auf solche Einsätze spezialisiert. Tagelang werden sie den Lkw folgen. Und auch dieses Mal feststellen, dass die Fahrer nicht anhalten, an Versorgungsstellen vorbeifahren bis zu ihrem Ziel in Usbekistan. Am Ende stehen die Tiere in ihren eigenen Exkrementen, vollkommen erschöpft. Ein ähnlicher Fall Wochen später, diesmal sind die Tierschützer in Marokko unterwegs. Sie besuchen Viehmärkte bei Marrakesch und Casablanca.
    Hier werden Kühe verkauft, vor allem Schlachtvieh. Auch hier werden die Aktivisten von Animals Angels fündig. Sie entdecken eine Kuh, deren Ohrmarke auf einen Hof bei Hannover verweist. Vor wenigen Monaten wurde sie nach Marokko exportiert und wird nun auf dem Viehmarkt in Marrakesch verkauft. Noch am gleichen Tag landet sie in einem nahen Schlachthof, wo sie auf grausame Weise geschächtet wird: die Halsschlagader wird aufgeschnitten, bei vollem Bewusstsein des Tieres. Eine grausame und in Marokko übliche Praxis.
    Die Leute von Animals Angels sind empört. Sie vermuten: Die Kuh war nicht zur Zucht, sondern von vornherein als Schlachttier vorgesehen. Mehr als 30.000 Rinder werden jedes Jahr angeblich zu Zuchtzwecken in Länder außerhalb der EU exportiert. Tierschutzexperten wie Iris Baumgärtner von der Organisation Animal Welfare beklagen, dass der Tierschutz bei solchen Exporten kaum zu überprüfen sei. Und darum finde er so gut wie nicht statt. Wie kann das sein? ARD-Filmemacher Edgar Verheyen hat solche Transporte gemeinsam mit Tierschützern nach Asien, nach Nordafrika und quer durch Europa begleitet.
    Er hat nicht nur grausame Zustände dokumentiert, er fragt auch nach den Ursachen, konfrontiert Politiker in Brüssel und Berlin sowie Verantwortliche in Industrie und Landwirtschaft. Sein Fazit: Hier werden auf grausame Weise, ohne Rücksicht auf die Kreatur bei großer Hitze und extremer Kälte Tiertransporte durchgeführt, bei denen sich Spediteure und Viehhändler vielfach über geltendes Recht einfach hinwegsetzen. Eine aufrüttelnde Reportage. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 20.07.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 39
    1,9 Billionen Euro – eine Zahl mit 13 Ziffern – stehen bisher auf der gigantischen Corona-Rechnung. Es ist unser Geld, das gerade Unternehmen und Arbeitsplätze retten soll – aber wie wirkt sich das auf unsere Geldbeutel aus? Werden sich unser Wohlstand und Lebensstandard verändern? Wer bezahlt am Ende die Zeche? Kai-Uwe Sieling arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Flugbegleiter bei der Lufthansa. Jetzt ist er am Boden. Sprichwörtlich. Seit Monaten ohne Flug. Wie sollen er und seine Frau die Kredite für die Eigentumswohnung abbezahlen? Florian Henneka ist Einzelhändler. Seit Beginn der Krise kämpft er um seine rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
    Kann er deren Arbeitsplätze halten? Überlebt sein Geschäft, das er bereits in fünfter Generation führt?Für die Schaustellerfamilie Moser fehlt jede Perspektive. Alle Volksfeste sind abgesagt und sie haben vor Kurzem viel Geld in ein neues Glaslabyrinth gesteckt, mit dem sie dieses Jahr groß durchstarten wollten. Jetzt ist ihre berufliche Existenz bedroht. Helfen ihnen nun die Rettungspakete der Regierung? Und sind es überhaupt die richtigen Maßnahmen, die getroffen werden? Wie managt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier die Krise? Hilfen und Konjunkturprogramme wurden in der Regierung ausgetüftelt – damit soll der „Corona-Patient Wirtschaft“ wieder auf die Beine kommen.
    Aber sind die Regierungsprogramme die richtige Therapie für den aus dem künstlichen Koma aufwachenden Patienten? Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), und sein Expertenteam stellen die Regierungsarbeit auf den Prüfstand und erstellen mögliche Zukunftsszenarien: Wie bewältigen wir die Schuldenpandemie? Wie endet die Krise für uns im besten Fall, wie im schlechtesten? Noch kann niemand sagen, wie lange das Corona-Virus die Wirtschaft in Deutschland lahmlegen wird und welche Spätfolgen daraus resultieren. Nur eines ist sicher: Unsere Wirtschaftswelt wird nach Corona nicht mehr dieselbe sein wie davor. (Text: Tagesschau24)
    Deutsche TV-PremiereMo 27.07.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 40
    Am 9. Oktober 2019 zog er los, um gezielt zu töten. Sein Ziel: die jüdische Gemeinde in Halle/​Saale. Lediglich die gut verschlossene Synagogentür verhinderte am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur die Ermordung dutzender Menschen. Trotzdem tötet der Angreifer anschließend noch zwei Menschen und verletzt zwei Personen durch Schüsse bevor er festgenommen wird. Seine brutale Tat streamt er mit einer Helmkamera live ins Netz. Der Attentäter: Stephan Baillet, ein sogenannter „Einsamer Wolf“. Keine einzige Sicherheitsbehörde war im Vorfeld auf den Rechtsextremisten aufmerksam geworden.
    Den Anschlag konnte er völlig unbemerkt vorbereiten. In den letzten Jahren gab es eine enorme Zunahme des sogenannten „Lone Wolf“-Terrorismus. Es sind Terroranschläge nach dem immer gleichen Schema. Einzelne Täter, die sich im Internet radikalisieren und ihre Morde mit rechtsextremen Manifesten zu rechtfertigen versuchen. Ein inzwischen weltweites Phänomen, wie der Anschlag von Christchurch zeigt. Hier tötete ein rechtsextremer Attentäter 51 Menschen in Moscheen und verletzte weitere 50 zum Teil schwer.
    Aber auch der Anschlag am Olympia-Einkaufszentrum in München 2016 folgte diesem Schema. Ein Hintergrund, der erst über drei Jahre nach der Tat offiziell bestätigt wurde. Die „Einsamen Wölfe“ und ihre Bewunderer sozialisieren und radikalisieren sich in anonymen Internetforen. Ihre Anschläge entwickeln sich stets weiter, hin über Live-Streams der Attentate oder computerspielartige Belohnungen. Doch wie stark sind die Attentäter, ihre Bewunderer und ihre geistigen Brandstifter weltweit miteinander verbunden? Die deutschen Sicherheitsbehörden sind oft nicht ausreichend vernetzt und in virtuellem Bereich schlecht aufgestellt.
    Die Polizei agiert oft nur regional oder national, um einem weltweiten Phänomen Herr zu werden. „Die Story im Ersten“ begleitet Opfer der Attentate und deren Angehörige. Doch auch Vertraute der Täter kommen zu Wort und erklären die Mechanismen der Radikalisierung. Der Film dringt in die Welt der „Einsamen Wölfe“ ein und zeigt, wie aus Einzelgängern Attentäter werden. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 03.08.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 42 (45 Min.)
    Die USA im Wahljahr 2020: Mehr als zwei Millionen Corona-Infizierte, das Land zerrissen durch eine Rassismus-Debatte. Ein Präsident, der über Twitter Zweifel an den Wahlen schürt. Ein letztes Aufbäumen eines demnächst Abgewählten? Oder installiert sich hier ein Alleinherrscher? Zu Beginn des Jahres sah es gut aus für Donald Trump: Die Wirtschaft lief, die Arbeitslosenzahlen auf einem 50-Jahres-Tief, seine Umfragewerte im Höhenflug, die Demokraten mit sich selbst beschäftigt. Doch dann kam Corona. Eine Gefahr, die der Präsident zuerst nicht wahrhaben wollte. Wie durch ein Wunder werde das Virus verschwinden, beschwichtigte er.
    Statt des Wunders kam eine Krise, die die USA so hart trifft wie kaum ein anderes Land. Die Wirtschaft am Boden. Und Corona macht die Mängel im Gesundheitssystem deutlich sichtbar. Überdurchschnittlich stark von Corona getroffen sind schwarze Amerikaner. Sie arbeiten überdurchschnittlich oft in den Billigjobs, die wenig Schutz vor dem Virus bieten, sind seltener krankenversichert. Die Wut, die sich auf den Demos gegen Rassismus Bahn bricht, speist sich aus der Corona-Krise und der Massenarbeitslosigkeit, die über die USA hereingebrochen sind.
    Kaum vorstellbar, dass die Wirtschaft sich schnell erholen wird – trotz der Billionen Dollar, die Trump den Unternehmen schenkt. Kaum vorstellbar auch, dass die Millionen von Arbeitslosen bis zur Wahl wieder einen Job haben. Die ARD-Reporterinnen Claudia Buckenmaier und Marion Schmickler sind durch die Swing-States Arizona, Wisconsin und Michigan gereist und haben Menschen getroffen, die davon erzählen wie sie die Wirtschafts- und Gesundheitskrise trifft. Was bedeutet Trumps Politik in diesen Zeiten für sie? Was hält der Farmer, der seine Milch nicht mehr loswird, von Trumps Wirtschaftspolitik? Wie reagiert die schwarze Aktivistin, die zusehen muss, wie die Afroamerikaner ihres Viertels leiden und sterben, auf Trumps aggressive Tweets? Wie kämpft der Umweltschützer in Corona-Zeiten gegen den Bau einer Grenzmauer, die mitten im Naturschutzgebiet hochgezogen wird? Warum stehen republikanische Mittelstands-Unternehmer noch immer hinter Trump, obwohl ihre Existenz auf dem Spiel steht? Wie fühlt sich die Krankenschwester, die versucht, mit Galgenhumor die Corona-Krise zu überstehen? Was erhoffen sich all diese Bürger von der Wahl im November? Die Demokratie in den USA scheint in der Krise.
    Der erbitterte Streit der Republikaner und der Demokraten, der spaltende Regierungsstil Donald Trumps hat die Demokratie in den USA an den Abgrund gebracht. Das Misstrauen untereinander ist so groß, dass die Demokraten sogar damit rechnen, dass sich Donald Trump einer möglichen Abwahl widersetzen würde. Unvorstellbar? Die Demokraten beschäftigen sich offenbar genau mit diesem Szenario. Diese Sendung ist online first ab 9. August 2020, 18:00 Uhr, in der ARD Mediathek verfügbar. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 10.08.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 43
    Tabun, Sarin, Phosgen, Senfgas: erfunden, um grausam zu töten. Sorglos entsorgt, als die großen Kriege verloren waren. Bis heute gibt es mindestens 200 Orte in Deutschland, an denen chemische Kampfstoffe lagern, sagen Kampfmittelräumer. Einfach verscharrt oder versenkt, werden sie zur korrodierenden Zeitbombe. Denn die vergangenen 100 Jahre seit dem Ende des Ersten Weltkriegs hat die Politik vor allem eines getan: das tödliche Erbe verdrängt. Denn dieses Erbe zu bergen, das würde Milliarden verschlingen. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg war Deutschland einer der größten Chemiewaffenhersteller der Welt.
    Beängstigende Stoffe mit Namen wie Tabun, Sarin, Phosgen, Clark oder S-Lost (Senfgas) wurden in riesigen Stückzahlen produziert. Das Ziel: den Feind auf besonders grausame Art und Weise zu töten oder zu demoralisieren. Nach den Kriegen sollten die chemischen Kampfstoffe sowie Fabriken und Füllstellen möglichst schnell beiseitegeschafft werden. Was genau geschah, wurde in den chaotischen Nachwirren der Weltkriege an vielen Orten häufig nicht schriftlich festgehalten oder fotografisch dokumentiert.
    Einer der unheimlichsten Orte ist der Dethlinger Teich bei Munster in der Lüneburger Heide. Er gilt unter Fachleuten als das vermutlich „giftigste Loch der Welt.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von den britischen Besatzern, aber auch von deutschen Behörden, einfach alles wahllos in den Teich geworfen, was im Umkreis der dortigen Chemiewaffenfabriken und des sogenannten Beutelagers zu finden war. Wie viele chemische Waffen versenkt wurden, ist bis heute unbekannt. Fest steht nur: Es waren viele Tausende.
    Dokumentiert wurde fast nichts. Später wurde der Teich einfach zugeschüttet. Erst jetzt – 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs – haben Behörden, auch aufgrund von Protesten, den Mut und die Entschlossenheit, den Teich unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen zu öffnen. Schon nach kurzer Zeit zeigt sich: Es ist noch weit schlimmer als befürchtet. Doch der Dethlinger Teich ist nur einer von vielen bedrückenden Orten, die in Deutschland noch immer ein dunkles, hochgiftiges, oft gefährliches Geheimnis bergen. Denn man findet die Reste der todbringenden chemischen Rüstungsindustrie noch im gesamten Bundesgebiet.
    Wer glaubt, dass diese Orte alle bewacht oder behördlich geschützt sind, irrt. Der Film zeigt Orte, an denen mehr als nur kleine Spuren der weltweit geächteten Waffen bis heute zu finden sind. Dazu gehören einsame Ruinen in verlassenen Wäldern genauso wie Wohngebiete mitten in deutschen Großstädten. Oft wurden auf kontaminierte Flächen nämlich einfach Häuser oder andere Gebäude gebaut. Und auch heute scheint das nicht ausgeschlossen. Eindrücklich zeigt der Film, dass es kein klares Konzept gibt, wie das Problem flächendeckend und umfassend gelöst werden kann.
    Der Bund schiebt die Verantwortung den Ländern zu. Vielversprechende Ansätze, die es im Laufe der Zeit immer mal wieder gibt, verlaufen am Ende im Sande. Die wenigen kritischen Stimmen, die das Problem anprangern, werden nicht gehört. Die Politik möchte von alledem nämlich eigentlich gar nichts wissen. Dennoch, die Fachleute sind sich einig: Wenn wir das Problem jetzt nicht angehen, wird es immer gefährlicher und noch viele zukünftige Generationen beschäftigen. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 17.08.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 45
    „Die Story im Ersten“ sucht auf vier Kontinenten nach Antworten auf die großen Fragen im Umgang mit der Corona-Pandemie: Wie reagieren unterschiedliche politische Systeme und Machthaber auf die gleiche Herausforderung – auf das neue Coronavirus SARS-CoV-2? Welche Staaten schaffen es, ihre Bürger zu schützen, welche versagen? Und welche Gründe gibt es dafür? Wie kann es gelingen, Menschen gesund zu halten, ohne die Wirtschaft zu ruinieren? Und wie wird das Virus als Waffe im Wettstreit der politischen Systeme eingesetzt? „Der Zug der Seuche“ findet neun Monate nach Bekanntwerden des neuen Coronavirus erste Antworten auf diese Fragen.
    Dazu nimmt der Film den Zuschauer mit auf eine Reise um die Welt: Wir tauchen ein in sieben verschiedene Länder und analysieren deren jeweiligen Umgang mit dem Virus. Wir kehren zurück zu den vermeintlichen Anfängen der Pandemie: nach Wuhan. Erleben wie Taiwan früher und konsequenter als fast jedes andere Land der Welt dem Virus den Kampf ansagt, während sich Europa und Nordamerika noch in trügerischer Sicherheit wiegen.
    In der Rückschau wird klar: Viel zu lange hielten die westlichen Demokratien das Coronavirus für ein chinesisches Problem. Weit weg. Dabei war es sehr wahrscheinlich schon Ende 2019 mitten unter uns in Europa – Forschungsergebnisse aus Frankreich und anderen europäischen Ländern legen das nahe. Die Virus-Weltreise führt den Zuschauer auch zu den Außenseitern der Pandemie: etwa nach Schweden. Anfangs galt der Sonderweg der Schweden noch als mutig, Monate später muss man eine erschreckende Bilanz ziehen.
    In der größten Gesundheits- und Wirtschaftskrise der jüngeren Geschichte werden neue weltpolitische Entwicklungen deutlich: Während die Weltmacht USA im Corona-Chaos versinkt, strauchelte der Rivale China anscheinend nur anfangs. Wird das autoritäre Regime in Peking durch sein aggressives und konsequentes Vorgehen gegen das Virus Gewinner der Krise sein? „Die Story im Ersten – Der Zug der Seuche“ zeigt wie das Coronavirus, unsere Welt verändert.
    Zu Wort kommen: u. a.: Lothar Wieler (Robert-Koch-Institut); Gabriel Felbermayr (Weltwirtschaftsinstitut Kiel); Ilona Kickbusch (World Preparedness Monitoring Board); Sylvie Briand (Weltgesundheitsorganisation, WHO); Chikwe Ihekweazu (Leiter der Seuchenschutzbehörde Nigeria); Chen Chien-jen (ehemaliger Vizepräsident Taiwans) (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 24.08.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 47
    „Der Tod ist mein Feind“, sagt Steve Horvath. Er weiß, wovon er spricht. Denn der Wissenschaftler hat eine bahnbrechende Entdeckung gemacht: Die sogenannte „Horvathsche Lebensuhr“, die in jeder Körperzelle tickt. Ein Algorithmus, der das biologische Alter mit atemberaubender Genauigkeit anzeigt. Und nicht nur das: Läuft die Uhr langsamer, leben wir länger, hat Horvath herausgefunden. Können wir die Uhr verstellen? „Ja, ganz klar! Die Hoffnung ist, dass wir bald Medikamente haben, die das Alter zurückschrauben können.“ Wie nahe der deutsche Epigenetiker, der seit 30 Jahren in Kalifornien forscht, dem Menschheitstraum von der ewigen Jugend bereits gekommen ist, zeigt ein Experiment in der Nähe von Los Angeles: Der Proband Paul Hynek (58) spritzte sich über mehrere Monate einen Wirkstoffcocktail, der sein Immunsystem regenerieren sollte.
    Horvath hat nachgemessen und konnte es selbst kaum glauben: „Er ist zwei Jahre jünger geworden, nur in ein paar Monaten!“ Die erste Verjüngung eines Menschen überhaupt – eine wissenschaftliche Sensation.
    Die NDR-Autorin Tina Soliman begleitet Horvath über zwei Jahre lang mit der Kamera. Dabei trifft sie in Kalifornien Forscherinnen wie Shelley Buffenstein. Sie arbeitet für den Internet-Giganten Google, der Milliarden Dollar investiert, um das Altern zu stoppen. Oder Tony Whyss-Corey, der altersschwache Mäuse erfolgreich verjüngt hat. Sein Ziel: Alzheimer heilen. Doch der Film geht nicht nur der Frage nach, ob der Mensch künftig 150 oder gar 500 Jahre alt werden kann.
    Gefragt wird auch, ob das überhaupt erstrebenswert ist. Deutsche Altersforscher befürchten nicht nur gefährliche Nebenwirkungen bei den kalifornischen Verjüngungsexperimenten. Sie halten es für ethisch bedenklich, das Alter als Krankheit zu definieren und damit Gesunde zu Patienten – und letztlich auch zu Kunden – zu erklären. Außerdem müsse man sich die ewige Jugend erstmal leisten können. Persönlich und auch gesellschaftlich, angesichts begrenzter Ressourcen auf einer jetzt schon überbevölkerten Erde.
    „Ein Mensch sollte frei sein, so lange zu leben, wie er möchte,“ findet dagegen Steve Horvath. Damit stößt er sogar in seiner eigenen Familie auf Widerspruch: „Die Menschen werden wertvoller mit dem Alter. Aber Steve hat eine andere Perspektive: Er will in erster Linie immer den Körper erhalten,“ sagt sein Zwillingsbruder. Am Ende des Films verkündet Steve Horvath auf einer Strandparty am Pazifik die Antwort auf eine ganz persönliche Frage: Wie alt sind er und sein eineiiger Zwillingsbruder Markus wirklich? (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 31.08.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 49 (45 Min.)
    Verbrecher oder Revolutionär? Die Dokumentation beleuchtet den Aufstieg und den Fall von Julian Assange – vom gefeierten Publizisten zum als Spion und Vergewaltiger verschrienen Sonderling. Anhand vertraulicher Akten rekonstruieren die Autoren die Zeit in der ecuadorianischen Botschaft: Sie gleicht teilweise einem Spionage Thriller – denn jeder Schritt von Assange wird überwacht, dokumentiert und mutmaßlich US-amerikanischen Behörden zugeliefert. Keine Privatsphäre und trotzdem verliebt sich Assange in dieser Zeit in eine seiner juristischen Beraterinnen und bekommt mit ihr zwei Kinder.
    Sie äußert sich erstmals im Deutschen Fernsehen. Zu Wort kommen auch Edward Snowden, Ex-CIA-Direktor Leon Panetta und John Shipton, der Vater des Wikileaks Gründers. So entsteht ein differenziertes Bild von Julian Assange und Wikileaks. Über allem steht die Frage, ob an Assange womöglich ein Exempel gegen die Pressefreiheit statuiert werden könnte. Am 7. September 2020 beginnt in London die Hauptverhandlung um seine Auslieferung in die USA, wo er wegen des Erhalts und der Weiterverbreitung geheimer Informationen angeklagt ist. Ihm drohen dort 175 Jahre Haft. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 07.09.2020Das ErsteDeutsche Online-PremiereFr 04.09.2020ARD Mediathek
    In der ARD Mediathek wurde eine auf 60 Min. verlängerte Fassung der Doku veröffentlicht.
  • Staffel 9, Folge 52
    Es geht um Kredite und Geldwäsche, um die Milliarden ex-sowjetischer Oligarchen – und es geht um brisante Geschäftsbeziehungen zwischen zwei Global Playern: dem heute mächtigsten Mann der Welt und dem größten deutschen Bankhaus. Seit mehr als 20 Jahren ist der Immobilientycoon Donald Trump Großkunde der Deutschen Bank. Über die Jahre hatte man ihm und seiner Familie Dollar in Milliarden-Höhe geliehen – für Immobilienprojekte. Unter den Käufern dieser Immobilien: Oligarchen aus der Ex-Sowjetunion. Auch solche, die im Verdacht stehen, kriminelles Geld in US-Immobilien zu waschen.
    Hat Trump von solchen Geschäften profitiert? Zur gleichen Zeit ist die Deutsche Bank New York tief verstrickt in Geldwäscheskandale. Geld aus dunklen Geschäften mit zwielichtigen Investoren. Auch sie: Oligarchen aus der Ex-Sowjetunion. Und: Ausgerechnet die New Yorker Dependance leiht Trump weitere hunderte Millionen – und das, nachdem er einen Kredit nicht zurückgezahlt und die Bank verklagt hatte. Wie kann das sein? Nachdem Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wird, stellen mehrere US-Geheimdienste fest: Russland habe versucht, die Wahl zugunsten Trumps zu beeinflussen.
    Im US-Parlament keimt ein unglaublicher Verdacht: Hat sich Trump in finanzielle Abhängigkeit von Russen begeben? Ist der neue Präsident womöglich beinflussbar? In einer aufwendigen investigativen Recherche gehen Reporterinnen und Reporter von WDR/​NDR und Süddeutsche Zeitung (Jan Schmitt, Petra Nagel, Petra Blum, Georg Wellmann) den Fragen nach: Was verbindet Donald Trump und die Deutsche Bank? Welche Rolle spielen Russlandgeschäfte dabei? Und welche Geheimnisse versucht der US-Präsident möglicherweise zu verbergen? (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 21.09.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 59
    Schichtdienst, Kinderbetreuung, einkaufen, bei den Hausaufgaben helfen, Haushalt machen, mit dem Hund raus – Krankenschwester Sonja fühlt sich abends wie nach einem Marathon und fällt oft schon um 20 Uhr todmüde ins Bett. Eigentlich arbeite sie „jeden Tag nur noch Listen ab, in der Hoffnung, dass nichts übrig bleibt, was dann auf die Liste des nächsten Tags wandert“, so die 43-jährige Alleinerziehende. Immer im Hamsterrad, rund um die Uhr funktionieren – der Druck auf Familien war schon vor Corona enorm und nun sind viele an ihrer Belastungsgrenze.
    In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Mu¨tter mit Burn-Out, Schlafstörungen, Angstzuständen und chronischen Kopfschmerzen um 40 Prozent gestiegen, berichtet das Müttergenesungswerk. Doch es sind nicht nur die Mütter, die leiden: 40 Prozent der Väter fühlen sich laut einer Familienstudie der AOK zeitlich überlastet und 82 Prozent der Kinder zeigen Stresssymptome, so eine Studie der Uni Bielefeld. In unserer Gesellschaft geht der Wunsch nach Selbstoptimierung und Perfektionismus bis tief in die Familien hinein.
    Sie spiegeln die Sehnsucht unserer Zeit danach, dass immer alles jederzeit möglich ist, so die Psychologin Birgit Langebartels. Der beste Papa sein Auch Boris Anspruch an sich selbst ist sehr hoch: Der zweifache Vater will zu Hause und auf der Arbeit alles geben, „das Beste aus meinem Leben rausholen“, auch wenn das heißt, dass er in manchen Nächten nur drei oder vier Stunden schläft. Das letzte Mal mit einem Freund unterwegs war Boris vor drei Jahren, erzählt er. Er möchte gerne, dass seine Kinder später von ihm sagen „dass er ein toller Papa war, der Beste“.
    Dafür hat Boris seinen gutbezahlten Posten als Facharbeiter bei einem großen Pharmariesen gegen einen Job bei einem Mittelständler getauscht. Er ist jetzt nicht mehr jeden Tag drei Stunden auf der Autobahn, aber das heißt für die Familie auch: weniger Geld. Seine Frau geht deswegen wieder arbeiten. Er steht nun um vier Uhr morgens auf, um am Nachmittag wieder zu Hause zu sein – dann geht seine Frau arbeiten und er versorgt die beiden Kleinkinder. Das ist ein täglicher Spagat. Laut Väterreport des Bundesfamilienministeriums fänden es 60 Prozent der Väter ideal, sich den Alltag partnerschaftlich zu teilen, verwirklicht wird es aber nur von 14 Prozent.
    Marion ist IT-Leiterin. Im Homeoffice hat sie bis zu zehn Telefonkonferenzen täglich, die Hausarbeit bleibt überwiegend an ihr hängen. Marion fährt auf ihrem Lastenrad, dem Mama-Taxi, ihre Kinder täglich knapp 15 Kilometer kreuz und quer durch Frankfurt. Ihr Mann konzentriert sich vor allem auf seine Arbeit, sie ist oft an den Grenzen ihrer Belastbarkeit. Marion möchte es gerne „perfekt haben“ in ihrem Leben.
    Sie möchte gerne Vollzeit arbeiten, erfolgreich sein und eine gute Mutter. Aber dadurch bleibt eigentlich nur noch wenig von ihr selbst übrig. „Am meisten gelitten hat aber die Beziehung zu meinem Mann“, sagt sie. Anne Schilling vom Müttergenesungswerk begründet die starke Belastung der Frauen so: „Es hat sich einerseits viel verändert, weil das Frauenbild sich sehr weiterentwickelt hat, weil wir heute das Modell einer gleichberechtigten Frau haben, ( ….). Und gleichzeitig haben sich aber die Rollenbilder nicht wirklich verändert und vor allen Dingen nicht das traditionelle Familienbild hat sich verändert, und das heißt, dass sozusagen Müttern ganz schnell die Zuständigkeit für Familie zugeschrieben wird ( … ).
    Und die Kinder? Die außerschulischen Aktivitäten haben in den letzten Jahren mehr und mehr zugenommen. Der Kinderpsychologe Professor Michael Schulte-Markwort warnt: „Der Stundenplan vieler Schüler ist heute vergleichbar mit dem eines Topmanagers.“ In seiner Hamburger Praxis behandelt er viele Kinder, die an diesem System scheitern und an Erschöpfungsdepressionen leiden.
    „Erschöpfung, Depressionen als letzter Ausweg sozusagen aus Überforderungssituationen, die haben sicherlich zugenommen. Das ist ein Phänomen, was wir etwa seit den letzten fünf Jahren beobachten. Und das hat was damit zu tun, dass Kinder immer mehr mit dem, was ich eine durchdringende Ökonomisierung nenne, oder man könnte es auch übersetzen, in ein durchdringendes Leistungsprinzip, konfrontiert sind.“ „Die Story im Ersten“ taucht tief ein in den Alltag deutscher Familien und zeigt, dass die Familie der Spiegel unserer sich selbst optimierenden Leistungsgesellschaft ist. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 09.11.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 61
    „Die Naturzerstörung ist die Krise hinter der Coronakrise“, dieses Zitat von Umweltministerin Svenja Schulze bringt eine Erkenntnis auf den Punkt, die mit der Pandemie auch im Bundeskanzleramt angekommen ist: Damit wird auch Artenschutz zur Chefsache. Der Mensch verkleinert systematisch den Lebensraum der Wildtiere. Arten sterben aus, und hinterlassen eine Leerstelle, die das Überleben der Menschen bedroht. Die Sendung zeigt, warum man solche Zusammenhänge schon vor Jahrzehnten hätte erkennen können: Ein Ökobauer ernährt auf seinen Feldern auch Insekten und Vögel mit, eine Wissenschaftlerin verteidigt den „Amazonas“ Europas, ein Schutzgebiet für 1,5 Millionen Zugvögel zwischen Polen, Belarus und der Ukraine. Und eine Ökonomin veranschlagt, was die „Dienstleistung“ der Natur an den Menschen kosten würde: 150 Milliarden Euro im Jahr allein für die Bestäubung – dafür bräuchte es ein zweites Corona-Rettungspaket. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 23.11.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 63
    Die gesetzliche Rente allein reicht nicht mehr, heißt es, deshalb sorgen die meisten Menschen hierzulande zusätzlich privat fürs Alter vor: mit Betriebsrenten, Riester-Renten oder Lebensversicherungen. Die Summe ist gewaltig: Versicherer und Pensionskassen legen insgesamt rund zwei Billionen Euro für die Altersvorsorge am Kapitalmarkt an. Mit dem Geld finanzieren sie z. B. Unternehmen, Banken und Immobilien. Doch welche Möglichkeiten haben Verbraucherinnen und Verbraucher, um zu erfahren, was genau mit ihrem Geld passiert? Die Doku zeigt, wie undurchsichtig diese Investitionen sind.
    Wir forschen nach und finden heraus: ein beträchtlicher Teil dieser Rentengelder fließt in klimaschädliche Projekte, befeuert Immobilienspekulationen oder finanziert gar die Rüstungsindustrie. Die Doku begibt sich auf Spurensuche und begleitet Menschen, die herausfinden wollen, ob sie mit ihrer Riester- oder Betriebsrente an, aus ihrer Sicht, schmutzigen Geschäften beteiligt sind: am Braunkohleabbau, an unsozialen Immobilienkäufen oder an der Rüstungsindustrie. Stefan Krostitz aus Eutin will endlich genau wissen, welche Investmentfonds in seinem Riester-Vertrag stecken.
    Britta Kox, deren Haus vom Braunkohleabbau bedroht ist, will verhindern, dass die Betriebsrente ihres Mannes in Kohle-Unternehmen fließt. Und Synke Köhler und Anne Möller aus Berlin droht der Auszug, weil ihre Mietwohnungen die Rente schleswig-holsteinischer Zahnärzte so rentabel wie möglich machen soll. Was sie alle eint ist die Idee, das Geschäft mit privaten Rentengeldern nicht mehr allein den Versicherern und Pensionskassen zu überlassen. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 30.11.2020Das Erste
    Deutsche Erstausstrahlung ursprünglich für den 09.11.2020 angekündigt
  • Staffel 9, Folge 64
    Ihr Ruf ist zum Teil zweifelhaft. Sie gelten als geheimnisumwittert, gierig und aggressiv. Doch eines muss man ihnen lassen: Sie haben den Wirecard-Crash vor allen anderen kommen sehen. Dieser Film rollt den wohl größten Wirtschaftsskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte aus der Perspektive der Shortseller auf – jener Bad Boys und Girls der Börse, die auf fallende Kurse wetten und dann gewinnen, wenn alle anderen verlieren. Shortseller rund um den Globus gingen schon seit Jahren davon aus, dass bei Wirecard betrogen und der Schwindel irgendwann auffliegen wird. Sie gingen hohe finanzielle Risiken ein und wurden teils heftig attackiert – von Wirecard und den deutschen Behörden.
    Doch sie behielten Recht. Während zigtausende gutgläubige Anleger ihr Erspartes verloren, als das Kartenhaus Wirecard in sich zusammenfiel, strichen sie sagenhafte Gewinne ein. Wenn aber die Shortseller das fragwürdige Geschäftsgebaren erkannten und den Crash kommen sahen, warum ließen Behörden, Wirtschaftsprüfer und Politik das Wirecard-Management dann über Jahre gewähren? Dieser zentralen Frage geht der Film „Der Fall Wirecard – Von Sehern, Blendern und Verblendeten“ nach. Warum ignorierten so viele die Alarmzeichen? Warum gingen die Aufsichtsbehörden nicht gegen das Unternehmen vor, sondern stattdessen gegen dessen Kritiker? Und welche Rolle spielte die Bundesregierung im Fall Wirecard? Die Dokumentation rekonstruiert ein Multi-Organ-Versagen von Kontrolleuren und Politik, das im Lichte der Aussagen der Spekulanten umso unglaublicher erscheint.
    Gleichzeitig lässt der Film die Zuschauer in das Innenleben von Wirecard eintauchen. Insider geben Einblick in ein Unternehmen, das bereits früh auf Hochrisikokunden setzte und in dem offenbar schon weit vor dem Zusammenbruch im Juni 2020 rote Linien überschritten wurden.
    Eine Firma, deren schillernder Vorstand Jan Marsalek dubiose Geheimdienstkontakte pflegte und dessen Vorstandschef Markus Braun nach derzeitigem Stand vor allem eines war: ein genialer Blender, dessen Geschichte für viele deutsche Ohren einfach zu gut klang – seine atemberaubende Story vom Aufstieg eines Tech-Unternehmens, das 2018 die Commerzbank aus dem Dax verdrängte. Die Geschichte vom lang ersehnten deutschen Internet-Weltkonzern mit Sitz in Aschheim bei München, der einen Hauch von Silicon Valley in die bayerische Provinz brachte. Die Wirecard-Story, die anscheinend nur ein Märchen war. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 07.12.2020Das Erste
  • Staffel 9, Folge 65
    Nach dem Mauerfall rückten führende Neonazis aus dem Westen in die untergehende DDR ein. Sie trommelten für die braune Revolution und trafen auf fruchtbaren Boden. West-Neonazi Worch schwärmt noch heute von den „personellen Ressourcen“ für die radikale Rechte. „Die Wiedervereinigung funktionierte nirgends so gut wie bei den Neonazis“, beschreibt Ingo Hasselbach, einer der bekanntesten ostdeutschen Ex-Neonazis, die rechte Szene nach der Wende. Der Umsturz blieb aus. Aber rechte Einstellungen und rechte Gewalt sind in Ostdeutschland bis heute besonders präsent. Die AfD hat zwar alle Parlamente erobert, doch ihre größten Erfolge erringt sie durchweg in den neuen Bundesländern.
    Und die Gefahr, Opfer einer rechtsextremen Gewalttat zu werden, ist im Osten besonders groß. Woran liegt das? Die Suche nach Antworten führen Autorin Birgit Wärnke und Autor Julian Feldmann tief in die DDR-Vergangenheit. Denn dort hatten sich trotz antifaschistischer Staatsdoktrin rund 200 neonazistische Gruppen wie die „SS-Division Walter Krüger Wolgast“ oder die „Lichtenberger Front“ entwickeln können, berichtet Bernd Wagner, ehemaliger DDR-Kriminalpolizist.
    Wagner leitete die „AG Skinhead“, ein geheimes Forschungsprojekt des DDR-Innenministeriums. Seine brisanten Erkenntnisse durfte er vor dem Mauerfall nicht veröffentlichen: 15.000 Rechtsradikale zählte er in der DDR. Auch zahlreiche Dokumente aus der Stasi-Unterlagenbehörde belegen neonazistische und rassistische Gewalttaten in der DDR. Obwohl es Neonazis offiziell gar nicht geben durfte. Der Zusammenbruch des Staates spielte den Rechten in die Hände. „Faschos waren allgegenwärtige Begleiter meiner Kindheit“, sagt Hendrik Bolz. Der 1988 geborene Rapper „Testo“ des Hip-Hop-Duos „Zugezogen Maskulin“ wuchs in Stralsund auf.
    Mit einem Text über seine Jugendjahre löste Bolz 2019 eine Debatte über die sogenannten „Baseballschlägerjahre“ aus. Das Erstarken der Neonazis nach der Wende wirkt bis heute nach und reicht bis weit in die Mitte der Gesellschaft: erst die Erfolge der NPD, dann die Massendemos von Pegida, schließlich der flächendeckende Siegeszug der AfD. Die habe die „Sprach- und Alternativlosigkeit durchbrochen“, sagt Hans-Christoph Berndt. Er ist neuer Faktionschef der AfD in Brandenburg. Der Nachfolger des rechtsextremen Andreas Kalbitz ist zudem auch Vorsitzender des Vereins „Zukunft Heimat“, der vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird.
    Birgit Wärnke und Julian Feldmann blicken in ihrem Film auf eine Zeit zurück, die ihre braunen Schatten bis heute wirft. Sie porträtieren drei Neonazis der Wendezeit, begleiten einen AfD-Politiker, fragen bei Historikern und Zeitzeugen nach den Ursachen. In ihrer akribischen Recherche zeigen sie seltene Archivaufnahmen und unveröffentlichte Dokumente aus der Stasi-Unterlagenbehörde. Der Film zeichnet rechte Kontinuitätslinien nach und analysiert ihre prägende Wirkung auf das wiedervereinigte Deutschland. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMo 14.12.2020Das Erste

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