2023, Folge 470–487

  • Folge 470 (45 Min.)
    Der kleine Flughafen Cochstedt liegt „mitten in der Pampa“ auf einem Bergrücken zwischen Börde und dem Harz. Er hat eine bewegte Geschichte. Gebaut als sowjetischer Militärflugplatz in den 1950er-Jahren, war das Areal in den 1990ern Projektionsfläche für die sprichwörtlichen blühenden Landschaften, den Glauben, dass ehrgeizige Infrastrukturprojekte automatisch Wachstum nach sich ziehen. Stattdessen entwickelte sich das Gelände zum Millionengrab für Fördermittel. Der Traum eines Passagierflughafens Magdeburg-Cochstedt war schnell ausgeträumt. Gereicht hat es nur für ein kurzes Intermezzo als Billigflieger-Landebahn.
    Dennoch: Der Coup des Ryan-Air-CEOs Michael O’Leary, der im Eulenspiegel-Kostüm die Landespolitik brüskiert, hat sich eingebrannt. Nachdem der letzte Flughafenbetreiber, ein dänischer Investor, Pleite ging, flog lange Zeit nur das Laub über die Start- und Landebahnen. Mittlerweile haben Drohnenforscher das Areal übernommen. Der Flughafen ist Test-Gebiet des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, ein Wissenschaftsstandort, Ort für Spitzenforschung. Die Geschichte des Areals ist aber auch die Geschichte der Menschen in Cochstedt.
    Sie beobachten seit jeher mit einer gewissen Skepsis, was sich über ihren Köpfen abspielt: Sowjetische Armeehubschrauber, Urlaubsflieger, Drohnen. Die Dokumentation erzählt die Geschichten der Menschen und die der Leute, die auf dem Flughafen gearbeitet haben: über die Besatzer von nebenan, Arbeitgeber, Hoffnungsträger. Und manchmal schließt sich der Kreis: Viktor Braschnik war als junger Mann zweiter Kommandeur des sowjetischen Flughafens. Jetzt lebt der Ukrainer wieder in der Gegend. Im Frühjahr 2022 ist er aus der Nähe von Charkiw geflüchtet. Der Kontakt nach Deutschland ist über die Jahre nie ganz abgerissen.
    Andreas König forscht in Cochstedt am Flugverkehr von morgen! Wegen des Jobs im Drohnenzentrum ist er mit Frau und Kindern wieder in seine Geburtsstadt gezogen. Eine Rückkehrergeschichte. Heike und Harro Möwes haben im verschlafenen Cochstedt eine alte Möbelfabrik zu einem Ortszentrum umgebaut – mit Restaurant, Hotel und Lädchen. Eine Unternehmergeschichte. Er ist der ehemalige Besitzer einer Firma, die in Cochstedt Kunstflugzeuge baut. Sie war damals Bauamtsleiterin. Torsten Ducke, in den wilden 1990er-Jahren Wirtschaftsförderer beim Landkreis, war mal ganz kurz Geschäftsführer der Flughafengesellschaft.
    Er kann sich gut an die Aufbruchsstimmung erinnern. Und an sein kurzes Intermezzo als Flughafengeschäftsführer. Auch Dirk Lüdicke hat die Aufbruchsstimmung des internationalen Flughafens hautnah miterlebt, auch die vielen Aufs und Abs, die danach kamen. Seit 2011 arbeitet er im Objektmanagement als Hausmeister und Grünflächenpfleger. Für die nächsten Jahre hat er noch ordentlich zu tun im Erprobungszentrum für unbemannte Fluggeräte. Und auch manches Passagierflugzeug soll in der Zukunft in Cochstedt starten und landen. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 08.08.2023MDRDeutsche Online-PremiereDi 01.08.2023ARD Mediathek
  • Folge 471 (45 Min.)
    Blick auf die „Allerwertesten“ – Wartburghinterteilparade beim „Startklar“, Oldtimertreffen in Eisenach
    Die Automarke Wartburg hat Generationen geprägt und auch die Identität der Stadt Eisenach. Der Film erzählt von leidenschaftlichen jungen Leuten, ihrer Lust am Schrauben und ihrer besonderen Liebe zum Wartburg als Kultauto. Als das AWE, das Automobilwerk Eisenach, in dem der Wartburg gebaut wurde, nach der Wende schließen musste, waren viele von ihnen noch Kinder, manche nicht einmal geboren. Was reizt sie an diesen Zweitaktern mit markantem Klang und Geruch? Warum ist der Wartburg für sie Kult? Die Wartburgschrauber aus Eisenach haben sich viel vorgenommen.
    In nur acht Wochen wollen sie „Karlchen“ fahrtüchtig machen. Karlchen ist ein charmanter 311er Wartburg, Baujahr 1962, gereift und lebenserfahren, kein aufgespritzter Schönling, sondern echt, etwas wacklig auf den Rädern und auch der Motor stottert. Aber das soll sich ändern, eine echte Challenge, denn beim „Startklar“, dem beliebten Oldtimer-Treffen in Eisenach, soll er seinen großen Auftritt haben. Enrico Martin ist überzeugt: Wir schaffen das! Und mit ihm die anderen der Truppe, rund 14 Wartburgfans, der harte Kern der Eisenacher Wartburgschrauber.
    Tatsächlich ist der Wartburg-Kult keine regionale Besonderheit. Wartburgfans gibt es weltweit. Darunter eine leidenschaftliche Fangemeinde in Norwegen. Nach dem Vorbild der Eisenacher Wartburgschrauber trifft sich die Schrauber-Crew um Jon Thonnesen regelmäßig in der Nähe von Oslo, um ihre Wartburgs am Laufen zu halten. Jon selbst hatte sich seinen ersten Wartburg mit 15 Jahren gekauft und seitdem alle wichtigen Stationen seines Lebens mit diesen Autos erlebt. Auch das Leben von Jessica Lindner-Elsner ist von den Wartburg-Autos geprägt.
    Die Historikerin arbeitet in der Automobilen Welt Eisenach, dem Wartburgmuseum im ehemaligen Verwaltungsgebäude des Automobilwerkes. Sie interessiert besonders die Rolle der Frauen im Eisenacher Fahrzeugbau und was aus ihnen nach der Wende wurde. Ein Beispiel ist Petra Peterhänsel, die früher im AWE gelernt hat und heute Chefin des BMW-Werkes in Leipzig ist. Für die Historikerin Lindner-Elsner ist das eine spannende Konstellation, sind doch Wartburg- und BMW-Geschichte in Eisenach eng miteinander verknüpft. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 15.08.2023MDRDeutsche Online-PremiereDi 08.08.2023ARD Mediathek
  • Folge 472 (45 Min.)
    Sprache, Kleidung, Nationalität und Glaube. Nirgendwo sonst in Deutschland gehören sie enger zusammen als in der Oberlausitz – im katholischen Dreieck zwischen Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda. Markantestes Zeichen für Kultur und Identität ist die sorbische Tracht. Seit Jahrhunderten nahezu unverändert, steht sie für Kontinuität einer ganzen Nation. „Unsere Großeltern, Eltern, alle vor uns haben bereits in sorbischer Tracht geheiratet. Deshalb haben auch wir uns dafür ganz bewusst entschieden. Es ist so, dass mittlerweile wieder viele stolz auf ihre Herkunft sind und deshalb die sorbische Tracht anziehen. 180 Hochzeitsgäste und alle in Tracht – das war einfach riesig und bleibt unvergessen!“, Lucija und Benno Buck geraten ins Schwärmen, wenn sie von diesem Tag erzählen.
    Für katholische Sorben ist die Tracht nicht nur Kleidung, sondern ein Bekenntnis zu Volk und Kirche. Sie ist quasi das Gegenteil von Fast-Fashion und so etwas wie heute der Status bei WhatsApp. Sie zeigt an, wer man ist, woher man kommt oder wohin man geht – zur Arbeit, zum Einkaufen oder zum Gottesdienst. 36 verschiedene Varianten zählt allein das sorbisch-katholische Trachtgebiet um Kamenz und sie ist die letzte von ursprünglich hunderten Trachtenregionen in ganz Deutschland, die bis heute im Alltag überlebt hat.
    Regina Scholze kennt es gar nicht anders: „Ich habe in meinem Leben noch nie etwas anderes getragen als die sorbische Tracht – ohne Kompromisse, von Kindesbeinen an bis heute. Auch im Urlaub in London, Paris oder an der Ostsee. Damit habe ich auch sehr viel Geld gespart, denn eine Tracht hält ein Leben lang und hat den Vorteil, dass man nie zum Friseur muss. Dafür haben wir unsere Hauben.“ Doch auch in der sorbisch-katholischen Oberlausitz sind die Tage des jahrhundertealten Kleidungsstils gezählt. Noch etwa 20 Frauen gehen hier täglich sorbisch, die Jüngste von ihnen ist 81. Bald wird sich die Tracht für immer aus dem Alltag verabschieden und dennoch erlebt sie derzeit eine Renaissance.
    Immer mehr junge Frauen entdecken die Tradition neu und Modedesigner versuchen die sorbische Tracht alltagstauglich zu machen, wie Modedesignerin Sarah Gwiszcz erklärt: „Mode ist für mich Identität, Tracht ist Charakter. Ich mache Kleidung, die von der Tracht inspiriert ist.“ Der Film, ein Zeitdokument am Scheideweg zwischen einer einzigartigen lebendigen Tradition der Alten und dem Versuch der jungen Generation, diesen jahrhundertealten sorbischen Kleidungsstil in die Zukunft weiterzutragen. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 22.08.2023MDRDeutsche Online-PremiereDi 15.08.2023ARD Mediathek
  • Folge 473 (45 Min.)
    Oranienbaum erinnert an ein kleines Stückchen Holland mitten in Sachsen-Anhalt. Landschaftlich eingebettet in den Auen von Mulde und Elbe, liegt der kleine Ort mitten im Biosphärenreservat Mittelelbe und ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Vor genau 350 Jahren schuf der niederländische Baumeister Cornelius Ryckwaert für Prinzessin Henriette-Catharina von Nassau-Oranien dieses barocke Ensemble aus Stadt, Schloss und Park – mit Pagode, chinesischem Teehaus und einer der längsten Orangerien Europas.
    Heute gilt Oranienbaum als beliebtes Ausflugsziel in der Region. Doch unweit dieses mitteldeutschen Kleinods, verborgen im Wald, spielten sich einst düstere und streng geheime Geschichten ab. 1935 entstand dort eine Munitionsfabrik. Zwangsarbeiter und Dienstverpflichtete füllten Granaten und Bomben mit Giftgas. Zum Ende des zweiten Weltkrieges lagerte hier genug Munition, um halb Mitteleuropa zu verseuchen. Zu DDR-Zeiten ging dieses dunkle Kapitel weiter. Auf dem Gelände, hinter Mauern und Stacheldraht verborgen, entwickelte und baute ein als Chemiewerk getarnter Betrieb Tellerminen und Selbstschussanlagen für die DDR-Grenze.
    Nach der Wende wurde alles vernichtet. Heute verfallen die Ruinen in den Wäldern bei Oranienbaum. Nur wenige im Ort sprechen darüber. Auch die Oranienbaumer Heide wurde Jahrzehnte als sowjetischer Truppenübungsplatz militärisch genutzt. Nach dem Abzug der Soldaten im Jahr 1992 konnte sich die Natur jedoch frei entfalten. Diese Entwicklung nutzen Wissenschaftler der Hochschule Anhalt: Gemeinsam mit dem Bundesforst und Naturschützern entsteht ein einzigartiger vielfältiger Lebensraum, in dem heute Konik-Pferde und Heckrinder zuhause sind.
    Die Tiere leben frei und halten die Heide offen. Ein unwirtliches, ehemals abgesperrtes Gebiet wandelt sich immer mehr, von Altlasten größtenteils beräumt, zu einer der artenreichsten Landschaften in Sachsen-Anhalt. Gemeinsam mit Naturschützern, Zeitzeugen und Geschichtsforschern entdeckt der Film den Glanz von Oranienbaum und die Natur-Highlights im Biosphärenreservat, aber auch die dunklen Kapitel verborgen in den Wäldern vor der Stadt. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 29.08.2023MDRDeutsche Online-PremiereDo 24.08.2023ARD Mediathek
  • Folge 474 (45 Min.)
    Eine alte preußische Geländekarte führt Angela Vickery und ihren Mann Peter in den 1990er Jahren zu einer vergrabenen Schatzkiste voller Gold, Silber und Edelsteinen. Doch das ist nicht alles – eine noch größere Entdeckung bleibt lange Zeit verborgen. Die 900 Jahre alte Burg Falkenstein im Harz steckt voller Geheimnisse. Nach dem Fall der Mauer werden hier tausende Schatzstücke aus einem Verlies geborgen. Einer der spektakulärsten Funde des vergangenen Jahrhunderts. „Der Osten – Entdecke wo du lebst“ über die faszinierende Welt des Falkensteins, mit historischen Filmkulissen, einer beeindruckenden Falknerei und einer einzigartigen Zeitreise ins Mittelalter.
    Im Sommer 2023 kommt seltener Besuch auf den Falkenstein. Die Nachfahren der Grafen, die bis zum Krieg auf dem Falkenstein lebten: Angela Vickery und ihr Mann Peter, ein ehemaliger britischer Offizier. Im Gepäck haben die beiden eine alte preußische Geländekarte. Vor über 30 Jahren suchte und fand Peter Vickery damit im Wald unterhalb der Burg die vergrabene Schatzkiste der Grafen vom Falkenstein.
    Bisher war der Ort geheim gehalten. Erstmals wollen die Vickerys diese mysteriöse Stelle nun offenbaren. Einige Jahre nach dem ersten Fund wird in einem geheimen Burgverlies ein zweiter und noch viel größerer Schatz entdeckt. Auch hier dringt damals erst einmal nichts an die Öffentlichkeit – aus Angst, Diebe könnten sich in der ungesicherten Burg der wertvollen Kunstgüter bemächtigen. Alles landet vorerst im Depot. Nur wenige Schatzstücke verbleiben auf dem Falkenstein, andere sind inzwischen in aller Welt verstreut – zum Ärger der Nachfahren der Grafenfamilie.
    Die imposante Burg ist nicht nur ein Schatzversteck – hier wurden schon zahlreiche Filme gedreht, an die noch einige Kulissen und Requisiten erinnern: Darunter drei Geister – Riese, Hexe, Rumpelstilzchen – aus der legendären DDR-Fernsehserie „Spuk unterm Riesenrad“. Katrin Raukopf und Henning Lehmbäcker, die Kinderschauspieler von damals, erinnern sich am Originalschauplatz an Anekdoten und plaudern aus dem Filmdreh-Nähkästchen. Jährlich zu Beginn der Sommerferien schlagen Familien des Vereins „Gelebtes Mittelalter“ für eine Woche ein Ritterlager auf dem Falkenstein auf.
    Ihr Motto: Wohnen, kochen, arbeiten und kämpfen wie vor 700 Jahren. „Das Ganze ist gar nicht finster, sondern authentisch“, sagt Burgdirektor Joachim Schymalla. „Gerade kulturell gesehen bildet das Mittelalter den Ursprung des modernen Europas. Unsere Tischsitten zum Beispiel, sind damals entstanden.“ Wie einst im Mittelalter lässt Falkner Pavel Sihelsky seine Greifvögel zu seinen Shows über der Burg kreisen. Schließlich waren sie es, die dem Falkenstein einst ihren Namen gaben. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 05.09.2023MDRDeutsche Online-PremiereDi 29.08.2023ARD Mediathek
  • Folge 475 (45 Min.)
    Im Dezember 1998 ist das Erfurter Kreuz fertig. Iim Süden Erfurts kreuzen sich die Autobahnen A 4 und A 71 und legen den Grundstein für Thüringens größtes Gewerbegebiet
    Das Erfurter Kreuz ist das Filetstück der Thüringer Wirtschaft. Mit über 400 Hektar das größte Gewerbegebiet Thüringens. Als Glücksfall für die Wirtschaft stellte sich zur Jahrtausendwende das nagelneue Autobahnkreuz südlich von Erfurt heraus. Hier kreuzen sich die Autobahnen von Ost nach West und Nord- nach Süddeutschland. Der Erfolgsgeschichte des ehrgeizigen Infrastrukturprojekts beginnt 2007 mit der Ansiedlung von N3, einem Gemeinschaftswerk von Lufthansa und Rolls-Royce zur Wartung von Flugzeugtriebwerken. Mehr als 100 Unternehmen produzieren hier heute.
    Das Erfurter Kreuz boomt und wächst immer weiter. Doch das hat auch Schattenseiten, die Verkehrsbelastung in den Kommunen steigt, Ackerflächen werden verbaut und Fachkräfte dringend benötigt. Wie arbeitet und lebt es sich in und an diesem riesigen Wirtschaftsstandort? Wir haben einige getroffen, die uns einen Blick hinter die Kulissen gewähren oder sich engagieren für oder gegen das weitere Wachsen des Erfurter Kreuzes. Einer davon ist Ingolf Weinert. Er kontrolliert Leitungen, Schrauben und Turbinenschaufeln, bevor ein tonnenschweres Flugzeugtriebwerk für den Versand an eine Airline fertiggemacht wird.
    Der kleinste Fehler kann die Sicherheit von Fluggästen gefährden. Mehrere Wochen war es zur Triebwerkwartung bei N3. Auch Streckenwart Randolf Focht ist beinahe täglich am Erfurter Kreuz. Er fährt hinauf und hinab an den Autobahnen, kontrolliert die Leitplanken, sichert Unfälle ab. Fast 40 Jahre hat er sich für die Ordnung und Sicherheit am Autobahnkreuz eingesetzt, Ende September stellt er sein orangefarbenes Auto ein letztes Mal in die Garage der Autobahnmeisterei und übergibt an jüngere Kollegen.
    Am Rande des Gebietes pflügt Sigmar Arnold mit seinem Mähdrescher durch die Felder, und bringt die Rapsernte ein. Für den Chef eines landwirtschaftlichen Betriebes begann mit dem Gewerbegebiet der Kampf ums Überleben. Pachtverträge liefen aus, er musste Flächen verkaufen, aus Feldern wurden Gewerbeflächen. Der Bauer hatte das Nachsehen angesichts von Firmen, die Millioneninvestitionen und Tausende von Arbeitsplätzen versprachen. Bürgermeister Frank Spilling kann sich noch gut an die trostlose Zeit in seiner Heimatstadt Arnstadt erinnern, als die Menschen nach der Wende wegzogen und unsanierte Häuser zurückließen.
    Vieles von dem, was sich die Anrainer durch den Industriepark erhofften, hat sich erfüllt, selbst als zwischendurch die Solarindustrie nach einem Boom abstürzte. Die Lücken füllten rasch andere. Doch der Aufschwung bringt neue Herausforderungen mit sich: mehr Verkehr, mehr Lärm, mehr Lichtverschmutzung und die Suche nach Fachkräften. Zu Ende ist die Entwicklung am Erfurter Kreuz nicht. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 19.09.2023MDRDeutsche Online-PremiereDi 12.09.2023ARD Mediathek
  • Folge 476 (45 Min.)
    Ein Als sie im Juni das Schneenetz im Auslauf der Großschanze demontieren, erwachen bei vielen Erinnerungen an die letzte Wintersaison. „Das war für mich der emotionalste Moment überhaupt“, erklärt Alexander Ziron. Bislang musste der Geschäftsführer der Vogtlandarena noch nie einen Weltcup absagen. Seit Januar 2023 wissen sein Team und er endgültig, dass der Klimawandel auch vor dem Vogtland nicht Halt macht. Anstelle von Schnee fiel Regen. Statt klirrender Kälte zeigte das Thermometer acht Grad. Dabei ist die Vogtlandarena in Klingenthal eine Topadresse des Wintersports.
    Die besten Skispringerinnen und Skispringer der Welt kommen hierher, weil die 2006 eröffnete Großschanze keine Wünsche offenlässt. Darauf ist auch Selina Freitag stolz. Die Topspringerin des VSC Klingenthal trainiert zurzeit mit der Nationalmannschaft in Oberstdorf. Dass Frauen auf Großschanzen ins Tal fliegen, war lange Zeit undenkbar. Nun ist der bevorstehende Sommer-Grand-Prix in der Vogtlandarena auch für sie ein absolutes Highlight. Allen Unkenrufen zum Trotz hält die Frauen nun niemand mehr auf.
    Im Nachwuchszentrum des VSC Klingenthal trainieren Mädchen und Jungs, als wäre es nie anders gewesen. Auch hier hat sich das Klima geändert. Doch wie schaut der Nachwuchs auf die Zukunft des Wintersports? Gut möglich, dass in Zukunft auf grünen Matten gesprungen wird. Im verrückten Januar 2023 kam der Schnee dann plötzlich doch noch. Da ein Weltcup der Nordischen Kombinierer in Frankreich buchstäblich ins Wasser fiel, fragte der Internationale Skiverband in Klingenthal nach.
    Und da die Wetterprognosen plötzlich gut waren, stürzte sich das Team von Alexander Ziron mit unzähligen freiwilligen Helferinnen und Helfern ins Abenteuer. Eine Woche nach der schmerzhaften Absage vollbringen sie ein wahres Wunder. Schneekanonen und Pistenbullys sind Tag und Nacht im Dauereinsatz. Auch Klaus Ostwald, Skiflugweltmeister von 1983, gibt alles und präpariert die Piste mit Hunderten von Tannenzweigen. Auf dem Schanzentisch trifft man dann Manfred Deckert, der 1982 die Vierschanzentournee gewann. Heute ist er Präsident des VSC Klingenthal.
    Mit Laubbläsern bewaffnet sorgt er mit seinen Helfern dafür, dass die Anlaufspur auch bei Schneetreiben blitzblank ist. Hinter dem Verpflegungszelt sind auch die Semmelengel wieder im Einsatz. Stundenlang schmieren sie ehrenamtlich Brötchen im Akkord, damit alle Beteiligten gut gestärkt in den Einsatz ziehen. Gemeinsam mit Skispringerinnen und Skispringern, Organisatoren und Freiwilligen entdeckt der Film die Vogtlandarena in Klingenthal. Ein Film über Leidenschaft und die Liebe zum Wintersport in Zeiten des Klimawandels. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 26.09.2023MDRDeutsche Online-PremiereSa 23.09.2023ARD Mediathek
  • Folge 477 (45 Min.)
    Die gefährlichste Straße Deutschlands – nannte man sie noch vor einigen Jahren: Die Eisenbahnstraße im Leipziger Osten. Zwar sind Kriminalität und Drogengeschäfte hier weiterhin ein Teil der Realität. Vor allem aber die Vielfalt, der Charme als Szeneviertel und die vergleichsweise günstigen Mieten ziehen heute immer mehr Menschen an und machen die Eisenbahnstraße zum Spannendsten und Großstädtischsten, was Leipzig derzeit zu bieten hat. Hier entdeckte Gabi Sergel etwas, was sie längst verloren glaubte. Ihre Liebe zu einem alten, mittlerweile verfallenen Kino. Auch andere sind dem Charme des Hauses erlegen. Gemeinsam bringen sie durch Baueinsätze und kleine Veranstaltungen neues Leben in den Saal.
    Es ist ein Mammutprojekt, das die Eisenbahnstraße noch jahrelang beschäftigen wird. Diese unfertigen Orte hier ziehen besonders junge Leute magisch an. Sie kommen von überall in den Leipziger Osten und suchen Platz für neue, teils unkonventionelle Ideen. Einer von ihnen ist Sam Fearon aus Honduras. Er baute in einer Nebenstraße eine alte Tankstelle zum Biergarten um. Jetzt träumt er davon, dass in der „Radtanke“ Studierende und Familien mit Drag Queens feiern und Senioren Yoga machen. Für die Eisenbahnstraße und ihre angrenzenden Viertel ist die Vielfalt typisch. Hier leben auf knapp zweieinhalb Kilometern Länge Menschen aus über 70 Ländern.
    Trotz der positiven Entwicklung – das Negativ-Image der Straße als angeblicher Kriminalitäts-Hotspot verblasst nur langsam. Der ehemalige Polizeipräsident Bernd Merbitz erlebte die Bandenkriege oder die Einführung der Waffenverbotszone aus nächster Nähe und ist den Ruf der Straße dennoch leid. Kritikern entgegnet er ironisch: „Die Eisenbahnstraße ist nicht die gefährlichste Straße Deutschlands, sondern des ganzen Universums.“ Der Film blickt hinter die Klischees und zeigt den Alltag auf einer außergewöhnlichen Straße, die trotz – oder gerade wegen – ihrer Unterschiede immer populärer wird. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 10.10.2023MDRDeutsche Online-PremiereDi 03.10.2023ARD Mediathek
  • Folge 478 (45 Min.)
    Wie konnte eine Chiffriermaschine, nicht viel größer als eine Schreibmaschine, zu einer entscheidenden Waffe des 2. Weltkrieges werden? Und welche Spur der Enigma führt ausgerechnet nach Erfurt? Schon in der DDR ist der Erfurter Gerhard Roleder fasziniert von den Geschichten, die sich um die Verschlüsselungsmaschine Enigma ranken. Als Elektroingenieur und begeisterter Hobbyfunker interessiert er sich neben der Funktionsweise der Enigma auch für deren Entwicklung und Herstellung. Durch Zufall stößt er auf einen Hinweis, dass während des 2. Weltkrieges ein Modell der Verschlüsselungsmaschine in Erfurt hergestellt wurde, und zwar in den Olympia Büromaschinenwerken.
    Dabei soll es sich angeblich um das Modell der Enigma handeln, das auf den U-Booten der deutschen Kriegsmarine die geheime Funkübertragung garantieren sollte. Die Enigma wird im Zweiten Weltkrieg zu einem wertvollen Werkzeug der deutschen Kriegsführung – denn sie gilt als nahezu unknackbar. Als Chiffriermaschine dient sie der Wehrmacht dazu, geheime Nachrichten zu verschlüsseln, um die Kommunikation vor feindlichen Abhörversuchen zu schützen.
    Doch nach dem Krieg gerät sie beinahe in Vergessenheit. 1974 erst wird öffentlich, dass es den westlichen Alliierten bereits 1941 gelungen war, den Code der Enigma zu entschlüsseln. Damals eine Sensation, denn schließlich bedeutete dies, dass seitdem verschlüsselte Nachrichten der deutschen Wehrmacht von den westlichen Alliierten abgefangen und mitgelesen werden konnten. Seitdem ist viel zur Enigma und über die Leistungen derer, die halfen, den Enigma Code zu entschlüsseln, publiziert worden.
    Nicht zuletzt der Hollywood-Film „The Imitation Game“ von 2014 hat dazu beigetragen, dass die Enigma heute ein Mythos ist. Der Film begibt sich gemeinsam mit dem Erfurter Hobbyfunker Gerhard Roleder sowie Kryptologen, Militärhistorikern und Nachfahren von Zeitzeugen auf die Suche nach Fakten und Beweisen: Ob die Enigma tatsächlich in Erfurt produziert wurde, wie sie zum Erfolg und der Niederlage der Deutschen Wehrmacht beitrug und welche Rolle dabei Erfurt als einer der größten Rüstungsstandorte vor 1945 spielte. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 17.10.2023MDRDeutsche Online-PremiereDi 10.10.2023ARD Mediathek
  • Folge 479 (45 Min.)
    Kampfmittelberäumer Maik Exner und Kollege
    Versteckt in einem Tal südlich von Dresden – hier befindet sich eine deutschlandweit einmalige Spezialschule. Die Dresdner Sprengschule. Gegründet 1961, als Zweigbetrieb des „VEB Autobahnkombinat“, war die Schule zentrale Ausbildungsstätte für zivile Sprengmeister. Und diese wurden reichlich gebraucht, denn im Arbeiter -und Bauernstaat ist ständig gesprengt worden – in Steinbrüchen, Untertage bei der Kalisalzgewinnung, über Tage in den Braunkohlegruben. Bei maroder Bausubstanz galt: Sprengung vor Abbruch. Stets wurde lieber mit Sprengstoff statt mit dem Bagger abgerissen! Das war billiger.
    Noch heute bildet die Dresdner Sprengschule Jahr für Jahr ca. 1000 Absolventen aus: in Sprengtechnik, Pyrotechnik und im Umgang mit Fundmunition. Die Ausbildungsstätte steht für Sicherheit – überall dort, wo Explosivstoffe eingesetzt werden. Sprengingenieurin Ulrike Matthes hat jeden ihrer wohlüberlegten Handgriffe an der Dresdner Sprengschule gelernt. Heute ist sie Chefin einer renommierten Sprengfirma in Thüringen, als einzige Frau Mitteldeutschlands auf so einem Posten. Ob Schornsteine, Brücken oder gigantische Industriebauten – sie kriegt alles klein, wie etwa den „Weißen Riesen“ in Duisburg im September 2021. Wir begleiten sie bei ihrer neuesten Herausforderung: Ein 170 Meter hoher Schornstein mitten in Leipzig soll weg.
    Weil wenig Platz ist, muss der Schornstein in drei Teile gefaltet werden. Ein kompliziertes Verfahren, bei dem viel schief gehen kann und das zuletzt 2014 in Deutschland angewendet wurde. Wird Ulrike Matthes die Herausforderung meistern? Wir sind außerdem in der Königsbrücker Heide unterwegs. 100 Jahre übten hier Militärs. Noch immer sind große Teile des Areals gesperrt.
    Betreten streng verboten! Nur für Maik Exner nicht. Er ist Kampfmittelräumer. Der ehemalige Unteroffizier der NVA hat nach der Wende umgelernt – an der Sprengschule in Dresden. Seit dreißig Jahren beräumt er die ehemaligen Truppenübungsplätze der Sowjetarmee. Und es vergeht kein Einsatz, bei dem er nicht gefährliche Munition entdeckt. Die große Knallerei kann aber auch schön sein. Thomas Kürbs verdient sein Geld als Pyrotechniker. Seit fast zwei Jahrzehnten inszeniert er Höhenfeuerwerke, Bühnenfeuerwerke, individuelle Feuershows und ist gefragt in der ganzen Republik. 3, 2, 1 – Zündung! (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 24.10.2023MDRDeutsche Online-PremiereSa 21.10.2023ARD Mediathek
  • Folge 480 (45 Min.)
    Waschraum im Haftkeller
    Ein unauffälliger Block an der Bautzner Straße in Dresden. Heute bewohnt von Menschen, die nie in ihrem Leben etwas mit der Staatssicherheit zu tun hatten. Der lange vier Stockwerke hohe Bau im Hof dahinter fällt nur deswegen auf, weil hier immer noch Fenster vergittert sind. Die Bezirksverwaltung in Dresden war eines der wichtigsten Machtzentren der Staatssicherheit der DDR. Heute noch sind die Räume im Original erhalten und für Besucher zugänglich. Niemand bleibt unberührt, der einmal durch das große Haftgebäude gegangen ist. Die Schritte hallen laut in dem riesigen Treppenhaus voller vergitterter Gänge und Stahltüren mit Gucklöchern.
    Im Oktober 1953 übergab der sowjetische Geheimdienst den DDR-Sicherheitsorganen den Bau. Bis dahin wurden hier Tausende wirkliche aber auch vermeintliche Nazi- und Kriegsverbrecher sowie Regimegegner im Kellergefängnis festgehalten. Für viele von ihnen endete die Haft mit der Todesstrafe oder in sowjetischen Arbeitslagern. Danach, zwischen 1953 und 1989, saßen hier geschätzt 10.000 Menschen in den 44 Zellen in Untersuchungshaft. Wegen angeblicher Spionage, Republikflucht, Widerstand gegen die Polizei oder subversiven Handelns, wie es im Stasi-Sprachgebrauch hieß. Im Dezember 1989 stürmten DDR-Bürger die Stasizentrale. Sie verhinderten, dass Akten vernichtet und Beweise gestohlen werden konnten.
    Heute ist das Haus eine Gedenkstätte – ein Ort des Erinnerns, der Forschung und Begegnung. Zeitzeugen führen Interessierte durch die Räume und berichten darüber, was sie hier erlebten. Für den Film trifft Autorin Katrin Claußner Menschen, deren Leben sich hier grundlegend geändert hat. Wie bei den drei jungen Männern, die nach dem Mauerbau 1961 in einer Nacht- und Nebelaktion „Nieder mit Ulbricht“ mit Farbe auf eine Dresdner Brücke schrieben und im Stasigefängnis landeten. Es sind bewegende Schicksale, die von Willkür und Folter erzählen, aber auch von Widerstand, Mut und Stärke. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 07.11.2023MDRDeutsche Online-PremiereFr 03.11.2023ARD Mediathek
  • Folge 481 (45 Min.)
    Kobaltblau, Pfauenauge und Schwämmeltechnik – dafür ist Lausitzer Keramik bekannt. Ein Hingucker, der spülmaschinen- und mikrowellentauglich ist. Denn die Lausitzer „Töppe“ werden bei 1.300 Grad gebrannt. Damit sind Glasur und Farbe widerstandsfähig gegen fast alles. Wie die Menschen, die sie formen, gestalten und verkaufen. Innungsmeister Karl Louis Lehmann und seine Brüder töpfern schon in sechster Generation. Ihre Töpferei in Neukirch ist eine Institution. Nach der Wende, als sich in der Lausitz vieles veränderte, krempelte die Familie die Ärmel hoch, zog den Töpfermarkt in Neukirch groß auf.
    60 Millionen neue Kunden warten auf uns, so ihre Devise. Sie investierten und überlebten. Doch jetzt ist die Zukunft wieder ungewiss. Die nächste Generation studiert gerade, hat andere Berufe, überlegt noch. Weniger traditionelles Handwerk, dafür eine moderne Töpferei hatte Andreas Kannegießer vor 30 Jahren im Sinn. Bis dahin war die Lausitzer Keramik „Bückware“. Zu DDR-Zeiten standen die Menschen am Vorabend des Verkaufstages Schlange, zogen für den nächsten Tag Nummern. Heute haben die Kannegießers eine Druckgussanlage, eine CNC-Fräse, Eindrehmaschinen für Teller, Schüsseln, Becher und einen HenkelRoboter.
    Ihre Keramik zieht in die Welt hinaus, geht an Kunden in den USA oder Japan. Ein Einzelkämpfer alter Schule ist dagegen Michael Jürgel aus Pulsnitz. Der 72- Jährige töpfert stets barfuß auf einer 150 Jahre alten Scheibe, die er selbst antreibt. Angestellte kann er sich nicht leisten, nur die Familie hilft aus. Jürgel will das traditionelle Handwerk erhalten. Iris Schöne aus Großschönau weicht im Design von der typischen Lausitzer Keramik ab. Keine Schwämmeltechnik, kein Pfauenauge. Die Farbsegmente in der Glasur entstehen erst beim Brand und der ist immer ein Ereignis.
    Einen vollen Tag den Ofen einräumen – mit Zollstock und Wasserwaage, einen Tag brennen, das Feuer kontrollieren, danach eine Woche warten. Und wieder einen Tag lang ausräumen. Auch Iris Schöne arbeitet allein, holt sich nur zum Brennen Unterstützung. Egal ob Einzelunternehmerin oder großer Handwerksbetrieb, die Töpferscheiben werden sich weiterdrehen. Die Keramik aus der Lausitz liegt im Trend, stillt die Sehnsucht der Menschen nach handgemachten Dingen. Und so treffen sich am ersten Oktoberwochenende wieder Tausende auf dem Töpfermarkt in Neukirch. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 14.11.2023MDRDeutsche Online-PremiereDi 07.11.2023ARD Mediathek
    Deutsche TV-Premiere ursprünglich angekündigt für den 24.10.2023
  • Folge 482 (45 Min.)
    Ernst Paul Dörfler machte schon in den 1980er Jahren das Thema Umweltschutz in der DDR öffentlich. Heute lädt er im Drömling regelmäßig zu Vogelwanderungen ein.
    Deutsche TV-PremiereMi 29.11.2023MDR
  • Folge 483 (45 Min.)
    Die Marienkirche inmitten der Altstadt ist die zweitgrößte Thüringer Kirche nach dem Erfurter Dom.
    Mühlhausen ist die einzige ehemalige Reichsstadt mit fast vollständig erhaltener mittelalterlicher Substanz im deutschen Osten. Ihr Bürgertum – selbstbewusst und freiheitsliebend. Nicht erst seit den Bauerkriegen pflegen die Mühlhäuser eine besondere Form von Gemeinschaft. Die erfährt, wer zum Beispiel in der Buchhandlung von Familie Strecker mal eben nur ein Buch kauft und sich plötzlich in einem der öffentlichen Wohnzimmer der Stadt bei Kaffee und Kuchen wiederfindet. Dieses Mühlhäuser Lebensgefühl zog das Ehepaar Hertz aus den Vereinigten Staaten in die Thüringer Provinz.
    In nur zehn Jahren hat das Paar hier vier alte Häuser saniert und dazu beigetragen, dass sich Mühlhausen wunderbar verwandelt. Welch ein Kraftakt das war, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Unbefestigte Straßen, verschimmelte Fachwerkhäuser, elende Rinnsale, rauchende Schlote – so sah Mühlhausen teils noch vor 30 Jahren aus. Festgehalten zur Wende für das Magazin „Stern“ vom Fotografen Michael Kerstgens, der die Verwandlung der Stadt bis heute verfolgt. Eine Verwandlung an der auch die Spezialfirma für Denkmalpflege der Familie Huschenbeth einen großen Anteil hat.
    Längst kehren junge Mühlhäuser, die es zunächst in die Ferne zog, wieder zurück. Christoph Reimann und Ann-Kristin Zabel schmieden als Stadtentwickler und Chefin der Wirtschaftsförderung an einer smarten, klimaneutralen und lebenswerten Zukunft. Tradionen zukunftsfähig machen, will auch Erzieherin Daniela Breitenstein, die in einer der zahlreichen Kirmesgemeinden der Stadt die jahrhundertealte Tradition der Mühlhäuser Stadtkirmes weiterführt. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 05.12.2023MDR
  • Folge 484 (45 Min.)
    Bad Schmiedeberg – Kurstadt im Herzen der Dübener Heide
    Es grenzt an ein Wunder, dass sie in dieser Dimension und Schönheit noch heute existiert – die Dübener Heide. Sie ist das größte zusammenhängende Waldgebiet Mitteldeutschlands und berühmt für ihre urwüchsigen Moore. Die natürlichen Wirkstoffe, die in der schwarzen Erde stecken, besitzen heilende Wirkung bei Erkrankungen des Bewegungsapparates, Gicht und Osteoporose. Noch vor 40 Jahren stand die Existenz der Dübener Heide auf Messers Schneide. Täglich rieselten hunderte Tonnen Flugasche, Schwefeldioxid und Chlor auf den Wald vor den Toren Bitterfelds, damals die „schmutzigste Stadt Europas“, nieder.
    Ende der 1980er Jahre droht sogar das komplette Aus. „Ich war damals 20 und am Horizont tauchten schon die ersten Braunkohle-Bagger auf. Doch dann kam 1989 die Wende. Es gab Proteste und die berühmten Grünen Tische, keine Runden wie sonst überall in der DDR üblich. Das war das große Glück, um die Heide zu retten. Bei uns gab es so zusagen die erste Energiewende, den ersten Kohleausstieg“, sagt Axel Mitzka vom Naturpark Dübener Heide.
    1992 gründete sich der Naturpark Dübener Heide, der erste Naturpark in ganz Deutschland, der aufgrund von Bürgerinitiativen nicht regierungsamtlich „von oben“ entstand. Heute umfasst er eine Fläche von etwa 77.000 Hektar und ist für viele Menschen aus dem angrenzenden Ballungsraum Halle-Leipzig ein reizvolles Naherholungsgebiet. „Das Schöne ist, dass die Dübener Heide noch nicht so überlaufen ist, wie andere Wälder um Großstädte. Man kann hier fast einen ganzen Tag lang wandern, ohne einen anderen Menschen zu treffen“, sagt Sabine Ostarek, die sich ehrenamtlich in der Dübener Heide engagiert.
    Ausgedehnte Waldgebiete und Wiesenflächen wechseln sich heute ab mit unberührten Heidebächen und Seen des ehemaligen Bergbaus. Unterschiedlichste Lebensräume sind es, die die Dübener Heide so einzigartig machen und damit Heimat für besonders geschützte Tierarten bieten. Neben Kranichen, Rauhfußkäuzen und Schwarzstörchen zählt dazu vor allem der Biber. Ein Landschaftsarchitekt, der nicht nur das Gesicht des Waldes prägt, sondern früher auch viel Geld einbrachte.
    „1984 ging es damit los. Holland wollte von uns Biber kaufen. Und wir hatten Biber, mehr als genug. Und die DDR brauchte Devisen. 1.400 Westmark pro Biber, das schlug ein wie eine Bombe. Überall wurde gefangen und exportiert“, sagt Ulrich Kujath, ehemaliger Mitarbeiter beim Staatlichen Forstamt Dübener Heide. Nach ganz Mitteleuropa wurden Biber aus der Dübener Heide exportiert, um im Rahmen von Wiederansiedlungsprojekten neue Populationen zu schaffen, dort wo die Tiere ursprünglich ausgerottet wurden.
    Heute werden in der Heide keine Biber mehr gefangen, denn die übernehmen inzwischen andere Aufgaben. Sie bremsen die Folgen des Klimawandels mit Hitze, Trockenheit und Dürre. Der Film taucht ein in eine wundersame Welt, in der Wasser, Biber und uralte Bäume eine faszinierende Landschaft geformt haben, eine „Grüne Lunge“ inmitten der dicht besiedelten, von Industrie, Bergbau und intensiver Landwirtschaft geprägten Region nördlich des Ballungsraumes Halle-Leipzig. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 12.12.2023MDRDeutsche Online-PremiereDi 05.12.2023ARD Mediathek
  • Folge 485 (45 Min.)
    Einer der Schächte des alten Kali-Bergwerks in Bleicherode.
    Ein 600 Meter unter der Erde, es ist dunkel und heiß: Von hier aus will der kanadische Bergbauingenieur Lawrence Berthelet ein milliardenschweres Kali-Flöz angreifen – Das Vorhaben elektrisiert die Region: Denn dieses Flöz hätte vor 30 Jahren das größte Drama der Treuhandzeit verhindern können … Jetzt machen sich die Kinder und Enkel der Wendegeneration auf den Weg, die Mission ihrer Vorfahren zu erfüllen. 600 Meter unter der Erde, es ist dunkel und heiß: Von hier aus will der kanadische Bergbauingenieur Lawrence Berthelet angreifen. Sein Ziel: Der Millionenschatz unter dem Ohmgebirge in Nordthüringen – Mineralien und Kali-Salze für die Düngemittel- und Chemieindustrie.
    Das Vorhaben elektrisiert die ganze Region, das Eichsfeld: Denn exakt jenes Kali-Flöz hätte vor 30 Jahren eines der größten Dramen der Treuhandzeit verhindern können, im nur wenige Kilometer entfernten Bischofferode. Für das Kali-Bergwerk ist die Ohmgebirge-Lagerstätte damals die letzte Chance, die Treuhand aber verbietet den Abbau – und es kommt zum härtesten Arbeitskampf der Treuhandzeit, zum Hungerstreik von Bischofferode – ein Trauma für die beteiligten Bergleute, bis heute. Das Kali-Bergwerk Bischofferode schließt, die Region blutet aus, die Jungen verlassen das Land und die Altlasten des Kalibergbaus zahlt der Steuerzahler – allein für die Flutung des Bergwerks von Bischofferode und den Abriss der Fördertürme hunderte Millionen Euro.
    Dabei wäre das alte Kalibergwerk heute eine Chance: „Würde Bischofferode noch existieren, könnte man von hier aus die Ohmgebirge-Lagerstätte erschließen“, sagt Babette Winter, Geschäftsführerin der Südharz Kali in Erfurt. „Aber so ist es nicht und das ist schade.“ Babette Winter und ihr Team um Ingenieur Lawrence Berthelet arbeiten gemeinsam mit den australischen Investoren an der Kali-Zukunft in Thüringen.
    Denn die Investoren haben sich nicht nur die Ohmgebirge-Lagerstätte gesichert, sondern alle Kali-Flöze in Nordthüringen. Es geht um Milliarden. Jüngste Mitarbeiterin der Südharz Kali ist die 27-jährige Monique Haushälter, Eichsfelderin und studierte Geotechnikerin. Sie hat immer auf eine Renaissance des Bergbaus in ihrer Heimat gehofft; ihr Opa war Bergmann in Bischofferode: „Wann hat man denn schon die Chance, von Anfang an ein Bergwerk zu entwickeln?“ Der Film „Der Millionenschatz vom Ohmgebirge“ erzählt die Geschichte eines der ehrgeizigsten Bergbau-Projekte Deutschlands – exklusiv, unter Tage, über Tage, im Damals und im Heute. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereDi 12.12.2023MDR
  • Folge 486 (45 Min.)
    Prof Jacob Strobel macht den Schaukeltest
    Schneeberg ist ein Geheimtipp für junge Menschen, die mit ihren Händen gestalten und Einmaliges schaffen wollen. Die kleine Stadt im Erzgebirge, umgeben von Wäldern, wo früher Generationen von Bergmännern das Silbererz zu Tage brachten, hat ein besonderes Kreativzentrum: Die Angewandte Kunst – eine kleine Fakultät, die zur Westsächsischen Hochschule Zwickau gehört. Auf dem Campus lagern riesige Holzbestände. Die Räume sind vollgepackt mit Stoffen aller Farben. Eine Digitaldruckerei steht bereit für die Textilmuster der Zukunft, während nebenan alte Webstühle und Klöppelspulen klappern.
    150 Studierende lernen hier in den Studiengängen Holzgestaltung, Modedesign und Textilkunst. Die Wurzeln dieser Schule reichen bis auf die 1878 gegründete königliche Spitzenklöppel-Musterschule zurück. Die transparente Klöppelspitze aus Schneeberg hat bis heute Weltniveau. Punto in Aria – Stiche in die Luft. „Wir konstruieren dabei wie Architekten ein stabiles lineares Gefüge, jeder Knoten ist ein Stützpfeiler für die Spitze.“ Ute Schmidt lehrt die selten gewordene Handwerkskunst bis zum 3. Semester. Wenn sie Inspiration sucht, geht sie ins hochschuleigene Musterarchiv zu den jahrhundertealten Originalen, die schon Königinnen begehrten.
    Beim Holz beginnt Jacob Strobel, erfolgreicher Möbeldesigner und Professor, den Lehrplan mit traditionellen Handwerkstechniken. Erst nach Drechseln, Feilen und Sägen kommt der zeitgenössische, künstlerische Part. „Jetzt lernen wir, wie man mit den Händen denkt“. In Schneeberg wird der gute alte Schaukelstuhl in diesem Semester wiederbelebt. Alles ist erlaubt, aber Statik und Design müssen stimmen. Professor Strobel nimmt die besten Prototypen und ihre angehenden Designer und Designerinnen mit zum österreichischen Naturmöbelhersteller TEAM 7. Eine Extra-Prüfung bei den Holzprofis.
    Auch Masterstudent Jan-Erik Schützhold fährt mit nach Ried im Innkreis. Sein dreibeiniger Sitzhocker darf in den Belastungstest, wo sonst nur Bestseller geprüft werden. „Diese Chance zu haben ist toll, und selbst wenn die Hockerbeine dabei brechen, weiß ich, was ich falsch gemacht habe.“ Schon zu DDR-Zeiten hat sich an dieser Schule ein besonderer Gestaltungsstil herausgebildet, für Möbel, Spielzeug und Mode. Der berühmte Formgestalter Karl Clauss Dietel, der u.a. die legendäre Simson S51 entwarf, lehrte in Schneeberg.
    Für ihn hatte das Design, neben der Ästhetik, einen klaren Auftrag: Funktionalität und Reparierbarkeit. Dieses Credo ist in den drei Studiengängen Holz, Textil und Modedesign auch heute allgegenwärtig. Weg von der Wegwerfmode! Von der wackeligen ersten Naht im 1. Semester bis zu exakten Schnittmustern, kontrolliertem Ausfranzen und perfekten Rüschen. Die Bachelor- und Masterkollektionen hängen jetzt auf langen Kleiderstangen und warten auf die Models im Backstagebereich der Zwickauer Fashion-Night.
    Zehn Minuten Umziehzeit. Zum ersten Mal präsentieren die Studierenden ihre Arbeiten einem Publikum. „Wir bieten richtig viel Praxis an, damit sie üben können, raus in die Welt zu gehen.“ Professorin Dorette Bardos schickt alle auf den Laufsteg: Üppige Rokoko-Kleider, intelligente Einsatzuniformen für den Katastrophenschutz, experimentelle Anzüge, die sich flüchtigen Modetrends entziehen. Schneiderkunst aus Schneeberg. Interessant aussehen. Gut sitzen. Beruhigt spielen. Schönes benutzen. Der Film entdeckt die Fakultät für Angewandte Kunst als moderne Designschmiede, die traditionelles Kunsthandwerk als Vorbild nutzt. (Text: MDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 20.12.2023MDR
  • Folge 487 (45 Min.)
    Deutsche TV-PremiereDo 28.12.2023MDR

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