2022, Folge 1083–1099
Schlauer als der Rest der Welt – Hochbegabte im Alltag
Folge 1083 (30 Min.)Die Hochbegabte Pia Beyer-Wunsch programmiert einen Roboter für ihre Doktorarbeit in medizinischer Informatik.Bild: ZDF und Heiko GrandelÜberflieger, Ausnahmetalent, Genie, aber auch Schulabbrecher und Einzelgänger: Als hochbegabt gilt, wer einen IQ über 130 hat, also weit über dem Durchschnitt (100) intellektuell begabt ist.
Hochbegabte können jeden Kontakt zur Außenwelt abbrechen, sie können aber auch mit 14 Jahren Abitur machen und den Nobelpreis gewinnen – mit dem gleichen IQ! Diese besonderen Menschen haben in Beruf und Alltag mit Vorurteilen zu kämpfen.
Bestimmt und gemessen wird Hochbegabung mittels eines Intelligenztests. Hochbegabte haben einen Hochleistungsmotor im Gehirn. Ob der mit angezogener Handbremse in der Garage steht oder auf einer freien Rennstrecke so schnell fährt, wie er kann, entscheidet die Förderung. Oft kommen die Schwierigkeiten nach der Einschulung: Hochbegabte sind anders als 98 Prozent ihrer Mitschüler. Das grenzt sie manchmal aus und kann sie zu Schulverweigerern werden lassen. Nach wie vor hält sich das Vorurteil hartnäckig, dass Hochbegabung automatisch zu guter Leistung führt. In der Schule fehlt Hochbegabten oft die Motivation, gute Noten zu schreiben. Das zieht sich durchs spätere Leben.
Rüdiger Gamm hat am 29. August 2021 im „ZDF-Fernsehgarten“ einen Weltrekord aufgestellt: Unter Wasser musste er „Potenz-hoch-5-Aufgaben“ rechnen. Er hat es geschafft! Was gibt 87 hoch 12? Für Rüdiger Gamm kein Problem. Binnen Sekunden nennt er die Antwort, eine 24-stellige Zahl. Einen Taschenrechner benötigt er dafür nicht. Nur seinen Kopf. Mit diesem Talent wurde er deutschlandweit bekannt. Der Welzheimer tingelte herum, löste überall im Land Matheaufgaben – in Discos oder bei Straßenfesten. Gamm wurde 2013 zu „Deutschlands Superhirn“ gekürt. Dass Rüdiger Gamm einmal ein Rechengenie werden würde, war jedoch lange Zeit unvorstellbar. Während der Schulzeit war Mathematik sein Problemfach. Sechsmal muss er wegen seiner schlechten Noten die Schule wechseln.
Pia Beyer-Wunsch, alleinerziehende Mutter einer siebenjährigen Tochter, ebenfalls hochbegabt, weiß erst seit 2016 von ihrer Hochbegabung. Laut Ärzten hat sie sich aus Eigeninteresse medizinisches theoretisches und praktisches Wissen angeeignet auf Stand eines fortgeschrittenen Medizinstudenten. Pia fehlte aber der Mut, wirklich Medizin zu studieren. Ihre Pläne hatten selten Bestand, sagt sie. Aktuell promoviert sie im Fach Medizinische Informatik. Sie fand Doktorväter, die um ihre Besonderheiten wissen, sie fördern und ihr helfen, durch Struktur zum Ziel zu kommen, dem Doktortitel.
Thorsten Heitzmann ist schlauer als 99,9 Prozent der Weltbevölkerung. Er ist Chef der weltweiten „Triple Nine Society“. Der wesentlich bekanntere Verein „Mensa e.V.“ ist die größte und bekannteste Hochbegabtenvereinigung mit Mitgliedern, die intelligenter sind als 98 Prozent der Bevölkerung (IQ von mindestens 130). Die „Triple Nine Society“ ist wesentlich selektiver: Sie nimmt nur Menschen auf, die intelligenter sind als 99,9 Prozent der allgemeinen Bevölkerung (IQ von mindestens 146). Thorsten Heitzmann ist Mediziner, hatte nie das Durchhaltevermögen, seine Doktorarbeit zu schreiben und arbeitet als Mädchen für alles in der Augenarztpraxis seiner Frau. Heitzmann ist 52 und hat einen Abischnitt von 3,1. Er arbeitet am liebsten ehrenamtlich. Sein wichtigstes Ziel im Leben: glücklich zu sein.
„37°“ begleitet drei Hochbegabte, von denen keiner besondere Höchstleistungen vollbringt. Ihr größtes Ziel ist es, im Alltag und mit den Mitmenschen zurechtzukommen. Sie möchten ein „normales“ Leben führen, obwohl sie selbst außergewöhnlich sind. Die hohe Intelligenz erleichtert ihnen nicht das Leben, im Gegenteil, sie kämpfen und hadern damit im Alltag.
Die „37°“-Reportage gibt Einblicke in das Leben und Denken von 2 Prozent der Menschheit, stellt verbreitete Klischees auf den Prüfstand und wirft sie über den Haufen. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 05.07.2022 ZDF Nesthocker – Wenn Kinder nicht ausziehen
Folge 1084 (30 Min.)Knapp ein Drittel aller 25-Jährigen in Deutschland wohnt noch zu Hause. Oft im alten Jugendzimmer. Der Alltag unter einem Dach mit den Eltern ist bequem, doch auch voller Tücken und Konflikte.
Auf eigen Füßen stehen. Früher konnten Jugendliche nicht früh genug ausziehen. Heute verstehen sich Eltern und Kinder besser, Mieten sind teuer, warum also zu Hause raus? Corona hat das „Nesthocken“ noch verstärkt. „37°“ begleitet drei junge Erwachsene im „Hotel Mama“.
Ve ist 29 Jahre alt und lebt bei mit ihren Eltern bei Erfurt. Nach der Mittleren Reife hat sie die Schule verlassen und nach der Ausbildung ihr erstes eigenes Geld verdient. Ans Ausziehen hat sie seitdem nur einmal gedacht. Da wollte sie als Kosmetikerin nach Berlin gehen: „Das ist gründlich in die Hose gegangen. Die Stadt ist mir zu groß und zu laut. Und ich habe das Kuh-Geblöke vermisst.“ Also kam sie wieder zurück nach Hause. Die Eltern betrieben bis vor wenigen Jahren die Dorf-Bäckerei. Seit Vater Jens gesundheitliche Probleme hat, ist der Laden geschlossen. Das Haus ist groß und an manchen Stellen marode.
Ve lebt auf einer eigenen Etage unter dem Dach. In ihrem Reich herrscht das „kreative Chaos“. Ihre Mutter könnte an die Decke gehen, wenn sie sieht, wie die eigene Tochter haust: Wäsche waschen, Küche aufräumen, das Bad putzen, wegen allem gibt es Diskussionen. „Ich würde auch mal gern wieder in Ruhe als Paar leben, ohne diese ganzen Streitereien“, seufzt die Mutter. Die Eltern betteln schon seit Langem um einen finanziellen Beitrag, den Ve leisten soll – zur Erhaltung es Hauses. Vater Jens platzt regelmäßig der Kragen, doch dann ist er wieder weich wie Butter. „Sie wickelt mich um den Finger“. Können Ves Eltern die Tochter zum Bezahlen bewegen? Oder sucht sich die junge Frau doch eine eigene Bleibe?
Stefan aus Höchstädt an der Donau ist 35 Jahre alt und wohnt wieder zu Hause. In seinem alten Kinderzimmer, direkt neben dem Schlafzimmer der Eltern. Doch aufräumen darf seine Mutter nicht bei ihm, das macht Stefan selbst. Da hat er seinen Stolz. Stefan hat auch schon mal allein gelebt, hat zwei Kinder und blickt zurück auf eine langjährige Drogengeschichte: „Mama ist die Beste. Sie hat mich zum Glück wieder aufgenommen, ich hätte sonst nicht gewusst wohin.“ Doch neben aller Fürsorge – das Zusammenleben führt zu gepfefferten Konflikten: „Sie mischt sich halt auch überall ein, fragt nach, geht mir auf den Keks. Das will man in diesem Alter ja eigentlich alles nicht mehr“.
Aber noch kann Stefan nicht ohne seine Eltern. Er träumt von einer kleinen eigenen Wohnung, doch dafür muss er noch stabiler werden. Der Vater ist auf seinen Spross nicht gut zu sprechen. Er misstraut ihm bis heute, glaubt Stefan nicht, dass die Drogengeschichten hinter ihm liegen und wittert ständig einen Rückfall. Doch Stefan unternimmt erste Schritte in die Selbstständigkeit, bemüht sich trotz vieler gesundheitlicher Rückschläge beim Jobcenter um eine Qualifizierungsmaßnahme – ein erster Baustein für ein eigenständiges Leben?
Felix aus Hirschaid lebt mit Schwestern, Eltern und Großmutter auf einem ehemaligen Bauernhof in Franken. Er findet: Nirgends ist es schöner als daheim. „Ich wäre ja blöd, wenn ich ausziehen würde. Da hätte ich ja gar keinen Platz. Und teuer wäre es auch noch und das bisschen Gezeter von der Mutter, das halte ich locker aus.“ Auch wenn das daheim sein Pflichten mit sich bringt. Zum Hof gehört ein großes Stück Forst. Am Wochenende gibt es regelmäßig Arbeitseinsätze mit der ganzen Familie. Diskussionen ums frühe Aufstehen am Wochenende sind vorprogrammiert. Felix Eltern hatten auch schon Pläne für die Zimmer der drei Kinder: „Die wollten wir gern zu Ferienwohnungen für Wanderer ausbauen. Doch daraus wird bislang nichts.“ Denn noch kann Felix dem Leben in den eigenen vier Wänden nichts abgewinnen. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 12.07.2022 ZDF Was wird aus unseren Träumen? – Leben nach der Flucht
Folge 1085 (30 Min.)Millionen Ukrainer sind auf der Flucht. Auch Sascha bringt seine Frau Yuliia und die beiden Kinder im März zum Zug Richtung Deutschland. Was wird aus seiner Familie werden?
Sie hatten große Träume. Alisa (6) – Turnwunder aus dem ukrainischen Nikopol, ausgezeichnet mit vielen Medaillen und einer Zukunft in der Olympia-Disziplin Rhythmische Sportgymnastik. Ihr Bruder Illia (17) war auf einem Elite-Gymnasium für Fußball. Und jetzt?
Wehrpflichtige Männer dürfen die Ukraine nicht verlassen. Einen langen Krieg vor Augen sahen die Eltern Sohn Illia schon im Schützengraben. Das wollten sie unbedingt verhindern und landen in der oberbergischen Kreisstadt Gummersbach.
Als ihre Welt noch heil war, luden Talentspäher Illia damals zu einem dreiwöchigen Probetraining beim spanischen Erstligisten FC Valencia ein. Sein Traum, gegen Real Madrid und den FC Barcelona zu spielen, wird zunächst von Corona ausgebremst. Dann kommen Putins Panzer.
Statt beim FC Valencia hält sich Illia jetzt auf dem Sportplatz eines Dorfvereins im Oberbergischen Land nahe Köln fit. Vermittelt hat ihm das der verwitwete Werner (78), der ihn, seine Schwester und die Mutter nach ihrer Flucht bei sich untergebracht hat.
„Mit der Unterbringung der Flüchtlinge allein ist es nicht getan“, sagt Sigrid aus dem nächsten Dorf. Sie selbst hat eine Familie mit vier kleinen Kindern aus der Nähe von Odessa aufgenommen. Als ehemalige Beschäftigte bei der Stadtverwaltung kennt die sich bei den anstehenden Behördengängen aus und übernimmt für Werner und seine Schützlinge die offiziellen Belange. Ohne deutsche Sprachkenntnisse kann kein Formular ausgefüllt werden. Sigrid betreut auch Alisa, wenn die Mutter Besorgungen macht oder Werners Haushalt führt. Verständigt wird sich über eine App und Übersetzer, soweit vorhanden.
Rentner Werner kümmert sich derweil um die sportliche Weiterbildung seiner Gäste. Das Fußballtalent Illia hat Werner inzwischen zu einem Verein einige Klassen höher vermittelt. Nach den ersten Trainingseinheiten ist klar, dass sie ihn wohl nicht lange werden halten können und bald schon ein Sichtungslehrgang in einem Trainingszentrum des Deutschen Fußballbundes ansteht.
Auch bei seiner Schwester stehen Entscheidungen an. Sie hat in der Ukraine seit dem dritten Lebensjahr täglich vier Stunden auf höchstem Niveau trainiert. Jetzt, in der Not, verbindet sie sich täglich über Videoschalte zwei Stunden mit ihrer Trainerin in der Ukraine. Werner hat ihr in einem der wenigen leistungsfördernden Institutionen NRWs ein Vorturnen vermittelt, zu dem er sie hinfahren wird.
Aber was ist, wenn sie dort angenommen wird? Vom Dorf vier Mal die Woche zum Training nach Essen fahren? Das sind allein vier Stunden Fahrzeit. Wie soll das gehen, wenn die Schule dazu kommt? Eine Wohnung in Essen suchen? Wovon bezahlen?
Mit dem Vater sprechen sie täglich über Handy und versuchen dabei, ihre Sorgen um die Zukunft wenigstens kurz zu verdrängen. Aber manchmal gibt es Alarm, Bomben sind zu hören, dann bricht das Gespräch ab.
Was sind die Träume von damals noch wert, wenn das Leben des Vaters auf dem Spiel steht? (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 26.07.2022 ZDF Ich bin Viele – Leben als multiple Persönlichkeit
Folge 1086 (30 Min.)Sabrina aus Freiburg ist 42 Jahre alt und lebt mit der Diagnose „Dissoziative Identitätsstörung“. Sie nimmt sich nicht als eine, sondern als zwölf Personen in einem Körper wahr.
Das Krankheitsbild „Dissoziative Identitätsstörung“ wird so definiert, dass mindestens zwei verschiedene Persönlichkeitszustände vorliegen, die abwechselnd Kontrolle über das Verhalten eines Menschen übernehmen. Dazu treten oft gravierende Erinnerungslücken auf.
Ihre zwölf Persönlichkeiten bringen Sabrina immer wieder in herausfordernde Situationen. Die jüngste ist ungefähr ein Jahr alt, dann gibt es eine Vierjährige, die sehr häufig im Alltag da ist, bis hin zu erwachsenen Persönlichkeiten. Jede von ihnen hat ihren eigenen Charakter, unterschiedliche Hobbys und Fähigkeiten. Im Alltag bedeutet das oft Konflikte und Chaos. Ein Ausflug in den Wald, ein Einkauf am Kiosk – Sabrina weiß nie, was sie erwartet. Jederzeit kann es zu einem Persönlichkeitswechsel kommen.
Um solche Situationen in den Griff zu bekommen, hat die ehemalige Lehrerin verschiedene Hilfssysteme für sich entwickelt. In ihrer Küche hängen detaillierte Tagespläne, die helfen, den Alltag zu strukturieren; außerdem Piktogramme, damit sich auch die kindlichen Sabrinas jederzeit orientieren können. Seit ihrer Diagnose vor rund zehn Jahren hat Sabrina einen Weg gefunden, offen mit ihren Persönlichkeiten umzugehen. Das Ergebnis: ein Leben im ständigen Kompromiss.
In Deutschland leidet fast jeder dritte Mensch laut Bundesgesundheitsministerium im Laufe seines Lebens an einer psychischen Erkrankung. Eine davon ist die „Dissoziative Identitätsstörung“. Verschiedene Studien gehen für diese Erkrankung von einer Prävalenz von 0,5 bis 1 Prozent in der Gesamtbevölkerung aus. Damit tritt das Störungsbild ähnlich häufig auf wie Schizophrenie.
Prof. Dr. Ulrich Sachsse, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, beschäftigt sich seit 1989 mit dem Krankheitsbild: „Auslöser sind meist schwere, traumatische Erfahrungen in der Kindheit. Um Unerträgliches erträglich zu machen, werden diese Erlebnisse abgespalten. Ein wichtiger Schutzmechanismus, um zu überleben, der sich bei wiederholter Traumatisierung jedoch verfestigen kann. So entstehen eigenständige Persönlichkeitsanteile.“
„37°“ geht der Frage nach, wie es sich anfühlt, zu zwölft in einem Körper zu sein. Und ob es „zu zwölft“ überhaupt möglich ist, dauerhaft Freundschaften zu schließen. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 02.08.2022 ZDF Biete Burg – suche Mitbewohner
Folge 1087 (30 Min.)Anders leben: Gemeinsam statt einsam – das möchten die Menschen der Lebensgemeinschaft auf der Burg Disternich. „37°“ begleitet die Gründerzeit der Kommune mit all ihren Höhen und Tiefen.
In Gemeinschaft zu leben ist für viele ein lang gehegter Traum. Zusammen essen, wohnen und arbeiten – nachhaltig, autark und kreativ – so soll es einmal werden. Doch noch ist die Kommune im Aufbau und sucht ihren Weg in eine gemeinsame Vision.
Die Kinder sind aus dem Haus. Was nun? Sabine (50) und Simon Stier (52) wollten etwas Neues ausprobieren. Gemeinschaft sollte es sein. Vor drei Jahren haben der Architekt und die Erzieherin sich aufgemacht und zusammen mit anderen eine Genossenschaft gegründet. So konnten sie in dem kleinen Dorf Disternich die Wasserburg samt 10 Hektar Land kaufen. Seitdem arbeiten sie auf dem Gelände. Simon hat sein Büro im Nebengebäude eingerichtet, während Sabine eine eigene Kita eröffnet hat. Diese wird von den Burg- und den Dorfkindern in Anspruch genommen. Mittlerweile leben auf der Burg Disternich 16 Erwachsene und sieben Kinder, mit jeder Menge Wild- und Haustieren.
David (40) und Clara (28) waren die ersten Genossenschaftsmitglieder vor drei Jahren. Seitdem leben sie zusammen mit ihren Kindern Caspar (5) und Olivia (2)in der Gemeinschaft. Der Cellist und die Pianistin haben sich an der Musikhochschule kennen- und lieben gelernt. Sie sehen die Burg als eine Begegnungsstätte für Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit.
Insgesamt könnten 25 Erwachsene auf dem Grundstück leben. Doch die müssen erst einmal gefunden werden. Um in der Gemeinschaft und in die Genossenschaft aufgenommen zu werden, müssen die Bewerber und Bewerberinnen nach einer intensiven Kennenlernzeit ein Jahr auf Probe überstehen. Danach entscheiden die Mitglieder der Genossenschaft – die Kerngruppe – über ihre Aufnahme. Zwei Drittel müssen aktiv dafür sein. Gibt es nur ein Veto, kann die Person nicht einziehen.
Dieses Probejahr ist nun rum für Dawid (28) und Eva (29). Eva hat Erziehungswissenschaften studiert, arbeitet momentan in einem Kindergarten und macht gleichzeitig eine Ausbildung zur Tanztherapeutin. Ihr Partner Dawid hat die letzten Jahre als Seminarleiter für Persönlichkeitsentwicklung und Kommunikation gearbeitet. Das Paar ist zusammen mit Evas Tochter Nuria (4) eingezogen. Die anstehende Entscheidung über die Aufnahme in die Gemeinschaft zerrt an den Nerven. Eva möchte unbedingt in der Burg bleiben, aber sie weiß, dass es um ihren Partner Dawid schlecht steht. Er hat in der Gruppe viele Konflikte und Auseinandersetzungen, was die Beziehung auf eine harte Probe stellt.
Betti (54) ist die Neue. Sie darf ihr Probejahr auf Burg Disternich beginnen. Endlich hat die ehemalige Kneipenbesitzerin ihren Absprung in ein neues Leben geschafft. Die Singelfrau möchte nicht mehr allein leben und freut sich auf die vielen Kinder in der Gemeinschaft. Bettis Sohn Max hat sich vor zehn Jahren das Leben genommen – ein Trauma, das sie bis heute nicht verwunden hat.
Auf der Burg ist immer was los: tatkräftige Aktionstage, konfliktreiche Gefühlsrunden oder ein Kulturfest mit Musik und Tanz. Der Film begleitet die Gemeinschaft über sechs Monate hinweg, dokumentiert die Höhen und Tiefen, porträtiert die Bewohner und Bewohnerinnen und gibt einen intimen Einblick in einen visionären Mikrokosmos der Gesellschaft. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 09.08.2022 ZDF Große Last auf schmalen Schultern – Wenn Kinder ihre Eltern pflegen
Folge 1088 (30 Min.)Füttern, windeln, Medikamente geben und die Mobilität trainieren, das machen Eltern mit ihren Kindern. Doch in vielen Familien in Deutschland sind diese Rollen vertauscht.
Knapp eine halbe Million Kinder und Jugendliche, die als „Young Carers“ bezeichnet werden, pflegen erwachsene Angehörige und tragen damit weit mehr Verantwortung als Gleichaltrige. Schätzungen gehen von ein bis zwei Kindern pro Schulklasse aus.
Wahrgenommen werden sie in der Gesellschaft nicht. So wie Alexa und die Geschwister Eva und Pascal. Wenn sie nachmittags aus der Schule kommen, stehen erst einmal Tätigkeiten im Haushalt an. Evas und Pascals Mutter Chrissy ist an Multipler Sklerose erkrankt, ihre Kinder sind Helfer im Haushalt und immer öfter auch Pflegende der 38-Jährigen.
Auch die 22-jährige Alexa fährt täglich Doppelschichten: Sie macht eine Ausbildung und ist daneben noch Vollpflegerin ihrer Mutter Beate. Deren Schlaganfall veränderte das Leben der ganzen Familie. Seit einem Jahr steht Beates Pflegebett im Wohnzimmer. Alexa und ihr Vater Patrick wechseln sich bei der 24-Stunden-Pflege ab.
Für Eva, Pascal und Alexa wäre es undenkbar, nicht zu unterstützen. Die Sorge um die Mütter begleitet sie durch den Tag und oft auch durch die Nacht. „Dafür ist die Familie doch da“, beteuert der 17-jährige Pascal, der bereits ein späteres Leben in der Nähe seiner Mutter plant. Seine Schwester Eva (12) quälen Ängste, ihre Mutter zu verlieren, doch sie sehnt sich auch nach Zeit mit Freunden, in der sie einfach mal unbeschwert sein könnte.
Alexa wartet sehnsüchtig auf die Unterstützung durch professionelle Pflegekräfte, deren Einsatz nach neun Monaten nun endlich bewilligt wurde. Doch die Personalsituation in Deutschland ist angespannt, und trotz ihrer verzweifelten Suche haben Alexa und ihr Vater noch keine geeigneten Pflegerinnen für Beate gefunden.
Die „37°“-Reportage begleitet Eva, Pascal und Alexa durch ihren Alltag als junge Pflegende. Sie offenbaren ihre Gedanken, die im belastenden Familienalltag oft keinen Raum finden. Sie erklären aber auch, dass es ihnen viel bedeutet, Verantwortung mitzutragen. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 16.08.2022 ZDF Tanz auf dem Seil – Zirkuskinder zwischen Tradition und Moderne
Folge 1089 (30 Min.)Clowns, Artisten, glitzernde Kostüme: Der Zirkus hat Menschen über Jahrhunderte zum Träumen gebracht. Doch es gibt Konkurrenz: Heute sind Spielekonsolen und Streamingdienste angesagt.
Wie gehen junge Artistinnen mit diesen Herausforderungen um, in einer Welt, in der die Rolle der Frau noch sehr traditionell ist? Welche Weichen stellen sie, damit ihr Zirkus und ihre Familien auch in Zukunft überleben können?
Vivian ist die älteste Tochter von Zirkus-Legende Bernhard Paul. Der Name Roncalli ist einer der wohl berühmtesten und schillerndsten in Deutschland. Bernhard Paul gründete den Zirkus Roncalli gemeinsam mit dem Aktionskünstler André Heller in den 1970er-Jahren.
Vivi ist gemeinsam mit ihren Geschwistern Adrian und Lili im Zirkus aufgewachsen – wie bei allen Zirkuskindern war klar, dass auch sie in die Manege geht. Dort hat sie sich ihre Sporen als Rollschuh-Artistin und mit Luft-Akrobatik in schwindelerregender Höhe verdient. Doch als älteste Tochter des Unternehmers muss sie mehr und mehr auf die Bühnenluft verzichten. Die 31-Jährige übernimmt zunehmend Aufgaben in der Unternehmensführung. Sie wohnt auch nicht mehr im Wohnwagen, sondern hat ihre eigene Wohnung in Düsseldorf-Bilk. Auch wenn ihr das manchmal schwerfällt und ihr die Decke auf den Kopf fällt. „Wir sind immer rumgereist, und ich bin eben ein echtes Zirkuskind“, sagt sie von sich.
Anstatt selbst in der Manege zu stehen, castet sie nun die Artisten, die in Zirkus und Varieté auftreten werden. Ob die engagierten Künstlerinnen und Künstler sich zu Kassenmagneten entwickeln, weiß man erst, wenn die Show startet.
Auftritte gibt es für Vivi nur dann, wenn Artisten krank werden – sie hält sich deshalb noch fit, so gut es ihre täglichen Aufgaben zulassen. Denn Roncalli ist eine echte Firma mit vielen Angestellten, die auch in der Coronapandemie ihren Lohn erwarten. Was heißt das für eine junge Frau in dieser Welt? Und was hat das noch mit der Zirkuswelt zu tun, wie wir sie kennen?
Im Januar 2022 brachte Deborah Lauenburger ihren kleinen Antonio zur Welt. Am Tag zuvor hatte die 25-Jährige noch Popcorn im Magdeburger Weihnachtszirkus, dem Zirkus Paul Busch, verkauft. Vier Tage nach der Geburt packte sie schon wieder mit an. Kinderkriegen ist in der Zirkuswelt kein Grund, kürzerzutreten. Das Kind ist bei allem dabei, auch beim Training oder während der Vorstellung.
Deborah ist für die Pferde zuständig. Normalerweise unterhält sie das Publikum mit spektakulären Kunststücken auf den Pferderücken. Doch während der Monate der Pandemie fehlte ihr ein wichtiges Lebenselixier: der Applaus. „Wer einmal den Duft der Sägespäne im Zirkuszelt gerochen hat, den lässt es nicht mehr los.“ Ein alter Spruch, der auch auf Deborah zutrifft.
Dass ihre Branche Zukunft hat, daran zweifelt Deborah überhaupt nicht. Noch immer strahlen Kinderaugen pure Begeisterung und Glück aus, wenn sie Deborahs Reitkunststücke und ihren Ehemann Kalito als Clown sehen. Außerdem ist ihr Zirkus modern mit Lasern, Nebelmaschinen und digitalen Showeffekten ausgestattet. Sie weiß, dass die Zuschauer gern die Nostalgie mögen, die Zirkusse ausstrahlen, und dass das Publikum hier im Gegensatz zu YouTube und Fernsehen live und unmittelbar dabei sein kann. Sie weiß aber auch, dass sie und ihr Mann sich noch einiges einfallen lassen müssen, wenn sie weiterhin gegen Social Media, Playstation und Netflix bestehen wollen.
Wie wird es für sie ganz persönlich sein – der erste Auftritt nach sehr kurzer Babypause? Wie fühlt es sich nach der Geburt eines Kindes an, zum ersten Mal wieder im knappen Kostüm auf dem Pferderücken? Wie wird ihr Körper klarkommen, schafft sie es, ihre alte Sicherheit zurückzugewinnen? Und wie wird Baby Antonio mit der Situation klarkommen? Denn auch für ihn gibt es keine Ausnahme – er wird wie alle kleinen Familienmitglieder – einfach an den Rand der Manege gestellt und schaut aus dem Kinderwagen zu. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 23.08.2022 ZDF Unser Wunschkind und der Krieg – Leihmutterschaft in der Ukraine
Folge 1090 (30 Min.)In Deutschland ist Leihmutterschaft verboten, in der Ukraine boomt das Geschäft mit dem Babyglück. Doch jetzt herrscht Krieg. Eine Gefahr für Wunscheltern, Leihmütter und die Babys.
Sven und Doreen aus Sachsen wünschen sich seit zehn Jahren ein Kind, ihre letzte Hoffnung ist eine ukrainische Leihmutter. Doch als die hochschwanger auf die Geburt wartet, beginnt der Krieg. „37°“ begleitet das Paar in die Ukraine zu Kind und Leihmutter.
Jedes zehnte deutsche Paar zwischen 25 und 59 Jahren ist laut Bundesfamilienministerium ungewollt kinderlos. Für sie bleibt nach deutschem Recht nur eine Adoption oder ein Pflegekind. Aber Sven (38) und Doreen (36) aus dem sächsischen Neukirchen wollen das nicht akzeptieren. Trotz sechs künstlicher Befruchtungen in Deutschland konnte Doreen selbst nicht schwanger werden. Die Ukraine sei „ihre letzte Hoffnung auf ein eigenes Kind“ gewesen, sagen die beiden. Dort ist Leihmutterschaft im Gegensatz zu Deutschland erlaubt.
Rund 45.000 Euro kostet eine Leihmutterschaft in der Ukraine, im Gegensatz zu den USA, wo eine Fruchtbarkeitsklinik bis zu 150.000 Euro fordern kann. In einer Kiewer Klinik wurden Svens Samen und Doreens Eizelle erfolgreich vereinigt und in den Uterus von Leihmüttern eingesetzt. Dreimal enden die Schwangerschaften mit einer Fehlgeburt. „Viele haben gefragt, warum gebt ihr nicht auf? Aber wir konnten nicht. Wir haben uns so sehr ein Kind gewünscht!“, erzählt Doreen.
Im Herbst wird die ukrainische Leihmutter Anna schwanger. Diesmal scheint alles gut zu werden. Das Wunschkind, ein Mädchen, wird geboren und ist gesund. Doch im Februar beginnt der Krieg.
„37°“ begleitet Sven und Doreen auf ihrer Reise zu Tochter Lena in die Zentralukraine. Der Film beobachtet Ängste, Erwartungen und Vorfreude der Wunscheltern, hinterfragt aber auch das „Geschäftsmodell Leihmutterschaft“. Die Reise ist nicht ungefährlich. Doch das deutsche Paar will sein Kind so schnell wie möglich nach Deutschland holen. Während eines Bombenalarms treffen Sven und Doreen ihre Tochter das erste Mal in der Geburtsklinik. „In dem Moment haben wir gewusst, es hat sich alles gelohnt! Wir können der Leihmutter gar nicht sagen, wie dankbar wir ihr sind.“
Ihre Leihmutter Anna erzählt, dass die lange Trennung von ihren eigenen Kindern das Schwerste an der Schwangerschaft gewesen sei. Auch andere Leihmütter berichten in der „37°“-Reportage von ihren Erfahrungen. Für Viktoria war die Geburt während der russischen Raketenangriffe in Kiew traumatisch, vor allem, weil sie mit dem Kind deutscher Wunscheltern noch sieben Tage zusammen sein musste. Vier Wochen habe sie geweint, nachdem die deutschen Wunscheltern den Jungen abgeholt hatten.
Leihmutter Olena trägt dagegen schon zum zweiten Mal ein Kind für deutsche Wunscheltern aus. „Mir macht es einfach Freude, Paaren, die kinderlos sind, ein Baby zu schenken. Und ich kann damit meiner eigenen Familie helfen und uns etwas aufbauen.“ Der Durchschnittsverdienst der Ukrainer ist 350 Euro im Monat. Eine Leihmutter verdient 15.000 Euro. Deshalb will Olena auch ein drittes Mal Leihmutter werden. Selbst wenn dann immer noch Krieg herrschen würde.
Sven und Doreen bleiben mit Lena schließlich über vier Wochen in der Ukraine. Damit Lena als ihre Tochter anerkannt wird, müssen sie genetische Tests und andere Unterlagen zusammentragen. In Kiew warten sie wochenlang auf einen Termin bei der deutschen Botschaft, um einen Pass für ihr Baby zu erhalten, obwohl 18 Kilometer entfernt Bomben einschlagen.
In der „37°“-Reportage wird klar: Noch immer sind durch den ungeklärten rechtlichen Status der Leihmutterschaft in Deutschland viele Fragen offen. Das bringt Probleme für die deutschen Wunscheltern, die ukrainischen Leihmütter, aber vor allem auch für die Wunschkinder, die im Krieg geboren werden. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 06.09.2022 ZDF Extremsparer – Jeder Cent zählt
Folge 1091 (30 Min.)Für immer mehr Menschen zählt jeder Cent: Extremsparer kennen alle Preise im Supermarkt auswendig. Sie jagen Schnäppchen mit Rabattcoupons, leben auf kleinstem Raum, um Miete zu sparen.
Für Kurt ist Sparen ein Teil seiner Persönlichkeit. Maria und Joel schränken sich ein, um hohe Studienkredite zurückzuzahlen. Und Maren legt das meiste ihres Gehaltes zurück, um früh in Rente gehen zu können. „37°“ begleitet Menschen, die mit wenig Geld leben.
Schon als kleiner Junge wurde Kurt (68) von seiner alleinerziehenden Mutter zur Sparsamkeit erzogen. Dies kam ihm zugute, als er im höheren Alter sein Geschäft als Baustoffhändler aufgeben musste und – obwohl er früher jahrelang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hatte – wegen seiner Selbstständigkeit direkt in Hartz IV abrutschte. Denn anders als die meisten Betroffenen, kam Kurt, auch während dieser finanziell harten Zeit, gut mit den geringen Regelsätzen zurecht.
Dass viele arbeitslose Menschen schon Mitte des Monats kaum noch Geld für Essen übrighaben, brachte Kurt auf eine Idee: Gemeinsam mit einem Freund veröffentlicht er seit Jahren „Sparkochbücher“. In denen finden sich gesunde Rezepte, die sich streng an den aktuellen Regelsätzen für Arbeitslose in Hartz IV orientieren. Damit möchte der Rentner seinen Beitrag dazu leisten, dass sich niemand für eine gesunde Ernährung verschulden muss.
Zudem fanden Kurt und sein Bekannter in jahrelangen Recherchen heraus, welche teuren Markenartikel-Produzenten hinter den wesentlich günstigeren Handelsmarken in Discountern und Supermärkten stecken. Er selbst achtet beim Einkauf penibel darauf, dass diese Nachahmungsprodukte sowie Sonderangebote und Aktionsware im Einkaufskorb landen, und geht nur mit Einkaufszettel shoppen. Impulskäufe sind bei ihm ausgeschlossen, ebenso wie teure Markenprodukte. „Ich bin überhaupt nicht geizig. Ich sehe nur nicht ein, für identische Produkte unnötig viel Geld auszugeben.“
Auch Maria (37) weiß, wie sich beim Einkauf viel Geld sparen lässt. Früher lebten sie und ihr Mann Joel (43) in den USA. Von dort kennt die Mutter von zwei kleinen Töchtern viele Tricks, mit denen sich durch kluges Kombinieren von Sonderangeboten viel Geld sparen lässt. Das funktioniert – mit Einschränkungen – auch hierzulande. „Unser Keller sieht mittlerweile aus wie ein Drogeriemarkt.“ Dass die Familie jeden Cent zweimal umdreht, liegt an den hohen Schulden, die Maria und Joel tilgen. Durch in den USA übliche Studiengebühren summierten die sich auf knapp 89.000 Euro. Auf vieles musste die junge Familie deshalb lange verzichten. Doch der radikale Sparkurs trägt Früchte, und nach mehr als sechs Jahren ist die Familie endlich schuldenfrei. Gespart wird dennoch weiter. Nun gilt es, schnellstmöglich einen Notgroschen anzusparen und danach Vermögen aufzubauen.
Das möchten auch Maren (47) und Joost (48). Um sich das Geld für eine teure Miete zu sparen, sind sie zusammen in ein 30 Quadratmeter großes Ein-Zimmer-Apartment in Bamberg gezogen. Die beiden verfolgen einen minimalistischen Lebensstil und sind zudem Frugalisten. Das bedeutet zum einen, dass sich das Ehepaar im Rahmen seines letzten Umzuges vom meisten des eigenen Besitzes getrennt hat. Zum anderen wird der Großteil des monatlichen Einkommens umgehend angespart. Das Ziel: so schnell wie möglich ein Vermögen generieren, das es beiden erlaubt, so früh wie möglich in Rente zu gehen. Oder ihren Traum zu leben und als digitale Nomaden von überall auf der Welt arbeiten zu können: „Vielleicht schon in fünf Jahren.“
Schwierig wird es für beide, als sie ihre Jobs wechseln und von zu Hause aus arbeiten. Während Joost von der Küchenzeile aus telefonisch Kunden betreut, wagt Maren am Esstisch nebenan den Sprung in die Selbstständigkeit. Als Online-Coach möchte sie Minimalismus- und Finanzkurse anbieten. Damit dabei möglichst nichts schiefgeht, investiert sie viel Zeit und zuvor mühsam angespartes Geld in die Vorbereitung. Wird sie ihren Traum von der erfolgreichen Selbstständigkeit verwirklichen können?
Ein „37°“-Film über Menschen, die ihr Geld lieber sparen, als es auszugeben. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 13.09.2022 ZDF Du sollst hören! – Taub zwischen zwei Welten
Folge 1092 (30 Min.)Anne ist von Geburt an gehörlos. Doch das hindert sie nicht daran, als Schauspielerin erfolgreich zu sein – wie jetzt im Spielfilm „Du sollst hören!“
Für Hörende ist die Schauspielerin ein Wunderkind, weil sie die Lautsprache perfekt beherrscht. „Aber es ist für mich kein Kompliment, wenn man mir sagt, wie toll ich spreche“, sagt die 34-Jährige. Das jahrelange Verstecken ihrer Taubheit hat Spuren hinterlassen.
Zehn Prozent beträgt Annes Hörfähigkeit – sie gilt damit als schwerstbehindert. Als Kind tauber Eltern scheint ihr Weg festgelegt: Sie wird nur eingeschränkt an der Gesellschaft teilhaben können.
Ihr Vater will, dass sein Kind ausschließlich mit Gebärdensprache aufwächst. Aus eigener Erfahrung weiß er, gehörlose Kinder begreifen die Welt mit den Augen, nicht mit den Ohren. Und sie kommunizieren mit den Händen.
Aber die hörenden Eltern der Mutter drängen, wenigstens den Versuch zu starten, Anne die Lautsprache beizubringen. Der Vater kann das nicht akzeptieren, verlässt die Familie. Anne bekommt sehr früh Hörgeräte und die Oma, Lehrerin an einer Gehörlosenschule, übt täglich intensiv mit Anne ausschließlich Lautsprache. „Das war wie Leistungssport“, sagt Anne.
Sie spielt Klavier, wird Teil einer Berliner Roller-Derby-Mannschaft, tritt im Jugendtheater auf. Überall ist sie nur noch von Hörenden umgeben, vor denen sie ihre Gehörlosigkeit immer erfolgreicher verbergen kann. „Ich wollte unbedingt beweisen, dass ich alles genauso gut kann wie Hörende.“
Sie macht Abitur. Ohne Lernbegleitung, die ihr als Gehörloser eigentlich zusteht. Das überfordert sie immer mehr, denn von dem Gesagten um sie herum kann sie sich nur circa 60 Prozent entschlüsseln. Das wird noch schwieriger, als sie ausgerechnet eine Schauspielausbildung beginnt. Auch dort verschweigt sie ihr Handicap und bekommt wegen kleiner Sprachfehler keinen Abschluss.
Trotzdem schafft sie es, Hauptdarstellerin in „I am Error“ – einem Film über eine Gehörlose – zu werden. Und das wird schließlich auch ihr eigenes Coming-out als taube Person. Sie bringt sich selbst die Gebärdensprache bei, bekommt Rollen am „Deutschen Gehörlosen Theater“.
Jetzt lebt sie ständig in zwei gegensätzlichen Welten – in der Welt der Gehörlosen und der Welt der Hörenden. Sie gehört nirgendwo richtig dazu. Dieser Spagat zwischen den Welten wird immer stressiger, endet schließlich in einem seelischen Zusammenbruch. „Ich bin immer nur auf Barrieren gestoßen, bis ich mich dann schließlich für die Gehörlosencommunity entschieden habe.“
Denn dort wird sie nicht ständig über ihren fehlenden akustischen Sinn definiert. Zum ersten Mal fühlt sie sich als vollwertiger Mensch und sagt jetzt selbstbewusst: „Dazu bin ich nicht auf der Welt, nur damit ich perfekt sprechen kann.“
Und genau diese Botschaft kann sie aktuell auch als Schauspielerin umsetzen. Im ZDF-Spielfilm „Du sollst hören!“ geht es um die Frage, ob ein Leben als taube Person weniger wert ist als ein Leben mit Gehör. Im Film wie im echten Leben kämpft Anne darum, dass taube Menschen taub bleiben dürfen. Allen technischen Möglichkeiten zum Trotz.
Die „37“-Reportage hat Anne zwei Jahre begleitet und zeigt, wie sie ihre Identität als Taube gefunden und sich ihre Sicht auf das Thema „Gehör und Sprache“ im Lauf der Zeit verändert hat. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 20.09.2022 ZDF Guten Morgen Feierabend! Leben mit der Nachtschicht
Folge 1093 (30 Min.)Wenn andere den Grill anwerfen, ihre Joggingschuhe anziehen und ihren Abend genießen, beginnt für 3,7 Millionen Menschen in Deutschland die Nachtschicht.
Sie arbeiten dort, wo Arbeitskräfte dringend benötigt werden, im Bereich der Medizin, der Schwerindustrie oder der Lebensmittelbranche. Menschen, die regelmäßig gegen ihren Biorhythmus arbeiten, weniger Zeit für ihre Familien und Freunde haben.
Außerdem sind sie einem erhöhten Gesundheitsrisiko ausgesetzt: Schlafmangel, Bluthochdruck, Depressionen gehören dazu. Wissenschaftler vermuten immer wieder einen Zusammenhang zwischen Schichtarbeit und Krebserkrankungen.
Im Hamburger Hafen auf dem Fischgroßmarkt begleitet „37°“ Julian und sein achtköpfiges Team durch die Nacht. Julian ist seit zwei Jahren Geschäftsführer eines Familienunternehmens. Dort werden Nacht für Nacht mehrere Tonnen Fisch aus Skandinavien geordert, filetiert und an die Kunden im Großraum Hamburg verkauft. Sechs Tage die Woche arbeitet Julian jede Nacht zwölf Stunden. Kein Problem für den 24-Jährigen, fünf Stunden Schlaf würden ihm reichen.
Viel Zeit bleibt da nicht für private Kontakte. Daher ist Julian froh, dass er seine Freundin Lisa schon mit 15 kennengelernt hat, als die Nächte noch echte Nächte waren. Übernommen hat Julian den Betrieb von seiner Mutter Heidi. Sie lenkte 35 Jahre lang die Geschicke. Doch irgendwann wurden die Nachtschichten für sie körperlich so belastend, dass sie die Reißleine ziehen musste.
Carolin setzt bei ihren Nachtschichten im Stahlwerk in Eisenhüttenstadt auf die perfekte Organisation. Sie ist Mutter von zwei Söhnen und teilt sich mit ihrem Mann Normen das Familienmanagement. Während Carolin in Wechselschichten arbeitet, also Früh-, Spät- und Nachtschicht, ging Normen vor ein paar Jahren in den regulären Tagdienst. Die ständigen Nachtschichten hatten ihn mürbegemacht.
Die 33-jährige Carolin arbeitet weiter im Kaltwalzwerk als Schichtmeisterin und ist verantwortlich für rund 28 Kolleginnen und Kollegen. Berufs -und Privatleben lassen sich nur vereinbaren, wenn ein strikter Zeitplan eingehalten wird: gemeinsames Abendessen mit der Familie, Gutenachtgeschichte, 21:30 Uhr Schichtbeginn. Gegen 3:00 Uhr ist laut Carolin die „Stunde der toten Augen“. Da heißt es, durchhalten. Um 5:30 Uhr ist endlich Ablöse und ihr Schichtende, dann holt sie Brötchen bei der Tanke. Jungs wecken, Abschiedskuss von ihrem Mann und ab ins Bett.
Der 40-jährige Martin ist als Notfallsanitäter am Luftrettungsstützpunkt Senftenberg im Einsatz. Auch zu seinem Dienstplan gehören regelmäßig Nachtschichten. Wenn der Hubschrauber abhebt, geht es oft um Leben und Tod: Verkehrsunfälle, Herzinfarkte, Notverlegungen. Da schießt das Adrenalin in die Adern, und das vierköpfige Rettungsteam ist hellwach. Martin assistiert dem Rettungsarzt in der fliegenden Intensivstation und unterstützt die Piloten, die nachts zu zweit unterwegs sind und mit speziellen Nachtsichtgeräten fliegen. Nach dem Einsatz beginnt der Kampf gegen die Müdigkeit.
Mit eindrücklichen Aufnahmen aus den jeweiligen Lebenswelten begibt sich der Film auf die Spuren der Nachtarbeiterinnen und Nachtarbeiter und will wissen, wie sie die besonderen Herausforderungen bewältigen, ihren Alltag organisieren und ihre Sozialkontakte aufrechterhalten. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 27.09.2022 ZDF Mein Tanz, mein Battle – Mit Breakdance Geschichte schreiben
Folge 1094 (30 Min.)Joanna und Serhat teilen dieselbe Leidenschaft: Breakdance. 2024 feiert Breaken in Paris olympische Premiere. Eine Herausforderung für die Tänzer, wirklich alles zu geben.
Von der Straße auf die olympische Bühne: In New York wurde in den 1970ern mit Breakdance ein neuer Tanzstil geboren. Heute messen sich BBoys und BGirls in Battles, die von einer Jury bewertet werden. Tänzer und Crews treten dabei in mehreren Runden gegeneinander an.
„Fußball, Kickboxen – ich habe viel ausprobiert, doch nichts hat mich so geflasht wie das Breaken. Das ist etwas ganz Großes für mich, in das ich mein ganzes Herz und meine Energie stecken will!“ Serhat (25) ist bereits im Bundeskader. Er hat das Breaken schon mit sechs Jahren im Jugendzentrum im Münchner Kieferngarten für sich entdeckt. Seit 2008 ist Serhat Mitglied der „Sankofa Crew“. Die Tänzer sind unter anderem aus Kurdistan, Vietnam, Pakistan, Ghana, USA, Deutschland und Brasilien. Der Zusammenhalt ist wichtig. „Was uns besonders macht, wir haben keinen Chef. Wir sind zehn beste Freunde, die durch Breakdance eine Gemeinschaft gefunden haben.“
Frei leben und tanzen zu können ist, für ihn keine Selbstverständlichkeit. Serhat ist Uigure. Die Familie stammt aus dem Nordwesten Chinas, aus Xinjiang, und floh über Kasachstan nach Deutschland. Serhat ist in München geboren. Sein Vater wird politisch verfolgt, da er als Journalist über die Kultur und die Rechte der Uiguren schreibt. Serhat sagt, dass er seine Kraft und Entschlossenheit von seiner Mutter habe. Der Wunsch, ihre unterdrückte Kultur sichtbar zu machen, liegt Serhat am Herzen. Im deutschen Bundeskader für Olympia trainieren zu können, bedeutet ihm und der Familie viel.
Ein wichtiger Schritt für Serhat und Joanna ist die deutsche Meisterschaft 2022 in Dessau. Wenn Joanna (23) dort unter den besten vier Tänzerinnen ist, hat auch sie die Chance, in den Bundeskader zu kommen. Mit 17 wurde sie in der Crew „The Saxonz“ aufgenommen. Sie ist das einzige BGirl in der Tanzgruppe und trainiert im Landeskader Sachsen. „Die ‚Saxonz‘ sind meine zweite kleine Familie – es ist mir extrem viel wert, in der Gruppe zu sein!“
Joanna lebt mit ihrer Familie in Dresden. Ihr Freund Rossi, der eigentlich Felix heißt und auch bei den „Saxonz“ tanzt, hat seine Tochter Feenja mit in die Beziehung gebracht. So trägt Joanna schon früh die Verantwortung als Mutter, denn Feenjas leibliche Mutter ist gestorben. Gleichzeitig macht Joanna ihren Master in Psychologie. Als Kind bulgarischer Eltern weiß sie es zu schätzen, wie viel ihre Eltern in eine gute Ausbildung investiert haben, und will sie nicht enttäuschen. Jetzt steht Joanna vor der Herausforderung, ihre Zeit zwischen der Familie, dem Studium und ihrer Leidenschaft, dem Breakdance, aufzuteilen. Denn ihr Ziel ist es, bei der deutschen Meisterschaft in den Bundeskader zu kommen. „Ich habe ein bisschen Angst vor der eigenen Challenge, wie es mir mit dem Leistungsdruck gehen wird. Aber wenn nicht jetzt, wann dann?“
Respekt und Leidenschaft für Breakdance – „37°“ begleitet die beiden jungen Tänzer Joanna und Serhat auf ihrem Weg. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 11.10.2022 ZDF Jedes Wort ein Sieg – Mein Stottern hält mich nicht auf
Folge 1095 (30 Min.)Es gibt 800.000 Stotternde in Deutschland. Wie schaffen sie es, sich trotz Sprechblockaden nicht aufhalten zu lassen und ihren Gedanken Ausdruck zu verleihen?
Für Stotternde zählt jedes Wort. „37°“ begleitet eine Studentin, einen Rapper und eine Schülerin, deren Mutter ebenfalls stottert. Sie alle kämpfen mit ihren Sprechblockaden – und verlassen immer aufs Neue ihre Komfortzone, damit ihnen das Stottern keine Grenzen setzt.
Angelina stottert seit der fünften Klasse. Über die Jahre werden die Sprechblockaden immer schlimmer. In der Schule wird sie deshalb gemobbt und ausgegrenzt. Einige Lehrende trauen ihr nicht zu, dass sie das Abitur schafft. Die junge Frau gerät in eine Spirale aus Druck, mangelndem Selbstbewusstsein und zu hohen Erwartungen an sich selbst.
Doch mit der Unterstützung ihrer Mutter und ihrer Freunde wird Angelina jeden Tag ein kleines bisschen stärker. Sie lernt, ihr Stottern zu akzeptieren. „Es hat sich angefühlt, als ob das Stottern ein Käfig gewesen ist, der mich vom Leben abhält. Und es fühlt sich inzwischen so an, als ob ich aus dem Käfig ausbrechen konnte.“
Schon im Teenager-Alter beginnt sie, Texte und Gedichte zu schreiben, um so ihre Gefühle zu verarbeiten. Sie möchte Autorin werden. Bei einer Lesung überwindet Angelina ihre Ängste und kann ihr Talent unter Beweis stellen: Sie trägt einen emotionalen Brief an ihr jüngeres Ich vor.
Mit Worten jonglieren, texten, kreativ sein – all das gehört zu Artjoms Leben. Der 32-Jährige ist Musiker und will in der deutschen Rap-Szene Fuß fassen. Am Mikrofon kann er sein, was er will: cool, schlagfertig, ein echter Macher mit einer wachsenden Fangemeinde.
Doch wenn er spricht, stolpern die Worte, und die Fassade des lässigen Künstlers bröckelt. Während er sich anfangs noch nicht traute, auf einer Bühne zu performen, fühlt er sich nun selbstbewusst und frei. „Ich habe die längste Zeit meines Lebens Stottern als einen Fluch wahrgenommen. Und ich hatte recht. Es war genau das. Jetzt ist es für mich ein Geschenk. Ich habe dadurch viel über mich, die Menschen und das Leben gelernt.“
Musik ist derzeit noch sein Hobby, das er durch Immobiliengeschäfte und Network-Marketing finanziert. Sein großer Traum ist ein eigenes Album. Dafür hat Artjom in letzter Zeit immer mehr Songs geschrieben und zusammen mit Produzenten fertiggestellt. Er hofft, dass sein Ziel bald in greifbare Nähe rückt.
Auch die 14-jährige Sina stottert seit ihrer Kindheit. Damit ist sie in ihrer Familie nicht allein. Ihre Mutter Ilka stottert ebenfalls. Im Familienalltag spielen die Sprechblockaden keine große Rolle. Im Schulunterricht hingegen sieht das anders aus, zum Beispiel wenn Sina frei vor der Klasse sprechen muss. Je angespannter die Schülerin ist, desto schlimmer wird ihr Stottern.
Sina will sich davon nicht aufhalten lassen, doch das kostet sie Mühe. „Ich bin jetzt nicht wütend, dass ich stottere und der Rest nicht, weil ich einfach weiß, dass ich das ja nicht ändern kann. Es ist aber trotzdem schon so, dass ich so denke: ‚Warum muss ich da jetzt eigentlich mit leben?‘“
Wenn ihr manchmal alles zu viel wird, profitiert sie von den Erfahrungen ihrer Mutter: Ilka kennt viele Techniken, um ihr Stottern zu kontrollieren. Doch sie weiß, dass Sina trotz aller Hilfe ihren eigenen Weg finden muss, durchs Leben zu gehen. Sinas Traum ist es, später einmal Schauspielerin zu werden. Den ersten Schritt dazu hat sie gemacht: Sie hat eine kleine Rolle in einem Schul-Musical übernommen. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 18.10.2022 ZDF Kaltstart im Klassenzimmer – Quereinsteiger als Lehrer
Folge 1096 (30 Min.)An deutschen Schulen fehlen so viele Lehrkräfte, dass massiver Stundenausfall droht. Quereinsteiger-Lehrer sollen die Lücken schließen. Sie versuchen den Kaltstart im Klassenzimmer.
Die Eventmanagerin Sonja wagt den Quereinstieg an einer Grundschule in Berlin-Lichtenberg. Sie steht von Tag eins an allein vor der Klasse. Der Wissenschaftler Till muss sich auf Schüler einer Haupt- und Realschule einstellen. Wird er dort ohne Pädagogik klarkommen?
Mehr als 15.000 Stellen können an deutschen Schulen schon jetzt nicht besetzt werden. Tendenz stark steigend: Experten schätzen, dass es im Jahr 2025 bereits 30.000 sein werden.
Sonja (47) entscheidet sich nach zwei Jahrzehnten als selbstständige Eventmanagerin für den Quereinstieg als Lehrerin. Um ihre Chancen auf eine Einstellung zu erhöhen, setzt sie im Bewerbungsbogen das Kreuz bei Lichtenberg und wird prompt genommen, denn regulär ausgebildete Lehrkräfte wollen kaum in dem Berliner Problembezirk arbeiten.
Wenige Wochen später steht die alleinerziehende Mutter vor der Klasse und unterrichtet: „Ich weiß gar nicht, wie baue ich die Stunde auf, und hab keine Ahnung, ob das jetzt richtig ist, ob das funktioniert. Ich kann es jetzt einfach immer nur ausprobieren. Mehr bleibt mir nicht.“ Alles, was Sonja zu diesem Zeitpunkt an pädagogischem und didaktischem Wissen hat, weiß sie aus einem zehntägigen Crashkurs und aus dem Zusammenleben mit ihrem Sohn Lukas (6).
Kurz nach Schulstart übernimmt Sonja die Klassenleitung. Plötzlich muss sie sich zusätzlich zum Unterrichten auch noch mit den häuslichen Problemen der Kinder beschäftigen und sich um Mobbingfälle kümmern. Sie plagt immer öfter ein schlechtes Gewissen, weil ihr zu wenig Zeit für ihr eigenes Kind bleibt.
Der Historiker Till (35) ist vom Berliner Wissenschaftsbetrieb frustriert. Nachdem er seine Doktorarbeit unvollendet zu den Akten gelegt hat, wünscht er sich eine sinnvolle Arbeit, die ihm Sicherheit gibt und ein soziales Umfeld. Er hofft, dies als Lehrer in der niedersächsischen Provinz zu finden. Pädagogische Kenntnisse hat er nicht.
Der Lehrermangel ist deutschlandweit ungleich stark ausgeprägt. An einer abgelegenen Haupt- und Realschule ist er deutlich spürbar. Für Till bedeutet das eine große Chance. Der Euphorie der ersten Wochen folgt bald die Ernüchterung. „Nach diesem Anfänglichen: Das ist ganz interessant, da ist ein neuer Lehrer, ist jetzt ganz stark, dass die mich testen, und damit muss ich mich gerade viel auseinandersetzen. Das hat viel damit zu tun, dass ich manchmal nicht weiß, was ich machen soll. Also mir fehlt einfach die Werkzeugkiste des Lehrers und der Lehrerin.“
Till wird intensiv betreut. Seine Mentorin Katharina coacht ihn wöchentlich und versucht, aus einem verkopften Wissenschaftler einen Lehrer zu machen, der weniger redet, die Schülerinnen und Schüler erreicht und zum Lernen bringt.
„37°“ hat die beiden Quereinsteiger zwei Jahre lang begleitet. Der Film erzählt, wie sie ins kalte Wasser springen und dabei ziemlich hart in der Realität landen. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 25.10.2022 ZDF 333 Meter Hausflur – Leben in der „Langen Lene“
Folge 1097 (30 Min.)Wie lebt es sich in einem der längsten Neubaublocks Deutschlands? Die „Lange Lene“ in Leipzig misst 333 Meter, fünf Minuten braucht man im Flur von einem Ende zum anderen.
Das einstige Prestigeobjekt aus DDR-Tagen lockt heute mit günstigen Mieten. Wer hier wohnt, ist entweder alt oder hat wenig Geld. Wie sieht es heute aus – das Leben in Deutschlands längstem Plattenbau?
Auf zehn Stockwerken wohnen etwa 1300 Menschen, über die Hälfte sind Rentner. Zwei davon sind von Anfang an Margitta und Frank. Als sie vor über 50 Jahren eingezogen sind, war das Glücksfall und Privileg zugleich: „Für uns war die Wolke sieben hier“, erzählt die 74-jährige Margitta. Für die Linke aus Leidenschaft auch eine politische Frage, nicht im Einfamilienhaus zu leben. Mehrmals pro Woche gibt die Mathelehrerin in Rente vor allem jungen Frauen mit Migrationshintergrund Nachhilfeunterricht: „Ich freue mich, wenn ich den Frauen damit helfen kann, ihre Träume zu verwirklichen!“
Viele Träume hat auch der 20-jährige Paul, der noch bei seiner Mutter wohnt. Für ihn ist die „Lange Lene“ nicht unbedingt der place to be: „Ich fühle mich hier wie im Seniorenheim, so viele alte Leute.“ Er hat genaue Vorstellungen von seiner Zukunft, doch die Realität kommt ihm regelmäßig dazwischen. Auch die 28-jährige Kathi muss schauen, wo sie bleibt. Die Alleinerziehende arbeitet als Briefträgerin und muss im Alltag nicht nur viele Termine jonglieren, sondern auch genau auf das Geld achten: „Ich trage die Hauptverantwortung für mein Kind – auch finanziell. Das ist hart“, sagt sie. Oft rettet es sie, dass Mutter und Schwiegermutter nur ein paar Hundert Meter den Flur runter im selben Haus wohnen.
Ein Mann, den im Haus alle kennen, ist Hausmeister Andreas Hammer. Der ehemalige Bergmann betreut seit vierzehn Jahren das Objekt und hat den Wandel über die Jahre miterlebt: „Ich gebe mein Bestes, aber es gibt immer mehr zu tun.“ Was ihn wurmt: Vandalismus, Zigarettenkippen vor der Tür, und dass er manche Reparaturen nicht mehr selbst machen darf.
Deutschlands längster Plattenbau ist ein besonderes Haus, in dem sehr viele, sehr unterschiedliche Menschen leben. Jeder Bewohner mit seinem eigenen Blickwinkel, Erinnerungen und Erfahrungen. Aber ihre Wege kreuzen sich – zwangsläufig. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 01.11.2022 ZDF Helfen im Krisengebiet – Zwischen Grenzerfahrung und Nächstenliebe
Folge 1098 (30 Min.)Kein Lehrbuch der Welt bereitet sie vor auf das, was sie erwartet: Ärzte und Pflegekräfte, die aus der friedlichen Heimat in ein Krisengebiet reisen, um dort zu helfen, wo es am nötigsten ist.
Zwei Frauen brechen auf in eine von Kriegen gebeutelte Region im Sudan. In einem Krankenhaus ohne fließend Wasser versorgen sie die lokale Bevölkerung – von der Blinddarm-OP über Schusswunden bis zur Steißgeburt.
Anke (30) hat Medizin studiert und die letzten vier Jahre als Ärztin im Kinderklinikum Kaiserslautern gearbeitet, davon zwei Jahre auf der Kinderintensivstation. Sie empfindet den Lebensstil in Deutschland als privilegiert und will helfen, wo ihre Fähigkeiten am nötigsten gebraucht werden. Ein paar Rucksackreisen hat sie gemacht, aber in Afrika ist sie nie gewesen. Dazu kommt: Die politische Lage im Sudan spitzt sich zu. Doch die Sorgen darüber verdrängt sie lieber.
Mirja (50) arbeitet als Krankenschwester auf der Intensivstation im Klinikum Herfurth. Im Ausland zu arbeiten ist ein alter Traum, den sie sich jetzt erfüllen möchte – trotz der Bedenken ihres Partners und ihrer Tochter, die zu Hause bleiben. Im Krankenhaus im Sudan wird von ihr weit mehr erwartet als die Pflege der Patienten: Sie soll auch Diagnosen stellen und Medikamente verschreiben – was in Deutschland nur Ärzte tun dürfen. Sie assistiert einheimischen Operateuren, die keine medizinische Ausbildung besitzen – und das alles ohne fließend Wasser und mit begrenztem Strom. Mirja kommt an ihre Grenzen.
Zwei Frauen verschiedenen Alters in unterschiedlichen Lebenssituationen, aber mit einer Gemeinsamkeit: Sie wollen helfen, wo die Not am größten ist. Im Krankenhaus der deutschen Hilfsorganisation Cap Anamur in den abgelegenen Nuba-Bergen im Sudan helfen sie täglich Menschen, die ohne medizinische Versorgung sterben würden. Die Gegend ist seit 2011 immer wieder Schauplatz bewaffneter Auseinandersetzungen und Bombardements gewesen.
Der Film begleitet die Protagonistinnen vor ihrem Aufbruch in Deutschland, auf der langen Reise in den Sudan und zurück in die Heimat. Strapazen, Entbehrung und andauernde Gefahr – aber auch viele Menschenleben, die gerettet werden. „37°“ zeigt, wie sich durch diese Erfahrung der Blick der beiden Frauen auf Deutschland und die Welt verändert. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 08.11.2022 ZDF Singen fürs Leben – Im Chor gegen den Krebs
Folge 1099 (30 Min.)Ein Chor von Kranken, der das Leben preist und gegen Hoffnungslosigkeit ansingt. Eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig im Alltag stützt und so das angeschlagene Leben freudvoller macht. Als Andrea vor über zehn Jahren die Diagnose Eierstockkrebs bekam, saß der Schock tief. Anstatt sich in Verzweiflung zu verlieren, wurde die Lehrerin und Mutter zweier Söhne aktiv und gründete in Neumünster einen Chor: „Jetzt oder Nie!“ Das Erste, was bei den Proben auffällt, ist die Fröhlichkeit. Zwischen den Liedern ist immer Platz für herzhaftes Gelächter.
So hat Andrea Krull sich das wahrscheinlich vorgestellt. Als sie sich vor acht Jahren von einer schweren Eierstockkrebs-Operation erholte, beschloss sie, einen Chor zu gründen. Im Fernsehen hatte sie gesehen, das Singen glücklich machen soll. Was mit acht Mitsingenden begann, hat sich mittlerweile zu einem Chor von 70 Mitgliedern entwickelt. Neben den Menschen mit Krebs singen auch Angehörige, Ärzte und Pflegekräfte mit. Donnerstag, der Tag der Chorprobe, ist für viele Chormitglieder das Highlight der Woche.
Zusammen singen, zusammen lachen, zusammen weinen, ohne dass man schräg angeguckt wird – das verbindet. In Neumünster ist die Gruppe „Jetzt oder Nie!“ längst eine Institution. Günter ist seit fünf Jahren dabei. Er leidet an Blasenkrebs. Es gibt gute und schlechte Tage. Zu den Guten gehören die Abende mit seinen Chorfreunden. Auch außerhalb der Proben haben sich für ihn und seine Frau tiefe Freundschaften ergeben. Julja musste ihren Traum von einer Karriere als Profimusikerin aufgeben.
Im Chor fand sie eine neue Heimat. Ohne Leistungsdruck. Jede und jeder darf so sein, wie er oder sie ist. Als Jutta das erste Mal beim Chor war, wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt. Ihre Mutter war gerade verstorben, ihre eigene schwere Operation erst ein paar Wochen her. Doch sie fühlte sofort: Hier darf alles sein. Tränen sind kein Grund, sich zu schämen. Andrea, die das alles angezettelt hat, ist auch weit über den Chor hinaus aktiv. Sie hat die erste Eierstockkrebs-Selbsthilfegruppe Norddeutschlands gegründet und leitet den Verein Eierstockkrebs e. V..
Für ihr Engagement ist sie vielfach ausgezeichnet worden. Die Singfreunde unterstützen sich, wo sie können. Geht es jemandem nicht gut, lassen sie sich eine Freude einfallen oder unterstützen die Familie. Mit selbst gekochten Essen zum Beispiel oder dem jährlichen Heckenschnitt. Wenn ein Chormitglied verstirbt, bekommt es – auf Wunsch – am Grab ein letztes Ständchen. „37°“ begleitet fast zwei Jahr lang die Sängerinnen und Sänger dieses ganz besonderen Chors. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Di. 29.11.2022 ZDF
zurückweiter
Füge 37 Grad kostenlos zu deinen Serien hinzu und verpasse keine Neuigkeit mehr.
Alle Neuigkeiten zu 37 Grad und weiteren Serien deiner Liste findest du in deinem persönlichen Feed.