„RESET – Wie weit willst du gehen?“ überrascht mit Sci-Fi in Familiendrama – Review

Katja Riemann und Hannah Schiller glänzen in ZDF-Miniserie

Stefan Genrich
Rezension von Stefan Genrich – 10.03.2024, 10:30 Uhr

Flo (Katja Riemann, r.) will ihre Tochter Luna (Hannah Schiller) im Leben halten – und drückt deshalb „RESET“. – Bild: ZDF / Tina Krohn
Flo (Katja Riemann, r.) will ihre Tochter Luna (Hannah Schiller) im Leben halten – und drückt deshalb „RESET“.

Science-Fiction spielt oft mit Angst. Thriller sollen Spannung aufbauen. In unzähligen Dramaserien kämpfen die Figuren mit Entscheidungen und Gefühlen. „RESET – Wie weit willst du gehen?“ balanciert zwischen diesen Genres. Die sechsteilige Miniserie dreht sich um Hoffnung, Liebe, Reue und Verzweiflung. Dabei überrascht Katja Riemann in der Hauptrolle als Floriane Bohringer, genannt Flo: Mittels Zeitreisen versucht die TV-Moderatorin, den Selbstmord ihrer Tochter Luna (Hannah Schiller) rückgängig zu machen. Die phantastische Situation leitet das TV-Publikum durch die Untiefen der psychischen Gesundheit. Das ZDF zeigt jeweils eine Doppelfolge um 20:15 Uhr – am Montag, dem 11. März, und in derselben Woche am Mittwoch und am Donnerstag. Alle Episoden stehen schon seit dem 7. März in der ZDFmediathek zum Streaming bereit.

„Warum hat sie das getan? Ich muss das wissen!“

Hoppla, jetzt komm ich! Flo mangelt es nicht an Selbstbewusstsein. Doch sogar manche Stinkstiefel unter den Männern verzeihen Flo, dass sie Emanzipation und Toleranz vorantreibt. Ihre feministische Morgensendung begeistert die Leute. Der wesentlich jüngere Lover und Mitarbeiter Milan Rakas (Dejan Bućin) ist ihrem Charme verfallen. Obwohl Ex-Mann Jens Koska (Thomas Loibl) längst mit Kathi Eberle (Annika Kuhl) zusammenlebt, steckt Vorgängerin Flo in seinem Kopf und in seinem Herz. Die Journalistin fördert nebenbei ein Auffangzentrum für wohnungslose Frauen. Sie greift ein, als Luna dummes Zeug anstellt: Mama verdonnert ihre Tochter zu einem Praktikum in der Show. Die Kontrolle versagt: Luna nimmt sich das Leben. Ich verstehe es nicht, reagiert Flo: Warum hat sie das getan? Ich muss das wissen!

Flo bezahlt teure Zeitreise

Nachforschungen stellen die gequälte Seele wenig zufrieden. Ein Fan behauptet:Es gibt eine Möglichkeit, sie zu retten, ihre Tochter. Flo soll eine Zeitreise buchen. Erst nach einem Beweis für die verrückte Geschichte greift sie zum Telefon und landet bei einem automatisierten Anrufdienst der Firma Plan B: Bitte halten Sie Ihre Kreditkartennummer bereit, und bitte wählen sie das gewünschte Jahr Ihrer Ankunft. Dann heißt es:Nennen Sie bitte den Grund Ihrer Reise. Die gestammelte Antwort wird nicht akzeptiert. Die verzweifelte Mutter formuliert ein klares Ziel: Ich muss den Tod meiner Tochter verhindern. Gegen Zahlung von rund 10.000 € klingeln zwei Kerle an der Tür und verschleppen die Kundin. Flo erwacht zu Hause und begegnet glücklich ihren verwirrten Kindern Luna und Carlo.

Durch Tanz scheint Luna (Hannah Schiller) einen neuen Weg zu finden – zu welchem Preis? ZDF /​ Tina Krohn

Katja Riemann poliert Erfahrungen auf Hochglanz

Meist verspricht der Name Katja Riemann leichte Unterhaltung wie in den Kinofilmen „Fack ju Göhte“ und „Vier zauberhafte Schwestern“. Leider hat sie ihr Talent in der Schmonzette „Unsere wunderbaren Jahre“ verschwendet. In „Der Überfall“ hat die gefragte Schauspielerin hingegen an frühe Leistungen etwa in „Sommer in Lesmona“ angeknüpft. In „RESET“ poliert sie solche Erfahrungen auf Hochglanz: Katja Riemann verschmilzt mit ihrer Rolle als Flo.

Sie trägt an den richtigen Stellen dick auf und reduziert ihren Ausdruck in den betäubenden Momenten der Verzweiflung. Somit ist der Widerspruch zwischen Selbstverwirklichung und Fürsorge zu begreifen. Flo maßregelt Lunas Vater: Jens, du warst doch völlig überfordert. Sie fährt fort: Und immer, wenn es schwierig wurde, dann war ich zuständig. Um Missverständnisse zu vermeiden: Flo keift keinesfalls, sondern bricht beinahe unter der Last zusammen, die sie auf ihre Schultern geladen hat.

Flo (Katja Riemann, r.) leidet an eigenen Konflikten mit der Mutter – trotzdem will sie Heidrun (Christine Schorn) pflegen. ZDF /​ Tina Krohn

Teenagerin fühlt sich wertlos

Katja Riemann wechselwirkt mit ihrer jungen Kollegin Hannah Schiller so glaubwürdig, als ob sie deren Ausraster in der Realität ertragen müsste. Ohnehin erschrecken die Wutanfälle und Angstattacken der Teenagerin: Wenn er mich jetzt nicht zurücknimmt, habe ich gar nichts, weint sie ihrem gewalttätigen Freund hinterher. Sie folgt der Idee, dass sie nichts könne und nichts wert sei. Schockiert über dieses Verhalten fällt Flo nur eine weitere Zeitreise ein. Dabei übergeht sie Nachteile für ihren Sohn Carlo. Paul Ahrens zeigt geschickt, wie seine Figur an der gefährlichen Ruhe erstickt:Mama, es gibt immer irgendwas, das wichtiger als ich ist. Wenn die Depression bei Luna wieder durchbricht, vergisst Flo solche Vorwürfe.

In ihrem alten Leben wickelt Flo (Katja Riemann) den Politiker Tom Borutzky (Nico Holonics) um den Finger. ZDF /​ Tina Krohn

Familiäre Konflikte mit einer Prise Mystery überzeugen

Das futuristische Element dient lediglich als Aufhänger. Überzeugen deshalb die familiären Konflikte eher als in „Constellation“ und „Das Signal“ (fernsehserien.de berichtete)? Ohnehin verschwindet Mystery in „RESET“ bis auf kleine Reste. Das Drama zeigt Einfühlungsvermögen in die Gefühlswelt einer depressiven Jugendlichen. Angesichts der darstellerischen Power erscheint es etwas unglaubwürdig, dass Flo die Eigenheiten ihrer Tochter erst nach so vielen Jahren erkennt. Indes zerren hervorragende Dialoge an den Nerven – ohne die üblichen Übertreibungen oder falsches Pathos. Den Drehbuchautorinnen Ingrid Kaltenegger und Mika Kallwass („Stromberg“) gelingt es sogar, den schweren Stoff durch heitere Momente zu bereichern.

Flo (Katja Riemann) genießt hemmungslos die Affäre mit ihrem Kollegen Milan Rakas (Dejan Bućin). ZDF /​ Tina Krohn

Erwachsene in jungen Jahren sehen alt aus

Erstaunlicherweise fehlt fast jeder Kitsch, obwohl das Thema zur Gefühlsduselei einlädt. In wenigen Szenen stört Pop-Gedudel. Sonst unterstützt der Soundtrack die Stimmung. In der Inszenierung sehen die Erwachsenen in ihrer Vergangenheit unzeitgemäß alt aus. Vielleicht steckt Absicht hinter dieser Sparsamkeit in der Tricktechnik. Verweise auf Umbrüche seit damals nähren diesen Verdacht. Ironie liegt in der Luft.

„Plan B“ dient als Vorbild

Ein Erfolg könnte das ZDF verleiten, Nachschub mit anderen Charakteren zu liefern. Zum Beispiel in Kanada gelingt so etwas bei der Vorlage „Plan B“. Daraus ist in Deutschland „RESET – Wie weit willst du gehen?“ entstanden. Auf den sperrigen Titel hätte man verzichten können. Zunächst wäre ein ähnlich bewegender Inhalt zu entwickeln. Außerdem wäre die nächste Staffel auf überzeugende Darstellerinnen und Darsteller wie Katja Riemann und Hannah Schiller angewiesen. Na, dieses Problem lässt sich wohl bewältigen!

Dieser Text beruht auf der Sichtung von drei der sechs Folgen „RESET – Wie weit willst du gehen?“.

Meine Wertung: 4/​5

Seit dem 7. Februar können Zuschauerinnen und Zuschauer die gesamte Miniserie „RESET – Wie weit willst du gehen?“ in der ZDFmediathek streamen. Zudem laufen die Episoden „Sturmtief“ und „Überleben“ im ZDF am Montag, den 11. März um 20:15 Uhr. Am Mittwoch, den 13. März zeigt der Sender zur gleichen Zeit die beiden Fortsetzungen „Konkurrenz“ und „Kein Morgen“. Einen Tag später ist der Abschluss zu sehen – ebenfalls um 20:15 Uhr heißt es „Das Leben neu schreiben“ und anschließend „Mama“.

Hinweis: Psychische Erkrankungen und Suizidgedanken können jeden treffen. Wenn du selbst oder jemand in deinem Umfeld von Suizidgedanken betroffen ist, scheue dich nicht davor, Hilfe zu suchen!

Du erhältst kostenlos und anonym Hilfe von erfahrenen Beratern bei der Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0 800–111 0 111 oder 0 800–111 0 222. Weitere Hilfsangebote bietet auch die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention.

Darüber hinaus kannst du dir bei deinem Hausarzt des Vertrauens Rat holen. Er kann dir helfen, geeignete Psychiater und Psychotherapieplätze zu finden.

Über den Autor

Seit 2016 hat Stefan Genrich Websites entwickelt und an einer Hochschule unterrichtet. Vor einer siebenjährigen Pause bei fernsehserien.de würdigte er das weihnachtliche TV-Programm im United Kingdom: Sein Herz schlägt für britisches Fernsehen. Daher verfolgt er jeden Cliffhanger von „Doctor Who“. Der Journalist kritisiert nebenberuflich Serien. Ihn ärgern Mängel bei ARD und ZDF – oder er genießt „Tagesthemen“ sowie „Nord bei Nordwest“. Frühe Begegnungen mit „Disco“ und „Raumschiff Enterprise“ haben Spuren hinterlassen. Später scheiterte Stefan beim Versuch, die Frisur von „MacGyver“ zu kopieren. Wegen „Star Trek: Strange New Worlds“ und „1923“ mag er Paramount+.

Lieblingsserien: Frasier, Raumpatrouille, Star Trek – Deep Space Nine

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Ich liebe Katja Riemann seit sie dem schmierigen Typen auf dem roten Sofa mal richtig Zunder gegeben hat!
    • am

      Ohje, schon die Handlung hört sich ziemlich Schlecht an, ganz so was man von einer deutschen Sci-Fi-Serie erwartet. Viel Drama, verpackt in einer Story die, woher auch immer geholt hat, um vielleicht mal ein brisantes Thema anzufassen. Sorry, ZDF, aber damit reizt ihr keine Bäume aus. Wenn ihr reales Drama zeigen wollt und ein immer aktuelles Thema anpacken wollt, nehm euch ein Beispiel an Netflix. Die brauchten bei ihren Mega-Hit keinen Sci-Fi-Einfluss und zeigte ein Drama, was jeden klar vor Augen geführt hat, wwas passiert, wenn man keinen Ausweg mehr findet. Und auch jetzt bin ich noch dafür, dass die Serie bei Netflix eigentlich Bestandteil eines Schulfaches werden sollte. Mit "Tote Mädchen lügen nicht" hat Neflix gezeigt, wie ein Drama auszusehen hat!
      • (geb. 1967) am

        Wieso, haste "RESET" schon gesehen??
      • am

        Vielleicht würde ich es mal schauen, bevor ich etwas vorverurteile.

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