„Killing Eve“: Sandra Oh gegen die stylische Killerin – Review

Nur die Protagonistinnen überzeugen in cool inszenierter Thriller-Dramedy

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 23.04.2018, 17:30 Uhr

Absehbar: Zwischen Auftragsmörderin Vilanelle (Jodie Comer, l.) und Agentin Eve Polastri (Sandra Oh) wird es handgreiflich werden – Bild: BBC America
Absehbar: Zwischen Auftragsmörderin Vilanelle (Jodie Comer, l.) und Agentin Eve Polastri (Sandra Oh) wird es handgreiflich werden

Ja, so stellt man sich gemeinhin das Leben als Auftragskillerin vor: schöne Altbauwohnung in Paris, aber eh nur selten daheim, weil einen die Missionen ständig in irgendwelche anderen aufregenden Metropolen führen. Mit den üppigen Honoraren kann man sich dann noch einen recht luxuriösen Lifestyle leisten, inklusive schöner Kleider und teurer Designer-Bettwäsche. Wenn man Bock auf Sex hat, verführt man einfach mal schnell den neuen spanischen Nachbarn – nur dumm, wenn der dann so unvorsichtig ist, an dem Parfumflakon zu riechen, den man gerade noch benutzt hat, um eine Zielperson um die Ecke zu bringen. Die junge Frau, die dieses ungewöhnliche Alltagsleben führt, nennt sich nur Villanelle und wird in der Serie „Killing Eve“ gespielt von der 25-jährigen Britin Jodie Comer.

Viel normaler fällt dagegen der Alltag der zweiten Hauptfigur aus, und das, obwohl die beim britischen Geheimdienst MI5 arbeitet. Allerdings hat Eve Polastri (Ex–„Grey’s Anatomy“-Star Sandra Oh) dort einen langweiligen Schreibtischjob als Assistentin des Beamten Bill Pargrave (David Haig), der ebenfalls nur im Büro sitzt.

Eves Ehrgeiz lässt sie aber von einer Karriere als Spionin träumen. Diesem Traum kommt sie näher, als sie nach dem Mordanschlag auf einen russischen Geschäftsmann ohne Auftrag von ihren Vorgesetzten eigene Ermittlungen anstellt. Schnell ist sie überzeugt, dass es sich beim Täter um eine Frau handeln muss. Beim Versuch, die einzige überlebende Zeugin des Anschlags in einem Londoner Krankenhaus zu befragen, entkommt Eve nur knapp dem Tod: Denn um die unliebsame Zeugin zu beseitigen, bringt die eiskalte Killerin auch gleich noch alle anderen Anwesenden auf der Station um. Die Agentin überlebt lediglich, weil sie gerade auf der Toilette ist – wo sie kurz zuvor am Waschbecken auch Villanelle begegnet, ohne zu ahnen, dass sie mit der Mörderin spricht. Nun ist die Motivation gestiftet für den Wettstreit zwischen den beiden ungleichen Frauen, von dem man ahnt, dass er nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt sportlich bleiben kann – der Serientitel deutet es an.

Eve (Sandrah Oh, l.) und Kollegen, die so in jedem Büro sitzen könnten: „IT-Experte“ Kenny (Sean Delaney), die vorlaute Sekretärin Elena (Kirby Howell-Baptiste) und der bürokratisch denkende Bill (David Haig)

„Killing Eve“ ist die neue Thriller-Dramaserie des Kabelsenders BBC America, von der bereits vor Serienstart eine zweite Staffel bestellt wurde. Hinter der Serie steckt Phoebe Waller-Bridge, auf deren Konto schon die BBC Three-Comedyserie „Fleabag“ geht, in der sie auch selbst die Hauptrolle spielt. Auch sonst ist die Britin eher als Darstellerin bekannt, so war sie unter anderem in „Broadchurch“ zu sehen und ist im neuen Star Wars-Film „Solo“ dabei. Nun hat sie sich also zum ersten Mal als Autorin einer Dramaserie versucht (nach einer Romanreihe von Luke Jennings), kann dabei aber ihre Liebe zur Komödie nie ganz ablegen. Es ist schon sehr witzig, wie die Auftragskillerin komplett empathielos durchs Leben geht – nicht nur, wenn sie ihrer Arbeit nachgeht, sondern auch in ganz alltäglichen Situationen. So beobachtet sie etwa gleich in der Auftaktsequenz in einem Wiener Eiscafé ein kleines Mädchen, das zunächst nicht auf ihren ungeschickten Versuch, mittels Augenkontakt und Lächeln Kontakt aufzunehmen, reagiert. Beim Verlassen des Cafés „rächt“ sich Villanelle, indem sie dem Kind dessen Eisbecher über die Kleidung kippt.

Gibt sich stets verspielt exzentrisch: Villanelle (Jodie Comer)

Bevor sie in der Toskana ihr nächstes Opfer erledigt, fragt sie den gealterten Mafiaboss noch, wo er die schönen Bettdecken in seinem Schlafzimmer her habe. Nachdem sie ihn auf brutalste Weise mit einer vergifteten Haarnadel ermordet hat, notiert sie sich noch schnell den Namen des Designers auf ihrer Hand. Es ist dieser bitterböse trockene (und oft wortlose) Humor, der „Killing Eve“ auszeichnet, den man allerdings mögen muss. Die Mischung aus brutalen Mordmethoden und emotionsloser (Nicht-)Reaktion der Killerin stößt jedoch wahrscheinlich nicht nur dem Kritiker unangenehm auf. Sie folgt dem unsympathischen Trend der vergangenen Jahre, Gewalt immer „cooler“ und gleichzeitig expliziter zu inszenieren.

Sticht unter den Nebendarstellern hervor: Kim Bodnia

Es ist aber etwas anderes, woran die beiden Auftaktepisoden in erster Linie kranken. Trotz aller Versuche, das Geschehen cool, stylish und originell in Szene zu setzen – was natürlich auch die Auswahl von Songs umfasst, die die blutigen Taten pfiffig-ironisch kommentieren -, bleibt die Handlung selbst doch reichlich konventionell. Dass Möchtegernspionin Eve nach anfänglichem Widerstand ihrer Vorgesetzten doch noch die Chance bekommen wird zu zeigen, was in ihr steckt, ist ebenso meilenweit vorhersehbar wie das baldige Ableben des sympathisch-naiven und etwas zu aufdringlichen Liebhabers. Und an der Figurenkonstellation der beiden ungleichen Gegnerinnen auf entgegengesetzten Seiten des Gesetzes ist nur originell, dass es sich diesmal eben um zwei Frauen handelt. Die Identifikation fällt dabei nicht nur mit der gefühlskalten Villanelle schwer, sondern auch mit der ziemlich anstrengenden Eve, die dauernd quasselt und etwas zu sehr auf unkonventionelle Ermittlerin getrimmt ist. Zumindest können die beiden Hauptdarstellerinnen überzeugen. Die Nebendarsteller bleiben hingegen farblos, vielleicht mit Ausnahme des Dänen Kim Bodnia (aus den ersten beiden Staffeln von Die Brücke). Der spielt Villanelles Auftragsvermittler und damit eine ganz ähnliche Rolle wie in der israelischen Serie „Die Geiseln“, in der er noch selbst als bezahlter Killer zur Waffe griff.Vom Tonfall her erinnert „Killing Eve“ mit ihrem Mix aus britischer Skurrilität und internationalem Anspruch an andere Serien von BBC America wie „Orphan Black“, ohne jedoch dessen Sogwirkung zu entfalten. Als amüsante Unterhaltungsserie für zwischendurch funktioniert sie sicherlich, es ist aber fraglich, ob das reicht, um auf Dauer zu tragen.
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie „Killing Eve“.

Meine Wertung: 3/​5

Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: BBC America

Die achtteilige Auftaktstaffel von „Killing Eve“ wird seit Anfang April in den USA beim Sender BBC America ausgestrahlt, die Serie wurde bereits vor Ausstrahlungsbeginn um eine zweite Staffel verlängert. Eine deutsche Heimat für die Serie ist noch nicht bekannt geworden.

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1967) am

    Joar, @Fernsehzuschauer: ich glaube, die Kollegen von SJ kennen bzw.. können entweder NUR total negative oder total positive Kritiken, ein Dazwischen scheint's für die leider nicht zu geben!!

    Ich verstehe den Wind um diese Serie null!! Ich bin jetzt mittendrin bei Folge 1 und habe schon keinen Bock mehr drauf, da ich Krimi - Serien mit zuviel Komödien Anteil null leiden kann!!
    • am

      Ich glaub ihr schreibt immer die wahren Kritiken(mit ein paar Ausnahmen). Nicht so wie eure Kollegen von SJ
      • (geb. 1967) am

        Boah ey, ist das komisch, Sandra Oh nicht im Arzt - Kittel zu Sehen.


        Seit Sie ausgestiegen ist bei "Grey", Sehe ich die Serie nicht mehr, da es für mich keinen Sinn mehr macht.

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