„Der Irland-Krimi“ alias „Der Nosbusch-Krimi“: Generikum für die Hausapotheke – Review

Désirée Nosbusch jagt in Irland die Schatten ihrer Vergangenheit

Gregor Löcher
Rezension von Gregor Löcher – 24.10.2019, 08:00 Uhr

Désirée Nosbusch als Psychologin Cathrin Blake in „Der Irland-Krimi: Die Toten von Glenmore Abbey“ – Bild: ARD Degeto/Sammy Hart
Désirée Nosbusch als Psychologin Cathrin Blake in „Der Irland-Krimi: Die Toten von Glenmore Abbey“

Fast genauso lange wie das Internet selbst gibt es SEO – search engine optimization. Anbieter von Internetinhalten versuchen herauszufinden, was die anvisierte Zielgruppe will und sucht, und statten ihr Angebot mit treffenden Keywords aus, um möglichst auffindbar zu sein. Wer seine Zweifel hatte, ob die Öffentlich-Rechtlichen bei der Umsetzung ihres Programmauftrags – die Leistung eines Beitrag zur individuellen und öffentlichen Meinungsbildung – solchen Bedingungen folgen, der gebe – zumindest zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels – das Stichworts „Krimi“ in einer bekannten Suchmaschine ein, und erhalte als Top-Treffer zwei Links zur ARD Mediathek. Und lasse sich anschließend die Betitelung der neuesten Kriminalreihe ebenjener Sendeanstalt auf der Zunge zergehen: „Der Irland-Krimi“. Eine höhere Trefferrelenvanz hätte lediglich der Titel „Der Krimi“ erzielt, aber das ist vielleicht schon in der Mache. In der Zwischenzeit dürfen sich die Zuschauer mit dem Ort Galway in Irland vertraut machen – Schauplatz von „Der Irland-Krimi“. Ob die neue Reihe inhaltlich so generisch ist wie ihr Titel?

Die Prämisse klingt zunächst nicht unspannend – der Fund mehrerer in einem Kloster verscharrter Leichen – nur eine davon eines Erwachsenen – reißt leidig verheilte Wunden der Psychologin Cathrin Blake (Désirée Nosbusch) wieder auf, deren Mann Liam (Barry O’Connor) vor Jahren spurlos verschwand, weshalb sie mit dem gemeinsamen Sohn Paul (Rafael Gareisen) fortan auf sich allein gestellt war. Cathrin ist sich sofort sicher, dass es sich bei dem Toten um ebenjenen Liam handelt – wobei diese Sicherheit zumindest anfangs eher auf Wunschdenken zurückzuführen ist, denn auf die objektive Beweislage. Liams Verschwinden hat Cathrin damals als seelisches Wrack zurückgelassen, alkoholkrank und depressiv. Dass sie eine stadtbekannte Trinkerin war, wird ihr vor Augen geführt, als ein Patient während der Therapiesitzung den Spieß umdreht und sie auf ihre Alkoholvergangenheit anspricht, als sie ihm seine Probleme zu entlocken versucht.

Der Zuschauer weiß allerdings von Anfang an mehr als Cathrin – direkt in der Anfangssequenz, einer Rückblende, wird er Zeuge, wie Liam von einer unerkannt bleibenden Person gefangengehalten wird. Es wird schnell ersichtlich, dass es auf eine Art Whodunit hinauslaufen wird: wer war für Liams Verschwinden – und mutmaßlich dessen Tod – verantwortlich? Mögliche Verdächtige gibt es gar nicht allzu viele. Zum einen die Mitarbeiter der örtlichen Polizeistation: Liams alten Vorgesetzten Sean Kelly (Declan Conlon) und seinen früheren Partner Callum O’Connor (Vincent Walsh); und die frisch gebackene Polizistin Emma Walsh (Mercedes Müller), die wegen ihres jungen Alters als Tatverdächtige für den 10 Jahre zurückliegenden Fall ausscheidet. Ein weiterer Schauplatz der Handlung ist das Kloster im Ort, welches einerseits die strenge Mutter Oberin Anna (Tatja Seibt) beherbergt, und andererseits die weitaus weniger kaltschnäuzige Nonne Elisabeth (Joanne Brennan), die mit der Vergangenheit ihrer Arbeitsstätte hadert. Das Kloster war nämlich vor Jahren in einen Skandal verwickelt, bei dem „gefallene Mädchen“, die jung und unverheiratet schwanger geworden waren, in einer Art „Arbeitslager“ schuften mussten, um für ihren unfrommen Lebenswandel Buße zu tun. Nach der Geburt wurden ihnen die Kinder weggenommen, deren Schicksal weitgehend unklar blieb – bis zum Fund der Kinderleichen in der Jetzt-Zeit.

Die deutschstämmige Psychologin Cathrin Blake hat sich sich auf Kriminalpsychologie spezialisiert und arbeitet auch in Gruppentherapien.ARD Degeto

Cathrin, selbst ehemals bei der Polizei beschäftigt, ist immer noch verbittert darüber, dass die Polizei Liams Verschwinden nicht aufgeklärt hat. Deshalb nimmt sie nun selbst die Ermittlungen auf – sie entwendet ein Beweisstück vom Tatort, durch welches sie eine Verbindung zwischen Liams Verschwinden und dem berüchtigten Kloster herstellt, wo sie auf ihre Fragen aber zunächst nur einsilbige Antworten erhält. Nebenher steckt sie ihre Nase aber auch in die laufenden Ermittlungen zum Thema Drogenhandel: Ein Informant verrät der Polizei, dass am Hafen weitaus mehr als nur Fisch verarbeitet wird. Die nachfolgende Razzia gerät allerdings zur Farce – was nur bedeuten kann, dass die Drogendealer vorgewarnt wurden, aus den eigenen Reihen der Polizei. Etwa von derselben Person, die auch Liam auf dem Gewissen hat? Zunehmend legt die Geschichte nahe, dass die Handlungsstränge des Klosters und des Drogenhandels in Zusammenhang stehen, und somit auch mit Liams Schicksal zu tun haben. Wurde doch auch dessen Polizeiakte von jemandem innerhalb der Behörde nachträglich bereinigt, um unkenntlich zu machen, woran er zuletzt gearbeitet hat. Cathrin setzt alles daran, endlich Licht ins Dunkel zu bringen.

Der Gesamteindruck von „Der Irland-Krimi“ liegt irgendwo zwischen gequält und müde. Die Geschichte ist ganz überwiegend auf Cathrin als Hauptcharakter bzw. Désirée Nosbusch als Hauptdarstellerin zugeschnitten. Die weiteren Charaktere bleiben weitgehend blass. Aber obgleich die Gründe für Cathrins Verbitterung dem Zuschauer unmissverständlich erklärt werden, wirkt ihr Verhalten teils over the top und wenig nuanciert. Wertvolle Pokale sollte man lieber von ihr fernhalten, sonst landen sie auf dem Boden. Laut Vorgeschichte wurde Cathrin nach dem Verschwinden ihres Mannes Alkoholikerin und wäre daran fast zerbrochen – sodass sie damals auch Sohnemann Paul zu seinen Großeltern nach Deutschland geben musste. Dass sie nach dem Fund der Leichen allerdings ohne großes Zögern in eine Kneipe geht und sich betrinkt, bleibt folgenlos – nach diesem Vorfall scheint sie nicht versucht zu sein, erneut Zuflucht im Alkohol zu suchen.

Cathrin hat den Polizeidienst quittiert und arbeitet nun als Therapeutin.ARD Degeto
Sehr schön: Irland.ARD Degeto
Nochmal schön: Irland.ARD Degeto
Und Cathrins Sohn Paul.ARD Degeto
So wird man Informanten los: Man legt sie leblos auf dem Zebrastreifen ab.ARD Degeto
Miss Frau Undercover: Cathrin macht für Recherchen auf obdachlos.ARD Degeto
Äbtissin Anna hat ein Geheimnis.ARD Degeto
Auch Callum hat ein Geheimnis.ARD Degeto
Das Lachen wird Nonne Elisabeth leider bald vergehen …ARD Degeto
Spannung in der Luft: Cathrin und Liams alter Vorgesetzter Kelly sind nicht die besten Freunde.ARD Degeto
Flashback 2009: Liam sitzt in der Falle.ARD Degeto
Knochenfund im Kloster.ARD Degeto
Cathrin trinkt zu viel.ARD Degeto
Cathrin wirft einen Pokal.ARD Degeto
Die vier Mütter wollen Klarheit über das Schicksal ihrer Kinder.ARD Degeto

Serienfans werden beim Namen Désirée Nosbusch natürlich hellhörig, gilt „Bad Banks“ doch – zurecht – als einer der deutschen Serienlichtblicke der jüngeren Zeit. Im „Irland-Krimi“ holt sie wahrscheinlich das möglichste aus ihrer Rolle heraus – ein abgerundeter Charakter vermag Cathrin allerdings nicht zu werden. Zu schnell muss die Handlung voranschreiten, damit der Fall am Ende der anderthalb Stunden aufgeklärt ist – der zweite der beiden angekündigten Teile handelt von einem ganz anderen Sachverhalt. Und so bleibt die Charakterentwicklung bei Cathrin und den anderen arg an der Oberfläche, wenn man es mit anderen Krimidramen wie „Broadchurch“ vergleicht. Lediglich eine der letzten Szenen, die einen kleinen Einblick in das Leben eines der anderen Charaktere gewährt, lässt überhaupt erahnen, dass es mit der Geschichte dieser Figuren über das Finale des ersten Teils hinaus weitergehen soll. Eine der wenigen rührenden Szenen zeigt die vier Mütter der verstorbenen Kinder, die nach einer irischen Tradition deren Habseligkeiten verbrennen, um einen Abschluss zu finden.

Die üblichen Fragen deutscher Produktionen im Ausland stellen sich auch hier: Alle Mitwirkenden sprechen Deutsch, obwohl der Schauplatz Irland ist – geschenkt, das ist bei Synchronfassungen auch nicht anders. Anreden wie „Mom“ und „Ladies“, sowie natürlich alle Eigennamen, sind dann doch Englisch – auch daran ist man gewohnt. Die beiläufige Erwähnung, dass Cathrins Eltern in Deutschland wohnen, ist dann eher verwirrend – hat Cathrin doch deutsche Wurzeln? Bei den Dreharbeiten sprachen deutsche Schauspieler Deutsch und britische Schauspieler Englisch, auch miteinander; letztere werden natürlich synchronisiert, erstere wahrscheinlich auch nachsynchronisiert – eine Praxis, die auch bei komplett deutschsprachigen Produktionen gängig ist, weil für die Ohren deutscher Zuschauer Synchronfassungen gewohnter klingen als der Originalton – auch wenn dadurch Dialoge gegebenenfalls hölzerner klingen, als dies unsynchronisiert der Fall wäre.

Die Ereignisse überschlagen sich und Cathrin Blake muss ein wenig zur Ruhe kommen. Der Baarkeeper Cormac Jameson hat immer ein offenes Ohr.ARD Degeto/​Züli Aladag

Das look and feel des „Irland-Krimis“ erinnern an skandinavische Krimis – blaustichtige Farbtöne, gerade im Vorspann, sowie eine Titelmelodie, die in ihrer Traurigkeit im Kontrast zum visuellen Eindruck steht – „Die Brücke“ lässt grüßen. Der Trend, dass man inzwischen selbst mit der Selfie-Kamera seines Telefons Tiefenschärfe-Effekte künstlich hinzufügen kann, indem man nach Belieben unwichtige Bildbereiche verschwimmen lässt, hat indes auch vor Fernsehproduktionen nicht halt gemacht; allzu oft wird der Fokus – wortwörtlich – auf zentrale Bildelemente gelegt, während alles drumherum einen Gaußfilter geglättet wird. Das kann man mögen, oder auch kitschig finden – des Öfteren wird der Eindruck erweckt, als folge man der Handlung durch den Boden eines Trinkglases. Wer befürchtet, deswegen auf „eindrucksvolle Aufnahmen der westirischen Landschaft“ (Zitat aus der Pressemappe zur Sendung) verzichten zu müssen, kann aber beruhigt sein – diese werden gestochen scharf zwischen die einzelnen Szenen geblendet.

Liebhaber des Gros an deutschen und nordeuropäischen Krimis können beim Ansehen des „Irland-Krimi“ nicht viel falsch machen. Ein auf den zweiten Blick relativ klassisches Whodunit, gepaart mit einer persönlichen Geschichte, schaltet von einer Szene zur nächsten, bis der Fall gelöst ist. Die Hauptfigur weist zwar ein paar Abgründe auf, ist aber trotzdem so gefällig gezeichnet, dass man sich nicht wirklich anstrengen muss (wer es anstrengend will, schaut lieber mal bei „Dead End“ rein). Allerdings vermag es die Produktion nicht, neue Ansätze für das Genre anzubieten oder sich von der unglaublichen Vielzahl an Krimiproduktionen unserer Zeit abzusetzen. Wer nicht einschaltet, wird nichts verpassen. Fans von Désirée Nosbusch werden die zweite Staffel „Bad Banks“ umso mehr herbeisehnen.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten, spielfilmlangen Episode der Serie „Der Irland-Krimi“.

Meine Wertung: 2,5/​5

Ab dem 24. Oktober nimmt Das erste den „Irland-Krimi“ in die Reihe seiner Donnerstags-Krimis auf. Die ersten beiden Fälle in Spielfilmlänge laufen am 24. und 31. Oktober jeweils um 20:15 Uhr.

Über den Autor

Gregor Löcher wurde in den späten 70er-Jahren in Nürnberg geboren und entdeckte seine Leidenschaft für Fernsehserien aller Art in den 80er-Jahren, dem Jahrzehnt der Primetime-Soaps wie dem Denver Clan und Falcon Crest, was ihn prägte. Seitdem sind Faibles für viele weitere Serien und Seriengenres hinzugekommen, namentlich das der Comedyserie. Seit 2008 ist er als Webentwickler für fernsehserien.de tätig und hat zum Glück nach wie vor die Zeit, sich die eine oder andere Serie anzusehen.

Lieblingsserien: UFOs, Die Brücke, Will & Grace

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Wo bleibt die tolle angekündigte Landschaft in diesem mäßig spannendem  Krimi? Muß man wirklich 90 Minuten von Galway entfernt Aufnahmen im Doolough Valley machen - das ginge näher!
    • am

      Korrektur. Am Ende der Pub-Szene mit den vielen ausgeschenkten Whiskys sieht man alle Gläser voll vor der Protagonistin stehen. Sie nimmt noch zwei und stellt sie vor einem schlafenden Gast auf den Tisch.
      Deshalb bleibt ihr "Gelage" wohl folgenlos.
      Später allerdings wird sie von den Gangstern gekidnappt und betrunken gemacht, was die in der Tat Recht gut wegsteckr.
      • (geb. 1959) am

        Ging so, hätte etwas spannender sein können.

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