The Last Ship – Review

TV-Kritik zum Actionthriller auf TNT Serie – von Gian-Philip Andreas

Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 14.07.2014, 10:11 Uhr

Commander Tom Chandler (Eric Dane) und Dr. Rachel Scott (Rhona Mitra) auf der „USS Nathan James“.

Freunde des schnarrenden Soldatentonfalls, hergehört! Liebhaber gut geölter Waffensysteme und klarer Freund-Feind-Einteilungen, versammelt Euch vor der Flimmerkiste und frohlocket: „Transformers“-Macher und Krawallbruder Michael Bay hat zugeschlagen und nach unzähligen schlechten Horrorfilmremakes aus den letzten Jahren zur Abwechslung mal eine Serie ins Leben gerufen. Eine Serie allerdings, die man sechs Jahre nach der Abwahl von George W. Bush nicht unbedingt mehr für möglich gehalten hätte. Denn in „The Last Ship“ – für den Kabelsender TNT ersonnen von Hank Steinberg („Without A Trace“) und Steve Kane – wird völlig ungebrochen dem Mut und Heldentum amerikanischer Navy-Soldaten gehuldigt. Wer kein Amerikanisch spricht, ist im Kosmos der Serie ein Feind, Briten werden allenfalls mit Skepsis geduldet. Und da in „The Last Ship“ die Menschheit schon fast ausgelöscht ist und die Protagonisten auf ihrem Navy-Kriegsschiff „USS Nathan James“ die einzigen sind, die die Überlebenden überhaupt noch retten können, hat der Zuschauer gar keine andere Möglichkeit, als mit ihnen mitzufiebern. Clevere Propaganda!

Wieder einmal bricht also die Apokalypse aus. Zu Beginn weiß Commander Tom Chandler (Eric Dane, „Grey’s Anatomy“) noch nichts vom drohenden Unheil. Die Sonne in Norfolk, Virginia, umstrahlt den markanten Marinisten in seiner perlweißen Uniform. Zunächst ist er nur leicht genervt davon, zwei angebliche Vogelforscher mit auf seine anstehende Manöver-Fahrt in die Arktis zu nehmen. Doch nach ein paar Monaten im ewigen Eis kommt der Schock: Dr. Rachel Scott (Rhona Mitra) und ihr Kollege Quincy (Sam Spruell) erweisen sich als Paläomikrobiologen, die in Nordpolnähe nach dem Urstrang eines tödlichen Virus forschen, das die Erdbevölkerung in rasender Geschwindigkeit dahinrafft. Aus dem Urvirus, das einst von Vögeln in die Welt getragen wurde, soll der rettende Impfstoff gewonnen werden. „Mehr als 80 Prozent“ der Menschheit seien bereits ausgelöscht, teilt Rachel dem Commander mit staatstragender Miene mit, kurz darauf meldet sich per Funkbotschaft bereits die neue Präsidentin (der eigentliche Präsident ist auch schon tot), um die „Nathan James“ zurückzubeordern: Womöglich ist Chandlers Marinekriegsschiff das einzige mit noch lebender Besatzung.

Man muss „The Last Ship“ die einleitenden Drehbuchkonstruktionen schon abnehmen, um in den gewünschten Groove kommen zu können: Man muss glauben, dass das Schiff wegen eines „Top Secret“-Manövers ganze vier Monate lang ohne Funkkontakt in der Arktis bleibt, und man muss akzeptieren, dass Rachel Scott trotz ihres Wissens um die Apokalypse beträchtlichen Wert auf den richtigen Lippenstift legen darf, vor und nach ihren Forschungsexpeditionen. Als dann aber die ersten Feinde angreifen (Russen!), die Scott das Urvirus entreißen wollen, und die „Nathan James“ erstmals ihre Kanonen donnern lässt, wird schnell klar, worum es hier eigentlich geht: Im Stil eines martialischen Computerspiels wird sich hier auf Missionen begeben, dabei müssen Feinde vernichtet und Lösungen gefunden werden. Ist das jeweils neue Level komplettiert, folgt in der nächsten Woche das nächste. Dramaturgisch äußert sich das in zahlreichen Last-Minute-Rescues und Countdowns: Der Sauerstoff wird knapp beim Landgang durch infiziertes Gelände, Ablenkungsmanöver drohen um ein Haar aufzufliegen, und währenddessen tickt die Uhr: Gewinnt Dr. Scott das Rennen gegen die Apokalypse? Bekommt sie ihren Impfstoff fertig?

Alles hört auf sein Kommando: Tom Chandler.
Visuell sind die Macher nicht nur in die schneidigen Offiziersuniformen vernarrt, sondern vor allem auch in die dekorativ in Szene gesetzte Waffentechnik. Permanent umschmeichelt die Helikopterkamera das drei Milliarden Dollar teure (von der Navy gratis zur Verfügung gestellte) Kriegsschiff von allen Seiten, und wenn gefeuert wird, wird erst einmal ganz nah herangezoomt: Denn wichtiger noch als die Explosionen sind hier die Geschosse im Moment ihres formschönen Herausgeschossenwerdens. Derart verliebt ins tödliche Metall waren zuletzt eigentlich nur die Söldnerfilme aus den Achtzigern – und natürlich Michael Bays Kriegsfilme selbst. Siehe „Pearl Harbor“.

Von Level zu Level inszeniert wird das von durchaus kompetenten Regisseuren, der Pilotfilm etwa von Jonathan Mostow (nautisch erfahren durch „U-571“ mit Matthew McConaughey), die nächsten Episoden übernahm „Lost“-Veteran Jack Bender. In den Actionnummern, die mit diversen Sub-Missions in Videogames vergleichbar sind, wissen auch durchaus Spannung zu erzeugen – jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem einer der Charaktere in alberne Dialogzeilen ausbricht. Dann nämlich „wird Rache kalt serviert“ (sagt Chandler). „Lasst uns essen!“ (sagt ein anderer). Und dann knallt’s.

Nach dem Mission-Briefing und der ersten Russen-Attacke in der Pilotepisode steuert die „Nathan James“ in Folge Zwei den amerikanischen Seestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba an – Chandler schickt drei Teams los, um dort Nahrung, Medizin und Treibstoff ausfindig zu machen. Im Ego-Shooter-Modus geht es dort bald schon, zwischen lauter vom Virus zerfressenen Toten, gegen einen Trupp aus dem Hochsicherheitsgefängnis geflohener Al-Qaida-Terroristen, die hier allerdings aussehen wie soeben aus den pakistanischen Bergen herbeigebeamt. Egal, Commander Chandler ruft schnarrend: „Wir verhandeln nicht mit Terroristen“. Und dann knallt’s.

Bereits am Ende der Pilotfolge wird angedeutet, dass es sich bei Quincy um einen russischen Spion handeln könnte. Damit bahnt sich ein Handlungsstrang an, den „Homeland“ womöglich über eine ganze Staffel gestreckt hätte. In „The Last Ship“ jedoch löst er sich schon in Episode Drei völlig in Luft auf. Ob das Chuzpe ist oder dramaturgisches Unvermögen? Keine Ahnung. Auf jeden Fall geht es eben in der dritten Episode um ein nuklearbestücktes russisches Kriegsschiff, das der „Nathan James“ den Weg aus der Bay versperrt. Warum? Der klischeehafte russische General, der als Ausdruck unamerikanischer Degeneration Zigarre paffen, Wodka trinken und, am dubiosesten, Opern hören muss, will Dr. Scott samt Virus klauen. Er blufft dabei und überreizt. Dann, natürlich, knallt’s.

So scheint das auch in den nächsten Folgen weiterzugehen. Das Restpersonal, neben Scott, Quincy und Chandler, schafft es dabei anfangs kaum über Zählkandidaten hinaus: Im Verhältnis von Chandler und seinem Stellvertreter Slattery (Adam Baldwin, „Chuck“), dürfen wir eine vage, wenig interessante Spur von Kompetenzgerangel vermuten. Die beiden Lieutenants Danny Green (Travis Van Winkle) und Kara Foster (Marissa Neitling) haben eine – offenbar geheime – Affäre, die völlig unberührt lässt. Und was Kommandeur Jeter (Charles Parnell) umtreibt, erschließt sich nicht wirklich. Sie treten wie Sprechpuppen auf, die entweder vor blinkenden Konsolen sitzen und Kommandos in ihre Headsets diktieren oder irgendwo herumstehen und salutieren. Salutiert wird sowieso gern und oft, meist dröhnt dazu eine Heldentrompete auf dem Soundtrack. Gefühlig wird es nur dann, wenn die Crewmitglieder mal wieder in Reih und Glied an Deck aufgestellt sind und ihre Smartphones herumzeigen, auf denen die Selfies ihrer (nun wahrscheinlich toten) Liebsten aufleuchten.

Wenn sich jetzt jemand meldet, Einspruch erhebt und argumentiert, „The Last Ship“ sei gar nicht jene grenzchauvinistische, militaristische Patriotensülze, als die man sie zurecht verdammen sollte, der könnte ins Feld führen, dass es sich bei Lieutenant Granderson (Christina Elmore) doch um eine selbstbewusste, lesbische Schwarze handelt. Es hat sich doch so viel getan in der US-Navy! Mag sein, doch leider darf auch Granderson nicht viel mehr tun als dem Commander zu applaudieren. Und den Commander von unten bewundernd anzustaunen. Und dem Commander zu salutieren. Das ist sehr öde. Hoffentlich wird das nächste Level komplexer.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von „The Last Ship“.

Meine Wertung: 2/​5

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: TNT

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

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