„The Last Panthers“ – Review

Düsteres Eurodrama um Juwelendiebe und ihre Jäger – von Marcus Kirzynowski

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 07.12.2015, 12:00 Uhr

„The Last Panthers“


Schon seit einigen Jahren versuchen europäische Sender, an die Erfolge hochwertiger, düsterer Serienproduktionen US-amerikanischer Pay-TV- und Kabelsender anzuknüpfen. Das gelingt mal mit künstlerisch größerem Erfolg wie dem dänischen Fernsehen mit „Kommissarin Lund“ oder „Die Brücke – Transit in den Tod“ oder dem französischen Bezahlsender Canal+ mit der Originalversion des Untoten-Dramas „The Returned“, mal weniger überzeugend wie bei der deutsch-dänisch-belgischen Krimiserie „The Team“, die dann doch eher wie ein Europudding wirkte. Nachdem Sky in England und Italien mit Eigenproduktionen schon große Erfolge erzielen konnte, schloss sich der inzwischen paneuropäische Konzern mit einem anderen Bezahlsender, eben Canal+, zusammen, um „The Last Panthers“ auf die Beine zu stellen. Gedreht wurde entsprechend auf Englisch und Französisch (und auch auf Serbisch, weil die Handlung in weiten Teilen auf dem Balkan angesiedelt ist), auch die Besetzung ist international.

Alles beginnt mit einem spektakulären Überfall auf einen Juwelier in Marseille, bei dem die Räuber nicht viele Skrupel zeigen. Auf der Flucht erschießt einer der Gangster dann auch (versehentlich) ein kleines Mädchen – eigentlich wollte er die ihn verfolgenden Polizisten treffen. Interpol startet daraufhin zusammen mit der örtlichen Polizei eine großangelegte Operation, um die Bande dingfest zu machen. Bei der handelt es sich keineswegs um Unbekannte, waren sie doch bereits früher unter dem Namen „Pink Panther“ international berüchtigt. Der Pink Panther war im ersten „Inspektor Clouseau“-Film ja bekanntlich kein Tier, sondern ein Diamant.

Für die Marseiller Polizei leitet Khalil, Kommissar mit algerischen Wurzeln (Tahar Rahim, „Ein Prophet“), die Ermittlungen, selbst aus ärmlichen Verhältnissen in einer örtlichen Sozialsiedlung stammend, die heute zum Hort des Verbrechens mutiert ist. Schnell kommt er dahinter, dass einige seiner ehemaligen Nachbarn in Waffenhandel verstrickt sind, wodurch auch die Juwelendiebe an ihre Schusswaffen kamen. Dieser Khalil wirkt die ganze Zeit so, als müsse er der ganzen Welt beweisen, dass er seiner Herkunft entronnen und ein besonders guter und treuer Polizeibeamter geworden ist. Sein Pendant auf britischer Seite ist die Versicherungsagentin Naomi (Samantha Morton, „John Carter: Zwischen zwei Welten“). Die wirkt zunächst sehr distinguiert – eben typisch britisch -, leidet aber, wie wir in kurzen Flashbacks erfahren, immer noch an einem Trauma aus dem Jugoslawien­-Krieg, wo sie als UNO-Blauhelmsoldatin eingesetzt war. Sie versucht auf eigene Faust, die wertvolle Beute aufzuspüren.

Samantha Morton als Naomi Franckom in „The Last Panthers“
Die dritte Hauptfigur ist Milan (Goran Bogdan), einer der Räuber, der schon als Jugendlicher zu Hause auf dem Balkan zu den Panthern gestoßen war und sich später eigentlich zurückgezogen hatte. Aus seiner aktiven Zeit haftet ihm noch der Spitzname „das Tier“ an, was auf besonders rücksichtsloses Verhalten schließen lässt. Er hat dennoch so etwas wie Anstand und verhindert etwa, dass seine Kumpane Naomi gleich in der ersten Folge erschießen. Ansonsten bleiben seine Motive bislang etwas undurchsichtig, verwaschene Rückblenden in seine Jugend direkt nach dem Bürgerkrieg an der Seite seines hungernden jüngeren Bruders deuten jedoch weitere Schicksalsschläge an.

Der britische Fernsehautor Jack Thorne („Skins – Hautnah“, „This Is England ’86“) hat aus der wahren Kriminalgeschichte der „Pink Panther“, die bis 2009 die Polizei in Atem hielten, eine düstere Erzählung gemacht – vielleicht etwas zu düster. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen, sind die Farben doch meistens dunkel bis ausgebleicht und entsprechen damit den Gefühlslagen der Protagonisten. Hoffnungsschimmer muss man hier mit der Lupe suchen, egal an welchem Handlungsort wir uns gerade befinden. Der Balkan wird als Hölle auf Erden gezeichnet, nicht nur in den Rückblenden in die Zeit nach dem Krieg, sondern auch in der Gegenwart, die eine durch und durch gewalttätige und korrupte Gesellschaft zeigt. Das ist vielleicht ein bisschen zu dick aufgetragen. Aber auch Marseille scheint hauptsächlich aus tristen Plattenbauten zu bestehen, die denen in „Gomorrha“ (ebenfalls eine Sky-Serie) oder „The Wire“ in Trostlosigkeit und krimineller Verkommenheit nicht nachstehen. Und natürlich müssen auch die „Helden“ ihre eigenen Traumata mit sich herumtragen, was insbesondere im Fall von Naomis Blauhelm-Vergangenheit reichlich konstruiert wirkt.

Zudem wickeln Thorne und seine Koautoren – zu denen mit Jérôme Pierrat auch der Journalist zählt, der den realen Fall für ein Sachbuch recherchiert hat – die Geschichte extrem umständlich auf. Worauf das Ganze eigentlich hinauslaufen soll, ist auch nach zwei Folgen noch nicht im Geringsten klar. Wollen sie uns eine spannende Thrillerhandlung über eine skrupellose Gangsterbande und das Katz-und-Maus-Spiel mit ihren Verfolgern erzählen oder doch ein deprimierendes Sozialporträt des heutigen Ex-Jugoslawien liefern? Oder vielleicht eine Anklage des korrupten Finanzsystems in Westeuropa, da auch dortige Banker in die Diebstähle verwickelt zu sein scheinen? Es ist natürlich durchaus möglich, Mehreres davon miteinander zu verbinden, aber das ist Thorne 2014 in der Miniserie „Glue“ wesentlich besser gelungen, wo er überzeugend eine Coming-of-Age-Geschichte in der britischen Provinz mit einer spannenden Krimihandlung verknüpfte. Diesmal wirkt die Geschichte hingegen nach zwei Folgen leider reichlich verworren und wenig fesselnd. Dazu tragen auch die blassen Hauptdarsteller bei. Insbesondere Samantha Morton kommt – zum wiederholten Mal – zu routiniert und wenig nahbar rüber. Altstar John Hurt („1984“, „V wie Vendetta“), wohl der größte Name auf der Besetzungsliste, wird zwar formal als Hauptdarsteller gehandelt, hat aber zu wenig Screentime, um überhaupt einen Eindruck zu hinterlassen.

Schon der Vorspann trägt wenig zur Erzeugung einer Atmosphäre bei, wirkt so generisch, dass er auch vor ähnlich angelegten anderen europäischen Serien laufen könnte. Völlig nichtssagend ist der Titelsong „Blackstar“ ausgefallen, den immerhin Superstar David Bowie beigesteuert hat. Insgesamt wirkt die ganze Serie etwas zu kalkuliert, wie es bei Koproduktionen mehrerer Länder öfter der Fall ist: Da wird aus jedem beteiligten Land ein bekannter Schauspieler besetzt, in mehreren Sprachen palavert und zwischen den Schauplätzen hin und her gesprungen. Daraus entsteht aber noch kein überzeugendes Ganzes. Vielleicht sollten sich die beteiligten Sender und Produktionsfirmen (die französische Haut et Court steckt immerhin auch hinter „Les Revenants“ und die britische Warp Films hinter den „This is England“-Miniserien) in Zukunft lieber auf ihre Stärken konzentrieren und regional klar verankerte Stoffe in ihren jeweiligen Ländern umsetzen. Zu viel auf einmal ist dann eben doch meist zu wenig.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten zwei Episoden der Serie.


Meine Wertung: 3/​5

Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: Canal+

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

Kommentare zu dieser Newsmeldung

    weitere Meldungen