Fast täglich erreichen uns Nachrichten über bestialische Gewaltverbrechen. Wir hören von einem eskalierten Familienstreit, der tödlich endete oder lesen über einen sensationsgierigen Gaffer, der ungeniert mit seinem Handy filmt, während ein Unfallopfer im Autowrack um sein Leben kämpft. Die meisten Menschen sind davon überzeugt, dass sie zu solchen Grausamkeiten selbst nie in der Lage wären. Aber oft zeigt sich eine dunkle Seite in uns, mit der wir selbst nie gerechnet hätten. Wir sind völlig überrascht, wie in einer Notsituation nur noch das eigene Überleben zählt. Abgründe tun sich überall auf. Da ist die aufopferungsvolle Mutter, die ihr Kind qualvoll verhungern lässt, der hilfsbereite Schwiegersohn, der über Jahre das Nachbarskind missbraucht oder die stets zurückhaltende Kollegin, die ihren Liebhaber ersticht. Es gibt unzählige
Gründe, warum in uns das Böse zum Vorschein kommt: Eifersucht, Hass oder auch Habgier. Häufig aber sind die Motive erstaunlich banal. Nicht immer ist eine grauenvolle Tat von langer Hand geplant und bis in alle Einzelheiten durchdacht. Mal geht es um zu laute Musik in Nachbars Garten, die den Kleingärtner zur Axt greifen lässt. Mal ist es ein politischer Streit in einer Kneipe, der tödlich endet. Oft entspringt das Böse einer Konfliktsituation oder Kränkung, manchmal entsteht es aus dem Gruppendruck. Gerade labile und autoritätshörige Menschen sind für Sekten und Fanatismus besonders anfällig. Zuerst als Mitläufer, später können sie sogar selbst zu Tätern werden. Was lässt einen Menschen zu einem psychopathischen Serienkiller werden? Ist jeder zu Taten fähig, die er sich selbst nie zugetraut hätte? Was ist es, was Abgründe in uns hervorholt? (Text: SWR)