Mit offenen Augen

Eine Gruppe Frauen mit ausgestreckter Faust demonstriert im blauen Arbeitsanzug und mit rotem Kopftuch. Am 7. März 2023 gingen die Aktivistinnen des Rosie-Kollektivs in Paris auf die Straße: gegen die Rentenreform, deren große Verliererinnen laut ihnen die Frauen sind. Youlie Yamamoto von der NGO Attac erzählt, wie sie zur Aneignung der Figur beitrug. Die Journalistin Catherine Mallaval erklärt, warum die starke und formbare Rosie bereits verschiedenfach als Symbol gebraucht wurde. Foto: Arnaud César Vilette (Text: arte)

Joe Biden kämpft vor laufenden Kameras mit seiner Jacke. Eigentlich unwichtig, wäre er nicht der 46. Präsident der USA. Warum ging das Video viral? Der französische Journalismus-Experte Alexis Lévrier erklärt, warum Politiker solche mit unerwünschten Botschaften behafteten Bilder kontrollieren möchten. (Text: arte)

In einer Kirche im zerstörten Bachmut sitzt ein uniformierter Militärgeistlicher am Klavier. Die Figur des Soldaten, der sich einen Augenblick lang der Musik hingibt, ist ein Klassiker der Kriegsfotografie. Doch welche Geschichte steckt hinter diesem Foto? Die niederländische Bildjournalistin Daphne Wesdorp erzählt, wie es zu der bewegenden Aufnahme kam. Für den Musikwissenschaftler Marc Frisch ist das Klavier ein Symbol für den Sieg des Geistes über die Apokalypse. Mark Kupchenko, der musizierende Soldat, starb am 21. Juli 2023 bei Slowjasnk nördlich von Bachmut. Er kam bei einem Autounfall ums Leben, als er übermüdet von einer Trauerfeier für ukrainische Kameraden zurückfuhr, die Opfer eines Raketenangriffs geworden waren. Foto: Daphne Wesdorp /​ Nederlands Dagblad (Text: arte)

Ein neues Gesicht im Handumdrehen? Diesen Traum erfüllen die magischen Filter, von denen etliche in den sozialen Netzwerken kursieren. Mit einem Klick tilgen sie vermeintliche Schönheitsfehler und generieren ein irreales, perfektioniertes Spiegelbild des eigenen Selbst. (Text: arte)

13. April 2023: Sintflutartige Regenfälle machten Florida zum schwimmenden Autofriedhof. Doug Thron, der das ganze mit einer Drohne filmte, erläutert, warum gerade die schwimmende Autos ihn so beeindruckt haben. Der Soziologe Yoann Demoli erklärt, wie das Automobil vom Freiheitssymbol zum schwarzen Schaf wurde – und warum dies so gerne bildhaft dargestellt wird. (Text: arte)

Das Time-Magazin vom 24. April 2023 berichtet über den Trump-Prozess in New York. Nie zuvor wurde ein US-Präsident vor Gericht gestellt. Das Cover zeigt einen Fingerabdruck … Der kubanischstämmige US-Karikaturist Edel Rodriguez hat Trump schon oft karikiert. Er erklärt die Entstehung dieser Zeichnung und ihren Erfolg. Für den Kunsthistoriker Martial Guédron handelt es sich durch die minimalistische Darstellung bei maximaler Erkennbarkeit um die ultimative Karikatur. Zeichnung: Edel Rodriguez (Text: arte)

Am frühen Morgen des 25. Januar 2023 sind nur erfahrene Surfer im Meer vor der kalifornischen Küste. Die Delfine, die in einer aufsteigenden Welle direkt über ihnen zu sehen sind, wirken bedrohlich. Das Bild steht im Kontrast zu den gängigen Vorstellungen vom freundlichen Delfin. Der Surfer, Fotograf und Autor des viral gegangenen Bildes Cliff Endsley erzählt, wie es entstand. Der Soziologe Emmanuel Gouabault zeichnet die Darstellung der faszinierenden Meeressäuger seit der Antike nach. Foto: Cliff Endsley (Text: arte)

2017 kolorierte die brasilianische Grafikerin Marina Amaral das Bild eines Mädchens in Auschwitz. Die Farbversion verleiht dem Foto neue Wirkungsmacht: Sie enthüllt Details und berührt die Menschen tiefer. Pawel Sawicki von der Auschwitz-Gedenkstätte in Polen erzählt, wie die Aufnahme die Zeit überdauerte und wie sie zu ihrer Kolorierung kam. Der Forscher für Bildgeschichte, Adrien Genoudet, hinterfragt die Mode der Kolorierung historischen Archivmaterials: Verfälschung oder Notwendigkeit? Fotograf: Wilhelm Brasse; Koloristin: Marina Amaral (Text: arte)

Clip für die Rugby-WM zur Vorstellung des französischen Nationalteams oder Tourismusmarketing für Frankreich? Leckere Regionalprodukte auf rotkarierten Tischdecken und Boule-Spieler in idyllischen Dörfern – ein Video wie vom Fremdenverkehrsamt. Allerdings geht es um die Vorstellung des Rugby-Nationalteams. Das Klischee vom Heile-Welt-Frankreich kam nicht überall gut an. Yoann Saillon, Art Director bei TF1, erklärt sein Video und den Grund für die darin herausgestellten Werte. Für Kévin Veyssiere, Gründer des FC Geopolitics, hat der Rugbysport in anderen Ländern ein viel politischeres Image. Video: TF1 (Text: arte)

Die olympischen Piktogramme, die erstmals bei den Spielen von Tokyo zum Einsatz kamen, sollen Besuchern aus aller Welt helfen, die Austragungsorte der Wettkämpfe in der Gastgeberstadt zu finden. Die für Olympia 24 entworfenen Bildzeichen sehen zwar schön aus, aber sind sie auch nützlich? Julie Matikhine vom Organisationsausschuss Paris 2024 erläutert die Hintergründe ihrer Entstehung. Tiphaine Guillermou von der Designagentur Graphéine beleuchtet ihre Geschichte seit 1964. (Text: arte)

Nach ihrer Schauspielausbildung ließ sich die Amerikanerin Christian Demeritt 2010 für Bewerbungsfotos ablichten. Das Kleingedruckte ermächtigte den Fotografen, ihre Bilder als Stockfotos zu verkaufen. In der Sendung erklärt sie dieses Missgeschick und beleuchtet das Problem des Kontrollverlusts in Bezug auf eigene Daten in einer bilderorientierten Welt. Die Fotografin Joëlle Verbrugge erläutert die Subtilitäten des Rechts am eigenen Bild und die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung bestimmter Regeln. (Text: arte)

Rechtspopulisten lieben Schwarz-Weiß-Konzepte. Zu den beliebtesten gehört die althergebrachte Rhetorik von „Gut gegen Böse“. Für die in Finnland lebende Politik-Expertin Marie Cazes verdeutlicht das Wahlplakat die Radikalisierung der finnischen Rechtspopulisten beim Thema Einwanderung. Zvonimir Novak, Experte für Bildsprache in der Politik, erklärt, warum die schematische Darstellung zweier angeblicher Gegensätze in autoritären Regimen und bei Religionsfanatikern ein Klassiker ist. (Text: arte)

„Sie sind nicht machtlos. Kontaktieren Sie uns auf gesichertem Weg.“ Die CIA wirbt Spione in Russland an! Ein zweiminütiges Video mit Bildern, die an den Kalten Krieg erinnern, machte auf Twitter und Telegram die Runde: Es zeigt fiktive russische Bürger, die den USA Informationen liefern wollen. Tatsächlich sucht die CIA zusammenarbeitswillige Militärangehörige, Diplomaten und Wissenschaftler. Der Russlandexperte Michel Eltchaninoff bezweifelt den Erfolg des Aufrufs. Die Politikwissenschaftlerin Pauline Blistène analysiert die engen Verbindungen zwischen Geheimdienst und Unterhaltungsbranche. Video-Clip: Central Intelligence Agency (CIA) (Text: arte)

Sonnenfinsternisse faszinieren die Menschheit seit der Antike. Es ist dieser seltene magische Augenblick, wenn der Mond die Sonne verdeckt. Der australische Astrofotograf Michael Goh bereitete sich zwei Jahre lang vor, um das Naturspektakel in seiner Fotomontage einzufangen. Die Astrophysikerin Yaël Nazé erklärt, wie Sonnenfinsternisse, die lange Zeit als böses Omen galten, zu wissenschaftlichen Phänomenen wurden, die man in Gemeinschaft anschaut und fotografiert. Fotomontage: Michael Goh (Text: arte)

Das Video, das live in Schleife läuft, zeigt das „Lofi Girl“ beim Lernen. Es ging erstmals 2017 online und erinnert an japanische Anime-Figuren. Der Zeichner Juan Pablo Machado erzählt, wie und warum er diese Figur als Student entwarf: Damals wollte der YouTube-Kanal „ChilledCow“ von ihm ein Visual für seine Lo-Fi-Musik. Für die Soziologin und Expertin für Digitalkultur Claire Balleys repräsentiert die digitale Ikone eine wohlwollende Community, in der sich die Onliner gegenseitig unterstützen. Animation „Lofi Girl“: Juan Pablo Machado (Text: arte)

Auf den ersten Blick ist es nicht leicht zu erkennen, doch dieses Luftbild zeigt ein Becken in Kalifornien, in dem Mineralien abgebaut werden. Seit den frühen 2000er Jahren sind solche Luftaufnahmen von bewirtschafteten oder unberührten Landschaften in Mode. In Frankreich wurden sie durch Yann Arthus-Bertrand bekannt. Dem deutschen Fotografen Tom Hegen ist das Missverhältnis zwischen Bild und Realität bewusst. Er erzählt, wie das Foto zustande kam. Für die Fotografiewissenschaftlerin Julie Noirot schaffen derlei Aufnahmen Distanz zwischen der Natur und dem Betrachter … und vielleicht auch zum eigenen Umweltbewusstsein. Luftbild: Tom Hegen (Text: arte)

Am 11. Mai 2023 beendete die Regierung unter Joe Biden den „Title 42“. Infolge der von Donald Trump erlassenen Verordnung waren Millionen von Migrantinnen und Migranten aus den USA ausgewiesen worden. Noch am Tag ihrer Außerkraftsetzung strömten zahlreiche Menschen an die Grenze. Dieses Foto ging durch die internationale Presse. Der von AFP entsandte mexikanische Fotograf Alfredo Estrella berichtet über erschütternde Szenen. Für die Soziologin Marie-Laure Mallet zeugt seine Entscheidung, das Neugeborene ins Zentrum des Bildes zu rücken, von einem neuen Blick der Medien und der Öffentlichkeit auf dieses Thema. Foto: Alfredo Estrella (AFP) (Text: arte)

Am 1. Juli 2018 floh Rédoine Faïd aus der JVA – bereits zum zweiten Mal! Auf dem Video sieht man zuerst ungewohnte Aufregung, dann im Hintergrund einen abhebenden Hubschrauber. Obwohl diese Bilder nur wenig hergeben, gingen sie viral. Alexis de la Fontaine, Regisseur einer Dokumentation über den bekannten Kriminellen, kommentiert die mediale Behandlung des Gefängnisausbruchs. Für den Filmkritiker Yal Sadat ruft das Amateurvideo berühmte Filmszenen wach. Video: „Amiky“ (Text: arte)

Seit 2013 filmt eine Kamera durchgängig einen Strand im bretonischen Finistère. Auch an anderen Urlaubsorten der Welt wurden auf Wunsch von Tourismusbüros, der örtlichen Verwaltung oder privaten Unternehmen Kameras installiert. Zu welchem Zweck? Um das Wetter zu verfolgen, aber auch … um sich ans andere Ende des Planeten zu beamen, ohne einen Fuß vor die Tür zu setzen. Yann Trotel, der Gründer des Webcam-Unternehmens Vision-Environnement, erklärt den Nutzen dieser Liveübertragungen: Es handle sich um eine tolle Reisemöglichkeit für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, zu denen auch sein Bruder gehört. Für Nicolas Thély, Kunsttheoretiker und Autor des Essays „Vu à la webcam“ (dt. „Gesehen per Webcam“), sind diese Videos ein weiteres Beispiel für die aktuelle Tendenz zur Wiederaneignung von Überwachungsmethoden. Tourismus-Webcam: Strand von Trez Hir, Plougonvelin (Bretagne) (Text: arte)

Das Video, das am 18. Januar 2023 von dem amerikanischen Hersteller Boston Dynamics auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht wurde, zeigt die neuen Funktionen des Roboters Atlas. Seit zehn Jahren informiert das Unternehmen regelmäßig über dessen Fortschritte. Ursprünglich wurde er für Rettungsaktionen konzipiert, doch die Finanzierung durch die Armee ließ eine militärische Nutzung befürchten. Um diesen Verdacht zu entkräften, wird der Roboter in dem Video bei einer harmlosen Aktivität gezeigt … Justin Carpentier ist Forscher im Bereich der humanoiden Robotik und erklärt, wo die wissenschaftliche Demonstration aufhört und die Inszenierung beginnt. Thomas Brunel de Montmejan ist Experte für die Bildwelt von Robotern und Cyborgs und gibt Einblicke in die Geschichte ihrer Darstellung – stets an den Grenzen von Kunst und Wissenschaft, Fiktion und Realität. Video: Werbeclip der Firma Boston Dynamics (Text: arte)

Das vor zehn Jahren in einem Forum entstandene Genre „befriedigende Videos“ führt die Aufrufstatistiken der sozialen Medien an. Trotz der Vielzahl an Kategorien gibt es Konstanten: Materialfokus, Präzision, ASMR-Ton. Die visuellen, manchmal absurden Contents, regen die Sinne an. Cyrille Guérineau, der Autor von „Sandbefriedigung“, findet vor allem das Machen der Videos befriedigend. Albert Moukheiber, Doktor in kognitiver Neurowissenschaft, erklärt, was beim Anschauen in Gehirn und Körper passiert. TikTok-Video: Sandbefriedigung (Cyrille Guérineau) (Text: arte)

Wie weiter für die Welt existieren, wenn man in Einzelhaft schmort? Hier die Strategie von Alexej Nawalny: Dieses Foto eines Fernsehbildschirms wurde am 4. August 2023 während der Übertragung eines Nawalny-Prozesses gemacht. Der seit 2021 einsitzende Kremlgegner wird zu immer neuen Haftstrafen verurteilt. Die gefilmten Prozesse sind seine einzigen Medienauftritte. Der Moskau-Korrespondent Benjamin Quénelle schildert die Berichterstattung via Fernsehübertragung. Für Jan Matti Dollbaum, Ko-Autor von Alexej Nawalnys Biografie, setzt Putins Erzfeind schon immer sein Bild als Waffe gegen das Regime ein. Foto: Aufnahme eines Fernsehbildschirms, Strafkolonie IK-6, Melechowo, Russland (Text: arte)

Am 7. Juni 2023 verschwindet New York in dichtem orangefarbenem Nebel. Seine Ursache sind die einige hundert Kilometer nördlich in Kanada wütenden Waldbrände. Ein kurzes Video, das millionenfach angesehen und geteilt wurde, zeigt das Ausmaß des Phänomens. Erstellt wurde es von dem Journalismusstudenten und Breaking 4 News-Gründer Matias Csillag. Er berichtet von dem Tag, den dem seine Stadt rotsah. Für den Filmkritiker Rafik Djoumi fanden diese Bilder deshalb so weite Verbreitung, weil sie in der kollektiven Vorstellungswelt mit der Apokalypse assoziiert werden. Seit den Anfängen des Kinos war New York immer wieder Schauplatz des Weltuntergangs. Video: Matias Csillag (Breaking 4 News) (Text: arte)

Wie kommt es, dass drei Kandidatinnen bei französischen Parlamentswahlen ein Jahr später viel jünger aussehen? Auf sechs Wahlplakaten sind drei Kandidatinnen der zur Mehrheit des französischen Präsidenten gehörenden Partei Égalité Europe Écologie abgebildet. Sie kandidierten 2022 und 2023 für das französische Parlament. Zwischen den beiden Wahlen hatten sich ihre Gesichter erstaunlich verjüngt. Solche Wunder sind heute dank Bildretusche möglich! Valerio Motta, früherer PR-Chef der Französischen Sozialistischen Partei, berichtet, wie die Figur einer Kandidatin oder eines Kandidaten heute konstruiert wird. Die Semiologin Élodie Mielczareck erläutert, dass Politikerinnen unter dem Druck von dreierlei Erwartungen stehen: Sie müssen attraktiv, kompetent und charismatisch sein. Wahlplakate: Égalité Europe Écologie (Text: arte)

Endlich sind das rosafarbene Herz und andere neue Emojis da! Aber versteht wirklich jeder diese globalisierte Zeichensprache? Im März 2023 kündigte das Betriebssystem von Apple neue Emojis an. Die Symbole werden jeden Tag Milliarden Mal um die Welt geschickt. Angeblich eine von allen verstandene Verbildlichung von Gefühlen und Alltagsgegenständen, die von den Giganten der neuen Technologien bewusst ausgewählt werden. Keith Broni, Chefredakteur von Emojipedia, hat an solchen Verhandlungen in engem Kreis teilgenommen. Der Linguistik- und Semiotikexperte Pierre Halté hinterfragt die angebliche Universalität dieser Zeichensprache. Emoji: iOS (Betriebssystem von Apple) (Text: arte)