Staffel 10, Folge 1–4

Staffel 10 von „Baukunst“ startete am 08.10.2017 bei arte.
  • Staffel 10, Folge 1 (26 Min.)
    Das 19. Jahrhundert brachte zahlreiche Neuerungen in der Baukunst: Bahnhöfe, Fabriken, Börsen, Einkaufspassagen, Museen und Gefängnisse. Neu war auch die Idee der Inhaftierung, sie existierte erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Haftstrafen waren bis Ende des 18. Jahrhunderts weitgehend unbekannt. Gefängnisse waren für säumige Schuldner oder Untersuchungshäftlinge reserviert, bei denen Fluchtgefahr bestand. Ansonsten zog man es vor, zu foltern oder Zuchthausstrafen zu verhängen. Mit der Französischen Revolution von 1789 wurden diese als unmenschlich geltenden Strafen in Frankreich abgeschafft und durch die Gefängnishaft ersetzt „überwachen und strafen“, um mit dem französischen Philosophen Michel Foucault zu sprechen.
    Der Inbegriff der modernen Strafe erfordert auch ein neues architektonisches Konzept. Vorbild ist das sogenannte Panopticon-Prinzip, eine Erfindung des englischen Philosophen Jeremy Bentham. Die kreisförmige Bauweise ermöglicht die gleichzeitige Überwachung vieler Menschen durch einen in der Mitte positionierten Aufseher. „La Santé“ wurde zwischen 1861 und 1867 von Emile Vaudremer nach den neusten Erkenntnissen der Forschung auf dem Gebiet des Freiheitsentzugs gebaut.
    Als Modellgefängnis verfügte es über eine sehr moderne Ausstattung, die nicht zuletzt der Durchsetzung einer strikten körperlichen und moralischen Hygiene diente. „La Santé“ verkörpert eine düstere Seite der Architektur: eine Baukunst, die sich dem Freiheitsentzug verschrieben hat, geprägt von einem primitiven und grausamen Funktionalismus, den nichts mäßigt oder kaschiert. In einem zeitgenössischer Text hieß es dazu: „Der Architekt wird zum ersten Vollstrecker der Strafe, er erstellt die wichtigsten Marterinstrumente.“ (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 08.10.2017arte
  • Staffel 10, Folge 2 (26 Min.)
    Das als „Heart of School“ bezeichnete Verwaltungsgebäude der balinesischen Green School, 20 Kilometer von der Hauptstadt Denpasar entfernt, hat den ökologischen Ansatz der Schule bis ins Grundgerüst verinnerlicht: Es ist aus Bambus erbaut. Das ehrgeizige Projekt geht auf eine Initiative der beiden in Indonesien lebenden Amerikaner John und Cynthia Hardy zurück. 2006 entwarfen sie mit einer Gruppe von Architekten und Künstlern einen völlig neuartigen Schulkomplex, der gleich drei Herausforderungen gerecht werden sollte: ein innovativer pädagogischer Ansatz, ein umweltschonendes Wirtschaftsmodell und eine nur auf einem Grundmaterial basierende Architektur.
    Als Erstes trafen sie die Entscheidung, nur mit Bambus zu bauen, einem traditionellen balinesischen Baustoff, der aufgrund seiner Stabilität und Langlebigkeit auch als „pflanzlicher Stahl“ bezeichnet wird. Schon von weitem sichtbar sind die drei mehrgeschossigen Kegeldächer, die schneckenhausartig ineinandergreifen. Sie verleihen dem Bau einen einheitlichen Charakter und wirken zugleich, als seien sie in ständiger Bewegung ein Konzept, das die Architekten einer Zeichnung von Leonardo da Vinci entlehnten.
    Das Gebäude hat keine Mauern, keine Trennwände und wird auf natürliche Art klimatisiert. Sein Skelett ist sichtbar und verläuft manchmal vertikal, manchmal parallel zur Neigung des Dachs. Einige Strukturen so der stabile Dachträger und der Träger, auf dem die Stockwerke ruhen sind ineinander verschlungen. Die Bambusschule ist der größte Bau des rund 60 Gebäude umfassenden Campus. Sie gilt heute als Referenz für moderne Architektur aus erneuerbaren Rohstoffen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 15.10.2017arte
  • Staffel 10, Folge 3 (26 Min.)
    Eine Schlange, ein fliegender Fisch, eine hervortretende Ader, ein Fluss oder auch eine riesige Larve: An Bildern zur Beschreibung der Passagenkonstruktion des Lütticher Einkaufszentrums Médiacité mangelt es nicht. Auch einem gigantischen bunten Kirchenfenster kommt sie gleich. Das raffinierte, lichtdurchlässige Gebilde schlängelt sich über eine Länge von 350 Metern zwischen zwei Gebäudekomplexen und bildet die Hauptader eines gigantischen Einkaufs- und Freizeitzentrums, das 2009 auf einer Industriebrache entstand. Gestaltet wurde die Passage von dem israelischen Designer und Architekten Ron Arad, dessen surreale, schwingende Möbelobjekte Weltruf genießen.
    Nachdem Jaspers-Eyers, eines der bekanntesten belgischen Architektenbüros, das auf dem Grundstück befindliche Einkaufszentrum aus den 1970er Jahren renoviert und über Jahre hinweg ein stimmiges Konzept für die brachliegende Fläche entwickelt hat, soll im Jahr 2007 endlich das Fundament für den Neubau gelegt werden. Da entwickelt die Stadt Lüttich die Vision, der Médiacité die Handschrift eines international renommierten Künstlers zu geben.
    Der Bauträger wendet sich kurzerhand an Ron Arad, der dem urbanen Komplex, der heute täglich 40.000 Besucher willkommen heißt, mit seiner „Schlange“ ein dynamisches, zeitgenössisches Antlitz verleiht. Neben den gewölbten Stahlelementen des Daches liegt eine weitere Besonderheit in den dazwischenliegenden Freiräumen: Diese sind nicht mit Glas, sondern mit luftgefüllten Teflon-Membranen überzogen eine Verkleidung, die flexiblen Verformungen standhält und gleichzeitig hundertmal leichter und halb so teuer ist wie Glas. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 22.10.2017arte
  • Staffel 10, Folge 4 (26 Min.)
    Die 1971 fertiggestellte Bücherei der kleinen Phillips Exeter Academy im US-amerikanischen New Hampshire ist ein Tempel der Lektüre. Geschaffen wurde sie vom Architekten Louis I. Kahn, der sich bei der Planung eine Aufgabe gestellt hatte: Alle Leser sollten an eigenen kleinen Schreibtischen aus Eichenholz sitzen und durch nahe Fenster vom Tageslicht profitieren. So entstanden viele kleine „Räume im Raum“, wie der Architekt es selbst formulierte an allen vier Fensterseiten des blockartigen Gebäudes, auf allen acht Etagen. Ein ungewöhnlicher Lesesaal! Die Bücher sind nicht weit; sie stehen im Halbdunkel auf der inneren Seite der Lesegalerien auf Metallregalen, welche die ganze Höhe des Gebäudes einnehmen.
    Türen gibt es keine, was den sofortigen Zugriff auf alle Bücher gewährleistet. In der Mitte des Gebäudes erstreckt sich bis in den sechsten Stock das riesige, lichtdurchflutete Atrium. Mit seiner Höhe, seiner Dekoration aus Holz und Beton und seinen Lichtspielen ist das Atrium ein regelrechtes Werk im Werk ein Meisterstück der Geometrie und die Erfüllung aller architektonischen Ambitionen Kahns.
    Lesesäle, Atrium und Bücherlager liegen nah beieinander, fungieren aber als ganz eigene Räume, was durch unterschiedliche Baumaterialien veranschaulicht wird. Der Aufbau der Bücherei ist klar und sofort ersichtlich; die drei Gebäudeteile sind ineinandergefügt wie eine Matrjoschka. Zusammen ergeben sie eine Struktur, deren Elemente sich gegenseitig stützen. Mit ihren klaren Formen und ihrer ungewöhnlichen Geometrie ist das architektonische Meisterwerk auch eine Hommage an das Zeitalter der Aufklärung: an Lesen, Wissen und Vernunft. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereSo 29.10.2017arte

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