„The Investigation“: Dänische Miniserie arbeitet schockierenden „U-Boot-Mord“ auf – Review

TVNOW zeigt unterkühlte Ermittlungen im Fall Kim Wall

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 27.01.2021, 18:00 Uhr

Führen „The Investigation“: Jens Møller (Søren Malling, r.), der Leiter des Morddezernats, und Staatsanwalt Jakob Buch-Jepsen (Pilou Asbæk) – Bild: TVNOW/Freemantle
Führen „The Investigation“: Jens Møller (Søren Malling, r.), der Leiter des Morddezernats, und Staatsanwalt Jakob Buch-Jepsen (Pilou Asbæk)

Mehr als 150 Mordfälle habe er als Leiter der Kopenhagener Mordkommission bearbeitet, sagt Jens Møller Jensen (Søren Malling), nachdem seine Arbeit getan ist, aber nicht einen anderen wie diesen: Es war einer der spektakulärsten Fälle der dänischen Kriminalgeschichte, der sogenannte „U-Boot-Mord“ an der schwedischen Journalistin Kim Wall, die erst fast spurlos verschwand und deren Leichenteile dann nach verzweifelter Suche auf dem Meeresboden gefunden wurden. Das dänische Fernsehen hat dessen Aufklärung in der sechsteiligen Miniserie „The Investigation – Der Mord an Kim Wall“ aufgearbeitet, die ihre Deutschlandpremiere beim Streamingdienst TVNOW erlebt.

Am 10. August 2017 stach die 30-jährige Journalistin mit dem Unternehmer Peter Madsen in dessen selbst gebautem U-Boot von der dänischen Küste aus in See, um ihn zu interviewen. Doch das Boot kehrte nie ans Ufer zurück. Am Abend hört Møller zum ersten Mal von dem verschwundenen Boot und der vermissten Reporterin. Da sieht das Ganze noch nach einer – wenn auch etwas skurrilen – Routinesache aus. Tatsächlich kommt bald die Meldung, das Boot sei zwar gesunken, die beiden Insassen aber gerettet worden. Doch gerettet wurde nur der Besitzer, Peter Madsen, während Wall nach dessen Aussage schon vor der Havarie an Land gegangen sein soll. Die junge Frau bleibt allerdings verschwunden und die Polizei findet in dem geborgenen U-Boot Blutspuren.

Während der folgenden Verhöre ändert Madsen mehrfach seine Darstellung der Ereignisse und scheint dabei immer nur das einzugestehen, was die Polizei eh schon herausgefunden hat. So gibt er zu, dass Wall gestorben sei – allerdings durch einen Unfall – und er ihre Leiche entsorgt habe. Møller und seinen Kollegen ist schnell klar, dass es sich in Wirklichkeit um Mord handeln muss. Die Taucher finden jedoch nur den Torso des Opfers – die Gliedmaßen und der Kopf fehlen – und an dem lässt sich keine tödliche Verletzung feststellen. Wie aber weist man jemandem einen Mord nach, wenn die Todesursache unklar ist?

Suche nach der „Nadel im Heuhafen“: Wo sind die sterblichen Überreste des Opfers? TVNOW/​Fremantle

Es ist nicht nur ein ungewöhnlich brutaler Mordfall mit Enthauptung, Zerstückelung und sexuellen Aspekten, auf den die Boulevardpresse natürlich gleich anspringt. Es ist auch ein schier unglaublicher. Monatelang suchen die Taucher entlang der mutmaßlichen Strecke des U-Boots auf seiner letzten Fahrt nach den fehlenden Körperteilen und zuletzt noch nach dem Kopf des Opfers. In den Weiten des Meeres gleicht dies einer Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Nicht nur körperlich bringt diese harte Suchaktion die Männer bis an ihre Grenzen. „Borgen – Gefährliche Seilschaften“-Autor Tobias Lindholm, der für Buch und Regie der sechs Folgen im Alleingang verantwortlich zeichnet, schildert die Ermittlungsarbeiten ruhig, fast dokumentarisch, manchmal allerdings zu klinisch steril. Eine seltsame Entscheidung (vielleicht rechtlichen Bedenken geschuldet) ist zudem, den Verdächtigen selbst nie zu zeigen. Aus den Verhören mit den Widersprüchen, in die er sich dort zunehmend verwickelt, hätten andere Serien wie „Homicide“ oder Netflix’ internationales Format „Criminal“ wahrscheinlich ganze, spannende Episoden gemacht.

Über das Privatleben des Ermittlerteams erfahren wir nichts, die Figuren bleiben farblos. Mit Ausnahme des Chefs, Jens Møller, der durch seine Konzentration auf den Fall zu wenig Zeit für seine erwachsene Tochter hat, die gerade ihr erstes Kind erwartet. Diese private Vater-Tochter-Geschichte soll eine Parallele zu der ermordeten Kim Wall und ihren zurückgebliebenen trauernden Eltern darstellen, wirkt aber etwas aufgesetzt. Das Hauptproblem ist aber die Besetzung der wichtigsten Figur mit dem als Nachrichtenchef aus „Borgen“ bekannten Malling, der nun nicht gerade der vielschichtigste Schauspieler ist. Das zeigte sich schon in der dritten Staffel der Politserie negativ, in der er zum Hauptdarsteller aufstieg. „The Investigation“ beweist nun aber definitiv, dass er mit seinen eineinhalb Gesichtsausdrücken keine ganze Serie trägt. Das sieht manchmal schon mehr nach Arbeitsverweigerung aus als nach Minimalismus.

Die Eltern trauern, kämpfen aber auch um Aufklärung: Joachim (Rolf Lassgård) und Ingrid Wall (Pernilla August) TVNOW/​Fremantle

Ein weiterer „Borgen“-Star, der inzwischen unter anderem durch „Game of Thrones“ international bekannte Pilou Asbæk, spielt den zuständigen Staatsanwalt Jakob Buch-Jepsen. Formal wird er als zweiter Hauptdarsteller geführt – das ist aber eher eine Mogelpackung, hat er doch pro Folge meist nur ein bis zwei Szenen. In denen macht er zudem nicht mehr, als die Ermittlungsergebnisse zusammenzufassen und die Kriminalbeamten weiter anzutreiben. Schauspielerisch am meisten gefordert sind die Darsteller der Eltern Wall, der als Kommissar Wallander bekannt gewordene Rolf Lassgård und Pernilla August („Die Erbschaft“, Anakins Mutter in „Star Wars“). Anfangs schwanken sie noch zwischen Schock und verhaltener Hoffnung, ihre Tochter könne doch noch lebend gefunden werden. Mit der Gewissheit über deren Tod wächst nicht nur die Verzweiflung, sondern auch das Bedürfnis nach Aufklärung. Sie wollen nicht nur, dass der Täter für sein Verbrechen bezahlen muss, sondern vor allem herausfinden, was ihre Tochter in ihren letzten Stunden wirklich erleiden musste. August und Lassgård verkörpern die Walls als tief trauernde, aber auch starke Menschen, die das Andenken an ihre Tochter als furchtlose investigative Journalistin über die Familie hinaus bewahren möchten.

Auch wenn die Erzählweise der Miniserie insgesamt etwas zu unterkühlt geraten ist, erzeugt sie zweifellos einen gewissen Sog. Es ist ein wenig so, als würde man einen mysteriösen Mordfall aus „Aktenzeichen XY …ungelöst“ verfolgen, aber eben nicht nur als fünfminütigen Film, sondern in knapp sechs Stunden und bis zum Ende der Ermittlungsarbeiten. Den Spagat zwischen Sensationalismus und Anstand schafft die Serie dabei sehr gut, gerät trotz des boulevardtauglichen Themas nie selbst auf sensationsgierige Abwege. Was den Mord an der jungen Frau so schockierend macht, sind letztlich auch gar nicht ihre Todesart oder die abwegigen sexuellen Neigungen des Täters. Møller bringt es am Ende so auf den Punkt: „Das Schlimmste ist die Zufälligkeit. Sie [Kim Wall] hat nichts falsch gemacht. Sie war einfach nur neugierig, arglos und mutig. Genau so, wie wir wollen, dass unsere Kinder sind.“ Letztlich hätte es jeder jungen Frau passieren können.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der kompletten Miniserie „The Investigation – Der Mord an Kim Wall“.

Meine Wertung: 3/​5

Die sechs Episoden der Miniserie sind ab dem 28. Januar 2021 beim Streaminganbieter TVNOW abrufbar.

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1967) am

    Malling ist auch gerade auf 13thStreet in der halbstündigen Krimi Serie "Verdacht/Mord" zu sehen, wo er auch nur wenige Szenen hat, trotzdem er den Polizeichef vom echt grandiosen Haiuptdarsteller Ulrich Thomsen spielt!

    Die Dänen, bzw. Schweden, bzw. Finnen machen weiterhin echt geniale Serien und Filme!
    • am

      Serie über die Abgründe des  dänische U-Boot-Bauer  und Tüftler Peter Madsen und ein Unfassbares Verbrechenan der schwedischen Journalistin Kim Wall.In Folge 4 ist die Spannung kaum noch zu überbieten und man fragt sich die ganze Zeit was treibt diesen Mann nur dazu.Der,der eigentlich alles hatte im Leben.Die Serie ist schon harter Tobak aber sehr gut recherchiert.Das  man am Ende  doch noch (nach Monaten) fast alles in der Køgebucht findet ist eigentlich kaum zu fassen.Tolle Serie

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