„Maxton Hall“ bei Prime Video: Wie gut ist die deutsche Bestseller-Verfilmung? – Review

Trotz Elite-Setting gewöhnliche Teenie-Romanze

Rezension von R.L. Bonin – 08.05.2024, 18:35 Uhr

„Maxton Hall – Die Welt zwischen uns“: Eine deutsche Teenie-Serie mit Damian Hardung und Harriet Herbig-Matten als verfeindetes Paar James und Ruby – Bild: Prime Video, Stephan Rabold
„Maxton Hall – Die Welt zwischen uns“: Eine deutsche Teenie-Serie mit Damian Hardung und Harriet Herbig-Matten als verfeindetes Paar James und Ruby

Was sich liebt, das neckt sich? So scheint es wohl in der neuen Teenie-Serie „Maxton Hall – Die Welt zwischen uns“ zu sein. Die Verfilmung des deutschen Bestseller-Romans „Save Me“ von Mona Kasten erscheint am 9. Mai 2024 in sechs Folgen auf Prime Video, produziert von UFA Fiction. Die Handlung dreht sich um das gegensätzliche Liebespaar Ruby (Harriet Herbig-Matten aus „Das Pubertier - Der Film“, „Bibi & Tina“) und James (Damian Hardung aus „Club der roten Bänder“, „How to Sell Drugs Online (Fast)“), beide Schüler an der Elite-Schule Maxton Hall. Besonders an der deutschsprachigen Serie ist das englische Setting. Doch reicht das, um sich in der üppigen Serienlandschaft der High-School-Dramen zu behaupten?

Richtig, „Maxton Hall“ ist zwar eine deutschsprachige Produktion, doch die Handlung spielt in England. Ein Grund hierfür ist sicher die Romanvorlage „Save Me“, Band eins der Trilogie von Mona Kasten und einer der erfolgreichsten Titel aus dem beliebten New-Adult-Genre. Dieses setzt sich mitunter durch ein fremdsprachiges Setting (meist samt englischsprachigem Titel) von deutschen Liebesromanen ab – mit Erfolg. Herausgeber Bastei-Lübbe nennt die Autorin Mona Kasten die erfolgreichste New-Adult-Autorin Deutschlands und verbucht über 1,5 Millionen gedruckte Exemplare (Stand 2022) der Reihe um James und Rubys verzwickte Liebe.

Schülerin Ruby (Harriet Herbig-Matten) lässt sich von James (Damian Hardung) nicht so schnell aus der Fassung bringen. Prime Video, Stephan Rabold

Und genau diese findet am Maxton Hall-College ihren Ursprung, als Schülerin Ruby zufällig Zeugin eines pikanten Geheimnisses wird. Die 17-jährige Stipendiatin hat sich ihren Platz an der Schule hart erarbeitet, um später an der Oxford University zu studieren. Deshalb bringt die Lage sie auch in die Bredouille, denn so bekommt sie es mit James Beaufort zu tun, dem beliebtesten und mächtigsten Schüler Maxton Halls.

Immer wieder versucht der Millionärserbe verzweifelt, Rubys Schweigen zu erkaufen, woran sie trotz Geldnot keinerlei Interesse hat. Gerade das treibt den Goldjungen aber zur Weißglut und führt letztlich zu seiner „Strafversetzung“ in das von Ruby geleitete Veranstaltungskomittee. Ein gemeinsames Projekt zwingt die beiden, zusammenzuarbeiten und lässt allmählich die Grenzen zwischen Hass und Liebe verschwimmen …

Während die „Rich Kids“ Party machen, jobbt Ruby als Kellnerin. Prime Video, Stephan Rabold

Hass ist ein starkes Gefühl. Nicht umsonst heißt es „Hass und Liebe liegen nah beieinander“ oder „was sich liebt, das neckt sich“. Hass baut sich auf, entwickelt sich, wächst. Eine grundlegende Gegensätzlichkeit kommt dem nur zugute – und wird im Fall von Ruby und James in den ersten Folgen ausführlich gezeigt.

Während James und seine Schwester Lydia (Sonja Weißer) samt Chauffeur zum Hogwarts-ähnlichen College kutschiert werden, pendelt Ruby im überfüllten Bus. Die Beaufort-Kinder erlauben sich wilde Partys, derweilen schuftet die Bell-Tochter im Café, um ihren im Rollstuhl sitzenden Vater Angus (Martin Neuhaus) einen neuen Lift zu finanzieren. James wird überall erkannt, gefeiert und angehimmelt – Ruby ist unsichtbar. Die Extreme sind zum Teil überspitzt und klischeebelastet, aber erfüllen dadurch gerade ihren Zweck: James und Ruby könnten unterschiedlicher kaum sein, die perfekten „Enemies to Lovers“ also. Aber reicht das, um ihren tiefsitzenden Hass zueinander zu erklären?

Für Goldjunge James gelten keine Regeln. Oder etwa doch? Prime Video, Stephan Rabold

Ein Blick auf die Dialoge kommt der Antwort näher. Zwar sind die Wortgefechte klug und pointiert geschrieben, doch wirken in manchen Situationen zu abgehoben und dadurch unnatürlich. Womöglich liegt das auch an der Darstellung: Wenn es eigentlich von null auf 100 gehen sollte, starten die Schauspielenden meistens auf 100. Das macht es schwierig, nachzuvollziehen, woher diese ganze „Wut“ herrührt. Es fehlt das Gefühl einer Steigerung, da die Eskalation quasi schon gegeben ist, was auch der Spannungskurve keinen Gefallen tut. So ecken die Protagonist:innen immer wieder an, zanken, gehen sogar so weit, sich mitten im Unterricht persönlich zu beleidigen. Doch die Frage nach dem „Warum eigentlich?“ bleibt auch nach zwei Folgen (leider) unbeantwortet.

Auch in anderen Bereichen ploppt die Frage nach einer Motivation auf. Ruby hat ihr Ziel, an Oxford zu studieren, zu ihrer ganzen Persönlichkeit gemacht (z.B. hängt in ihrem Zimmer ein einziges Plakat – ein Bild der Universität). Ein wirklicher Grund, bis auf die Tatsache, dass dortigen Abgängern alle Türen offenstehen, wird nicht genannt. Das erschwert es, mit dem Charakter mitzufühlen und all die Strapazen auch als solche wahrzunehmen. Bei James’ Figur kommt ein konkretes Ziel gar nicht zur Sprache – er verkörpert nur das typische „Rich Kid“, das die innere Leere mit Macht und Geld zu füllen versucht. In Folge zwei wird zwar angedeutet, dass James auch mehr als nur das „junge, hübsche Aushängeschild“ der Luxusmarke Beaufort sein will, aber eine starke Positionierung hätte der Figur von Anfang an mehr Tiefe verliehen.

Lin (l.) ist die beste Freundin der Protagonistin Ruby (r.) Prime Video, Stephan Rabold

Auffällig ist, dass die Nebencharaktere genau das aufweisen, was den Protagonist:innen fehlt: Sie wirken vielschichtiger, mehrdimensionaler und machen daher umso neugieriger. So wird Lin (Andrea Guo) als Rubys beste Freundin etabliert, die wohl einst ein „Rich Kid“ war, doch deren Eltern in Ungnade gefallen sind. Ember, Rubys Schwester, (Runa Greiner) präsentiert sich als Frohnatur trotz ihrer tragischen Familiengeschichte. James’ Schwester Lydia hat, kurz gesagt, das Beaufort-Unternehmen mit ihrer Idee gerettet, aber die Lorbeeren erntet James (als Mann). Hier wird auch eine unterschwellige Kritik an das Patriarchat innerhalb des Familienunternehmens deutlich – was dem sonst doch eher einfach gestrickten Schulsetting eine tiefere Ebene verleiht (sofern sie weiterhin verfolgt wird).

Visuell und stilistisch präsentiert sich „Maxton Hall“ modern und erfrischend. Die Einstellungen sind überraschend und abwechslungsreich, die Schnitte manchmal hart, aber dafür umso dynamischer, was dem Teenie-Drama guttut. Gerade in der Pilotfolge treten Stilmittel wie Slow Motion und Montagesequenzen samt Voice-Over überhäuft auf, doch das verläuft sich ab der zweiten Episode. Kostümtechnisch lässt sich über die pinke Uniform der Schüler:innen wohl streiten – ein Blickfang ist es auf alle Fälle. Dass allerdings die Mädchen in kurzen Röcken und hohen Kniesocken herumlaufen, wirkt im Hinblick auf die aktuelle, hohe Relevanz von Diversity- und Anti-Sexismus-Bemühungen eher aus der Zeit gefallen.

James und Ruby in Uniform, im eindrucksvollen Gebäude von Maxton Hall. Prime Video, Stephan Rabold

Gerade für ein deutschsprachiges Publikum, das bei deutschen Serien auch ein deutsches Setting gewohnt ist, mag das britische Setting erstmal irritierend vorkommen – vor allem für jene Personen, die die Buchreihe nicht kennen. Hier hätte ein bisschen mehr Kontext das „immersive“ Erlebnis begünstigt, doch nach spätestens der ersten Dreiviertelstunde hat es sich etabliert. Insgesamt kommt die zweite Folge überzeugender und runder als der Pilot daher, der hauptsächlich Exposition betreibt und nur wenig in Handlung und Konflikt einsteigt. Dranbleiben lohnt sich also.

Fazit: Wer eine einzigartige Teenie-Serie mit dem gewissen Etwas sucht, wird bei „Maxton Hall“ nicht unbedingt fündig. Vergleichbare Teenie-Serien versuchen aus dem klischeelastigen Genre auszubrechen, meist durch ein starkes Alleinstellungsmerkmal (Devi als indisch-amerikanische Schülerin in „Noch nie in meinem Leben …“, Otis als selbsternannter Sex-Ratgeber in „Sex Education“; die internationalen Schüler:innen an Koreas KISS-Schule in „XO, Kitty“). „Maxton Hall“ fehlt genau das. Dennoch ist die Serie nicht umso weniger sehenswert: Die Produktion ist hochwertig, das englische Setting ist mutig und die zweite Folge bewegt sich in puncto Tiefgründigkeit in die richtige Richtung. Offen bleibt, ob die restlichen vier Folgen denselben Weg einschlagen.

Die Review basiert auf der Sichtung der ersten zwei Folgen von „Maxton Hall – Die Welt zwischen uns“.

Meine Wertung: 3/​5

„Maxton Hall – Die Welt zwischen uns“ erscheint am 9. Mai bei Prime Video. Die erste Staffel umfasst sechs Folgen. Regie führten Martin Schreier („Traumfabrik“) und Tarek Roehlinger („Ein Ausnahmezustand“). Daphne Ferraro, die im Writers Room der Serie „Dark“ saß, fungiert als Headautorin. Bei der Teenie-Romance-Serie handelt es sich um die erste Adaptation des 2018 erschienenen Romans „Save Me“ von Mona Kasten, der sich insgesamt 59 Wochen in den Top 10 der Spiegel-Bestsellerliste hielt.

Über die Autorin

Originalität – das macht für R.L. Bonin eine Serie zu einem unvergesslichen Erlebnis. Schon als Kind entdeckte die Autorin ihre Leidenschaft für das Fernsehen. Über die Jahre eroberten unzählige Serien unterschiedlichster Genres Folge für Folge, Staffel für Staffel ihr Herz. Sie würde keine Sekunde zögern, mit Dr. Dr. Sheldon Cooper über den besten Superhelden im MCU zu diskutieren, an der Seite von Barry Allen um die Welt zu rennen oder in Hawkins Monster zu bekämpfen. Das inspirierte sie wohl auch, beruflich den Weg in Richtung Drehbuch und Text einzuschlagen. Seit 2023 unterstützt sie die Redaktion mit der Erstellung von Serienkritiken. Besonders Wert legt sie auf ausgeklügelte Dialoge, zeitgemäße Diversity und unvorhersehbare Charaktere.

Lieblingsserien: Lost in Space, Supergirl, Moon Knight

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1978) am

    Schon das Genuschel in der Vorschau lässt mich abwinken. Aber ich bin GsD auch nicht mehr die Zielgruppe.
    • am

      "GsD nicht mehr die Zielgruppe" klingt ja sehr traurig. Ich lasse mich jedenfalls in kein Altersraster pressen!
    • am

      Und weiß noch nicht mal, was GsD bedeutet?!
    • (geb. 1978) am

      Gott sei Dank soll das heißen. :-)

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