„Der Überfall“: Thriller-Drama-Crime-Mix mit Katja Riemann und Guilty-Pleasure-Elementen – Review

ZDF-Miniserie verbindet schicksalhaft Lebenswege

Gregor Löcher
Rezension von Gregor Löcher – 04.03.2022, 13:24 Uhr

Katja Riemann mit Color-Shift-Effekt in „Der Überfall“ – Bild: ZDF
Katja Riemann mit Color-Shift-Effekt in „Der Überfall“

In der neuen, sechsteiligen ZDF-Miniserie „Der Überfall“ umreißt jede Folge einen Tag im Leben verschiedener Personen, deren Lebensweg durch den Überfall eines Kiosks schicksalhaft miteinander verbunden scheint. Der Genremix aus Drama, Thriller und Crime erinnert in vielerlei Hinsicht an das nach wie vor bahnbrechende „24“ und dessen Nachfolger – wenngleich in der genannten Vorlage pro Folge lediglich eine Stunde des Geschehens abgedeckt wurde. Aber sogar Guilty-Pleasure-Elemente einer Seifenoper sind in „Der Überfall“ vorhanden – und eine Teenagerin, die durch unvernünftige Aktionen alles nur noch schlimmer macht, als es ohnehin schon ist.

Alles beginnt mit einem Fisch, der vom Himmel kommend auf der Motohaube des Schmalspur-Gangsterpärchens Paula Schönberg (Katja Riemann, „Emma nach Mitternacht“) und Daniel Kowalski (Joel Basman, „Eldorado KaDeWe“) landet. Diese sind gerade auf dem Weg, um einen Kiosk zu überfallen – bewaffnet. Allerdings braut sich bereits vor ihrem Eintreffen in besagtem Ladengeschäft Unheil zusammen, das den Kioskbesitzer Hassan Merizadi (Hadi Khanjanpour, „Die verlorene Tochter“) und seinen Bruder Damon (Yasin Boynuince, „Bruder – Schwarze Macht“) zu beunruhigen scheint – weshalb Hassan 30.000 Euro von der Bank abgehoben hat und nun in einem Umschlag mit sich herumträgt.

Paula Schönberg (Katja Riemann) am Rande der Verzweiflung ZDF/​Hardy Brackmann

Fast von Anfang an ist klar, dass es sich hier um zwei verschiedene Sachverhalte handelt, die mehr oder weniger zufällig – bzw., um im Duktus der Serie zu bleiben: schicksalhaft – zur selben Zeit am selben Ort stattfinden. Und die dazu führen, dass sich Lebenswege verschiedener Charaktere so kreuzen und verknüpfen, dass sie fortan miteinander verbunden sind. Durch mehr oder weniger bruchstückhafte Einblicke in die jeweiligen Lebenssituationen und Handlungsweisen der einzelnen Persönlichkeiten beleuchtet die Serie im weiteren Verlauf die Hintergründe, die zu ebenjenem verhängnisvollen Montagvormittag im Kiosk geführt haben, wie Teile eines Puzzles.

Der Überfall endet mit einem Toten und einem schwer Verletzten. Der mit der Aufklärung des Verbrechens betreute Kriminalbeamte Frank Worms (Sebastian Zimmler, „Unbroken“) zieht spontan die sich zufällig vor Ort befindende Polizistin Antonia Gebert (Lorna Ishema) zum Fall hinzu – obwohl diese eigentlich wegen psychischer Probleme zur Zeit keine großen Fälle betreut, sondern auf Schulhöfen nach Drogen fahndet. Serienfans kennen Ishema bereits in einer Rolle als Polizistin, aus dem VOX-Überraschungswerk „Rampensau“. Glücklicherweise wird Ishema in „Der Überfall“ die Möglichkeit gegeben, einen wesentlich nuancierteren Charakter zu spielen – ihre Antonia Gebert leidet unter Panikattacken und ist deswegen im Kollegium Anfeindungen ausgesetzt. Und diese vermeintliche Schwäche ist wohl auch der Grund, weshalb Worms sie überhaupt in die Aufklärung einbindet. Denn dieser scheint in dem Fall mit drinzustecken und tut folglich sein Möglichstes, den Tathergang zu verschleiern und Beweismittel zu manipulieren.

Frank Worms (Sebastian Zimmler) führt nichts Gutes im Schilde. ZDF/​Hardy Brackmann

Zimmler scheint seine Rolle wie auf den Leib geschrieben. Es bleibt zu hoffen, dass man ihn noch des Öfteren auf dem Bildschirm zu sehen bekommen wird. Auch die anderen Mitwirkenden des Ensembles vermögen schauspielerisch zu überzeugen, namentlich Karolina Lodyga („Im Angesicht des Verbrechens“) als trauernde Witwe und gleichzeitig verzweifelte Mutter, die ihr verschwundenes Kind sucht. Lediglich Riemann will sich nicht so recht in die Riege einreihen – ist sie doch immer ein bisschen größer, ein bisschen mehr als der restliche Cast. Vielleicht habe ich einfach ein paarmal zu oft ihre Komödie „Stadtgespräch“ gesehen, als dass ich ihr in „Der Überfall“ ihre tragische und verzweifelte Rolle Paula Schönberg abnehme, die des öfteren ins unfreiwillig Komische anzudriften scheint – wenn ihr beispielsweise ihre Assistentin mit einem Taschentuch Flecken aus dem Kostüm entfernen muss, während die Sicherheitsfirma, in der Paula arbeitet, von Beamten wegen verdächtiger Vorgänge durchsucht wird. Riemann nimmt sich dabei so ernst, dass sie eher eine Persiflage auf eine abgebrannte Spielsüchtige, die in ihrem Auto wohnt, zu mimen scheint als einen tatsächlichen Charakter.

Weitaus glaubwürdiger ist die Verzweiflung Paulas Kumpanen Daniel anzumerken – auch er befindet sich in finanziellen Schwierigkeiten und muss ausgerechnet zu einem Zeitpunkt auf seine Tochter aufpassen, als seine Wohnung gepfändet wird. Weshalb sich Vater und Kind auf eine Art Roadtrip begeben, der – man ahnt es – wohl keine gute Wendung nehmen wird. Kinder als Katalysator für fragwürdige Entscheidungen ihrer Eltern spielen eine große Rolle in „Der Überfall“. Neben einem verschwundenen Kind und einem Kind on the road gibt es noch Antonias Tochter Charly (Marie-Rosie Merz), die von ihrer Mutter in der Wohnung eingesperrt wird und deswegen versucht, sich an der Häuserfassade zum nächsten Balkon zu hangeln, um durch die Nachbarwohnung zu fliehen. Hier kommt „Der Überfall“ gänzlich ohne bissige Pumas aus, trotzdem lässt einen diese unnötige Storyline an Kim Bauers frühere Eskapaden aus „24“ denken. Und wenn dann gleichzeitig ein anderer Jugendlicher in einer anderen Wohnung wegen einer Überdosis Kokain zusammenbricht, kann man den Eindruck gewinnen, dass möglichst viel Drama in diese sechs Folgen reingepackt werden sollte.

Da ein bisschen Soapstoff auch nie schadet, um Charaktere dazu zu bringen, zu lügen, verheimlichen und zu unvernünftigen Aktionen zu motivieren, die dann wiederum weitere Verhängnisse nach sich ziehen, gibt es da noch zwei Schwestern, die denselben Mann lieben, welcher eine Affäre mit einer der besagten Schwestern hat. Unglücklicherweise war auch das geheime Liebespaar zur falschen Zeit am falschen Ort, nämlich im Kiosk, als der Überfall stattfand. Ob dies allerdings wirklich Zufall war, oder ob auch sie eine direkte Verbindung zum Kriminalfall haben, muss sich erst noch zeigen. Auffällig ist aber, dass am Ende der zweiten Folge schon ziemlich viele Geheimnisse gelöst zu sein scheinen – was die Frage aufwirft, ob der Miniserie vorzeitig die Luft ausgehen wird, oder ob der Spannungsbogen bis zum Schluss aufrechterhalten werden kann.

Antonia Gebert (Lorna Ishema) kämpft mit ihren eigenen Dämonen.ZDF/​Hardy Brackmann

An Pathos mangelt es dem neuen ZDF-Krimi nicht, das wird von der ersten Szene an klar. Oft eingesetzte Einstellungen in Zeitlupe, langsame Kamerafahrten, die entweder in das Geschehen hineinzoomen, oder sich weit davon entfernen, um die Einbettung in einen größeren Gesamtkontext sichtbar zu machen. Gespickt mit viel sagenden (bzw. nichts sagenden) Zitaten als Voice-over – es wird unmissverständlich klar gemacht, dass es hier um etwas ganz Großes gehen soll. Das kann man mögen oder nicht – wenn man „Der Überfall“ eine Chance geben will, muss man sich darauf einlassen, sonst wird man schnell ungeduldig werden. Und wenn dann ein Kind ein Bild von einer fliegenden Eule mit einem Fisch im Mund malt, und kurz darauf ein Fisch vom Himmel fällt, kann man sich fragen, ob wir es hier gar mit übernatürlichen Phänomenen zu tun haben könnten. Die Eulen sind nicht, was sie scheinen … Verstärkt wird dieser Eindruck von einem immer wieder eingesetzten Color-Shift-Effekt.

Das Rad neu erfunden hat „Der Überfall“ sicherlich nicht. Das ist ja auch nicht bei jeder Produktion vonnöten. Ein schicksalhaftes Ereignis aus verschiedenen Perspektiven erzählen, Charaktere, die alle ihre kleinen Geheimnisse haben, durch Rück- und Einblicke in ihr Innenleben nach und nach zu beleuchten, in jeder Folge einen neuen Tag zu erzählen – alles Elemente, die es schon oft, und teilweise auch sehr gut umgesetzt zu sehen gab („Im Angesicht des Verbrechens“ würde ich auch heute noch uneingeschränkt empfehlen). „Der Überfall“ versucht zum Glück nicht, mehr zu wollen, als es abliefern kann – was gerade bei ZDF-Produktionen nicht unbedingt immer gesagt werden kann. Handwerklich gut gemacht (abgesehen vom Kopfhörer-Schnitt-Faux-pas direkt zu Beginn), mit einem angemessen stimmungsvollen Score, ist die neue Miniserie für Serienfans, die nicht unbedingt einen klassischen ZDF-Krimi erwarten, sondern es gern ein wenig dramatischer mögen, auf jeden Fall einen Versuch wert.

Dieser Text beruht auf Sichtung der ersten zwei Episoden der sechsteiligen Miniserie „Der Überfall“.

Meine Wertung: 3,5/​5

Das ZDF zeigt „Der Überfall“ ab dem 4. März freitags um 21:15 Uhr und samstags um 21:45 Uhr. Die komplette Serie ist bereits in der ZDFmediathek verfügbar.

Über den Autor

Gregor Löcher wurde in den späten 70er-Jahren in Nürnberg geboren und entdeckte seine Leidenschaft für Fernsehserien aller Art in den 80er-Jahren, dem Jahrzehnt der Primetime-Soaps wie dem Denver Clan und Falcon Crest, was ihn prägte. Seitdem sind Faibles für viele weitere Serien und Seriengenres hinzugekommen, namentlich das der Comedyserie. Seit 2008 ist er als Webentwickler für fernsehserien.de tätig und hat zum Glück nach wie vor die Zeit, sich die eine oder andere Serie anzusehen.

Lieblingsserien: UFOs, Die Brücke, Will & Grace

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1971) am

    Protagonist*innen? Jetzt fängt wunschliste.de auch schon mit diesen nicht zu Ende gedachten Worterfindungen an? Kann denn kein Mensch mehr ordentliches Deutsch? In selbiger Sprache gibt es keine Wörter mit Sonderzeichen darin, das entbehrt jeder grammatikalischen Grundlage. Auch die Redakateure von wunschliste.de sollten sich nach den dafür gültigen Empfehlungen des Deutschen Rechtschreibrats halten. Das ist ja peinlich, für eine Seite dieser Größe.

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