Vor dem Start von „Blackout“: Moritz Bleibtreu soll in Miniserie die Welt retten – Review

Bestselleradaption entwickelt wenig erzählerische Energie

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 26.01.2023, 13:38 Uhr (erstmals veröffentlicht am 13.10.2021)

Moritz Bleibtreu als Pierre Manzano in „Blackout“ – Bild: Gordon A. Timpen / Joyn / SAT.1 / W&B
Moritz Bleibtreu als Pierre Manzano in „Blackout“

Anmerkung: Dieser Text wurde im Rahmen der Online-Premiere von „Blackout“ im Oktober 2021 erstmalig veröffentlicht. Ab dem 26. Januar 2023 zeigt Sat.1 den Sechsteiler an drei Donnerstagen jeweils ab 20:15 Uhr in Doppelfolgen.

Eben war die Welt noch in Ordnung: Die Einen vergnügten sich auf der Kirmes in einer Achterbahn, die Anderen – zwei Mädchen – fuhren im Zug zu ihrer Mutter nach Berlin. Aber plötzlich gehen alle Lichter aus und nichts ist mehr wie zuvor. Mit der deutschen Eigenproduktion „Blackout“ greift der Streamingdienst Joyn ein ebenso altes wie universelles Filmthema auf: Was passiert, wenn der Strom weg ist – und nicht wiederkommt? Werden unsere modernen Gesellschaften zurück in die Steinzeit katapultiert? Bröckelt der Kitt der Zivilisation schon nach kurzer Zeit oder ist der soziale Zusammenhalt doch stärker? Die sechteilige Miniserie gibt darauf eine recht deprimierende Antwort.

Es ist ein europaweiter kompletter Stromausfall, der die deutsche Bevölkerung ebenso unvorbereitet trifft wie die Regierungsstellen. Die Kirmesbesucher bleiben kopfüber in der Achterbahn hängen, Züge bleiben im Niemandsland liegen und im Bundesinnenministerium versucht ein Krisenstab, die Lage im Griff zu behalten. Gleich mehrfach gefordert ist die Beamtin Frauke Michelsen (Marie Leuenberger), die unerwartet die Leitung des Krisenstabs übernehmen muss, weil ihr Chef von seiner Dienstreise nach Tokio nicht zurück kann. Aber auch privat steht sie unter enormem Stress, denn ihre Töchter Lisa und Marie sind spurlos verschwunden. Die beiden Mädchen im Grundschulalter waren ohne Begleitung unterwegs von ihrem Vater (Barry Atsma, „Bad Banks“) in Hamburg zur Mutter in der Hauptstadt. Ihr ICE wurde geräumt, doch in der Sporthalle, in der die Fahrgäste übernachteten, sind die Kinder nie angekommen. Was die Eltern nicht wissen: Ein Mann mit zweifelhaften Absichten hat sie mit zu sich nach Hause genommen.

In Berlin tobt inwischen der Machtkampf zwischen der eher vorausschauend denkenden Frauke, ihrem Vorgesetzten Veit Rhees (Stephan Kampwirth) und dem abwiegelnden Innenminister Severin (sehr klischeehaft: Herbert Knaup). Soll man den bundesweiten Katastrophenfall ausrufen und so eine Panik riskieren oder die Bürger lieber in trügerischer Sicherheit wiegen? Als klar wird, dass der Strom nicht so schnell zurückkommen wird, die Tiefkühllager tauen und Lebensmittel verderben, machen sich auf den Straßen Plünderer und Randalierer breit und liefern sich Schlachten mit den überforderten Polizisten.

Mutter und Spitzenbeamtin: Frauke Michelsen (Marie Leuenberger) will ihre Töchter am Bahnhof abholen Joyn/​W&B Television, Gordon Timpen

Im Mittelpunkt der Suche nach den Ursachen und Urhebern dieser Katastrophe steht unterdessen Pierre Manzano (Moritz Bleibtreu). Der frühere Globalisierungsgegner und Hacker hat schon im Knast gesessen und arbeitet jetzt als Pizzafahrer in Bozen. Er erkennt schnell, dass es sich um gezielte Sabotage handeln muss und will den Behörden mit seinem Wissen helfen. Dabei gerät er allerdings selbst unter Verdacht und findet sich bald auf einer wilden Flucht von Den Haag aus quer durch Deutschland, immer auf der Suche nach den wahren Terroristen, die durchaus alte Freunde sein könnten.

Als „High-End-Serie“ verkaufen Joyn und Sat.1 – wo der Sechsteiler 2022 zu sehen sein wird – ihre Produktion. Das bezieht sich aber wohl eher aufs Budget als auf die Komplexität der Handlung. Letztere erinnert jedenfalls deutlich mehr an einschlägige Katastrophenfilme der 1970er Jahre als an Qualitätsserien des 21. Jahrhunderts. Die interessanten Fragen nach Klimakrise, Energiewende und dem Wandel der westlichen Industriegesellschaften, die das Thema nahelegt, werden kaum gestreift. Stattdessen bemüht sich Regisseur und Drehbuchautor Lancelot von Naso (nach dem Bestseller von Marc Elsberg) darum, die Spannung durchgehend hoch zu halten. Das klappt anfangs noch ganz gut, wenn alle Beteiligten auf die ganz neue Situation reagieren müssen. Spätestens ab Folge 3 werden die immer neuen Wendungen aber zunehmend unglaubwürdig und irgendwann auch absurd.

Ex-Hacker und Globalisierungsgegner: Pierre Manzano (Moritz Bleibtreu) gerät ins Visier der Polizei.Joyn/​W&B Television, Gordon Timpen

So entdeckt der sympathische Loser und Ex-Aktivist Pierre als Einziger, was die Ursache des Blackouts sein könnte, wird erst verhaftet und von Europol nach Den Haag verschleppt, kann dann ganz leicht entkommen, landet auf der Flucht mit einer heißen Journalistin (Hannah Hoekstra) im Bett, gerät unter Mordverdacht und versucht trotzdem noch unermüdlich, die Welt zu retten. Auch die Odyssee der beiden kleinen Mädchen steigert sich von noch halbwegs glaubwürdig zu völlig abstrus, hat aber zumindest für die ZuschauerInnen den Vorteil, dass man herrlich um die sympathischen Kinder mitbangen kann.

Wie stark einen die unterschiedlichen Handlungsstränge interessieren, hängt hier auch ganz stark an den Darstellenden: Während Moritz Bleibtreu eher routiniert spielt, vermittelt Marie Leuenberger glaubhaft die Zerrissenheit zwischen Mutterrolle und Krisenmanagerin, die das Beste für alle will, aber auch knallhart priorisieren muss. Völlig lustlos agiert Heiner Lauterbach, der als Kommissar die Ermittlungen und die Suche nach den Tätern leitet. Konnte er vor Kurzem in der VOX-Serie „Unter Freunden stirbt man nicht“ nicht noch seine schauspielerischen Fähigkeiten beweisen, hat er für diese Rolle wohl auf Autopilot geschaltet.

Knorriger Chefermittler: Kommissar Jürgen Hartlandt (Heiner Lauterbach) Joyn/​W&B Television, Gordon Timpen

Inhaltlich hat die Miniserie wenig Neues zu bieten. Die Handlung schreitet nach dem aus dem Katastrophengenre bekannten Eskalationsprinzip voran: Was schiefgehen kann, geht auch schief. Die angedeuteten politischen Konflikte (soll sich die Bundesregierung bei der Versorgung der Bevölkerung von Russland helfen lassen?) bleiben oberflächlich. Alles wirkt so, als wolle man eher den durchschnittlichen Sat.1-Zuschauer ansprechen als jüngere Streamingabonnenten zu gewinnen. Das ist handwerklich solide in Szene gesetzt und kann auch durchaus unterhalten, hat aber letztlich doch zu viele Defizite, um zu überzeugen.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten fünf Episoden von „Blackout“.

Meine Wertung: 3/​5

Die Miniserie ist ab dem 14. Oktober 2021 beim Bezahlangebot Joyn Plus+ verfügbar. Ab dem 26. Januar 2023 wird sie ihre Free-TV-Premiere in Sat.1 haben.

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Die Überschrift ist mutwillig falsch und hirnlos.
    Habt ihr es wirklich soooo nötig?
    • am via tvforen.de

      Wie üblich mal wieder nur per Streaming.

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