Serien unserer Kindheit: „Als die Tiere den Wald verließen“

Waldbewohner sind gemeinsam stark

Christopher Diekhaus – 02.05.2021, 12:00 Uhr

Die Tiere vom Thalerwald müssen handeln. – Bild: ARD
Die Tiere vom Thalerwald müssen handeln.

Hört, hört! Das Karussell in der Rubrik „Serien unserer Kindheit“ dreht sich weiter. Nach „Neues aus Uhlenbusch“ steht nun eine Zeichentrickserie im Mittelpunkt, die 1993 erstmals in der ARD zu sehen war. „Als die Tiere den Wald verließen“ hat fernsehserien.de-Autor Christopher Diekhaus damals prächtig unterhalten – und ist heute thematisch aktueller denn je.

Meine Erinnerungen an die auf der gleichnamigen Buchreihe basierende europäische Koproduktion von insgesamt 18 Sendeanstalten sind vielfältig. Besonders eingebrannt hat sich mir aber eine Darstellung aus dem Vorspann: Ein gigantischer Betonmischer kippt seinen grauen Inhalt über einer Wald- und Wiesenlandschaft aus und flutet sie. Ohne Rücksicht auf Verluste wildert der Mensch in den Lebensräumen anderer Geschöpfe, vernichtet sie, nur um sich selbst immer weiter auszubreiten. Das begriff ich schon als Kind dank dieses bedrohlichen, überhöhten und kraftvollen Bildes und machte mir, womöglich zum ersten Mal, Gedanken darüber, wie wir mit unserer Umwelt umgehen.

Das Ausmaß der Zerstörung nimmt im Thalerwald der Serie in Folge eins derart dramatische Formen an, dass die tierischen Bewohner eine Versammlung einberufen, um über Rettungspläne zu diskutieren. Bereits bei diesem Treffen, das unter anderem einen Fuchs, einen Dachs, ein Wiesel, einen Maulwurf, eine Eule, eine Kreuzotter und einen Turmfalken zusammenführt, kristallisieren sich Rollen und Charaktereigenschaften der Anwesenden heraus. Die Eule etwa hört sich gerne reden und wirft mit Weisheiten um sich, während das Wiesel den Ernst der Lage ständig wegkichert und der Maulwurf permanent Schuldgefühle mit sich herumträgt.

Ein besonderer Schwur

Auf Vorschlag der Kröte, die nach langer Abwesenheit in ihre Heimat zurückgekehrt ist, beschließen die Tiere, ihren geliebten Wald zu verlassen und sich zu einem Naturreservat namens Weißhirschpark durchzuschlagen. Um allen die Angst vor Reise zu nehmen, schwören sie den Eid des gegenseitigen Schutzes: Keiner wird unterwegs versuchen, einen anderen aus der Gemeinschaft aufzufressen. Eine Vereinbarung, die vor allem der verschlagen wirkenden Kreuzotter schwerfällt. Unter der Führung des Fuchses zieht der bunte Haufen nur wenig später los. Und die gesamte erste Staffel erzählt vom großen Abenteuer, das zahlreiche Hindernisse und Umwege mit sich bringt.

Die Füchse und der Dachs behalten den Durchblick. ARD

Auch wenn die Serie darauf hinweist, dass Menschen Tieren in Naturschutzgebieten ein sicheres Umfeld geben, kommen die „großen Erdbeweger“, wie wir in der ersten Folge aufgrund der maschinellen Verwüstungskraft genannt werden, nicht allzu gut weg. Der Raubbau an der Natur und das Fehlverhalten der Zweibeiner werden an zahlreichen anschaulichen Beispielen festgemacht: Die Kröte verschwand aus ihrem Habitat, weil sie eingefangen wurde. Das Fasanenpaar wagt sich nicht mehr aus dem Thalerwald heraus, da sie keine Jagdopfer werden wollen. Eine achtlos weggeschnippte Zigarette löst in der dritten Episode einen verheerenden Brand aus. Und irgendwann kommen der Fuchs und seine Begleiter mit giftigen Chemikalien in Kontakt, die ein Bauer heimlich einsetzt. Die ökologische Botschaft ist nicht zu übersehen, wird aber so natürlich in die zum Teil recht spannenden Ereignisse integriert, dass sie nicht allzu belehrend daherkommt.

Nicht alle Tiere kommen durch

Ein zweiter Aspekt, der mich bei der ersten Sichtung beeindruckt hat, ist der – freilich utopische – Gedanke des Zusammenhaltes. Die Serie hat so viele unterschiedliche Tiere zu bieten, bei denen es sich mitunter um erbitterte Feinde handelt. Für die gemeinsame Sache springen sie jedoch alle über ihren Schatten und bauen gegenseitiges Vertrauen auf. Wie ausgeprägt der Teamgeist ist, zeigt sich auch daran, dass die Protagonisten darauf achten, niemanden zurückzulassen. Auf zwischenzeitliche Trennungen folgen freudige Wiedervereinigungen. Das Gemeinschaftsgefühl kommt trotz einiger Differenzen auch in den Staffeln zwei und drei zum Vorschein, die das Leben der ehemaligen Thalerwald-Bewohner im Weißhirschpark beschreiben. Mit einem Blaufuchsrudel unter Führung von Narbengesicht und einer Rattenplage ergeben sich hier neue Gefahren und Konfliktherde.

Mit den Blaufüchsen ist nicht gut Kirschen essen. ARD

Was mir als Kind nicht besonders auffiel oder was ich nach all den Jahren wieder vergessen habe, ist die durchaus beachtliche Zahl an Todesopfern in „Als die Tiere den Wald verließen“. Diverse Vierbeiner überstehen die Flucht zum Weißhirschpark nicht. Und manchmal geht es dabei alles andere als zimperlich zur Sache. Nachhaltig verstörend waren diese Wendungen für mich jedoch nicht. Vielleicht hat gerade der Mut, bei allem Idealismus abgründige Momente zuzulassen, den Reiz der Serie ausgemacht. Einer Serie, die sich mit ihrem eher spartanischen Zeichentrickstil zwar nicht mit den berauschend-fotorealistischen Animationen der Gegenwart messen kann, die ob ihrer Natur- und Tierschutzmessage aber bestens in unsere von Klimawandel und Artensterben geprägte Zeit passt. Mein Bewusstsein für die von Menschenhand geschaffenen Probleme in Flora und Fauna haben die Macher Mitte der 1990er Jahre jedenfalls geschärft. Unser Verhalten sollten wir langsam ändern, Sportsfreunde (Na, wessen Standardausspruch ist das?)!

Alle drei Staffeln von „Als die Tiere den Wald verließen“ sind übrigens über Amazon Prime Video unter Zubuchen des ARD-Plus-Channels verfügbar.

Die bisherigen Texte aus der Reihe „Serien unserer Kindheit“

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1988) am

    Die Serie ist etwas Besonderes, insbesondere in der ersten Staffel. Teilweise wird hier echt schonungslos gezeigt, wie liebgewonnene Tiere umgebracht werden, sei es durch den Menschen oder durch andere Tiere. Tote Mäuse blutend aufgespießt auf Ästen? Sowas würde man heutzutage nicht mehr machen.
    Allerdings: All dies hat auch einen Lehrfaktor. Die Kinder lernen auf diese Weise, die Natur zu verstehen und dass eben nicht alles Friede Freude Eierkuchen ist. Auch abseits der Todesszenen werden so Dinge aus der Natur ganz nebenbei beigebracht, zum Beispiel dass es eine Kröte immer wieder instinktiv zu ihrem Heimatort zurückzieht. Auch ich habe zwei, drei Dinge gelernt, zum Beispiel dass es Vögel gibt, die tatsächlich Mäuse fangen und diese dann auf Äste aufspießen und sich so eine Vorratskammer an Nahrung aufbauen. Habe das dann direkt mal gegoogelt, nachdem ich es in der Serie gesehen habe.

    Ebenfalls gefallen hat mir, dass alle Figuren ganz unterschiedliche Charaktere haben, teilweise auch sehr skurril und/der nicht gerade freundlich anderen gegenüber (selbst dem eigenen Lebenspartner). Das wird nahezu niemals kritisiert, sondern es ist einfach so wie es ist. Auch das Misstrauen gegenüber wird stets deutlich und der Zusammenhalt in dieser zusammengewürfelten Zweckgemeinschaft ist keineswegs besonders stark und wird andauernd in Frage gestellt.

    Leider verkommen die zweite und noch stärker die dritte Staffel ins Gewöhnliche. Der Realismus der Tierwelt weicht zunehmend überdrehter Zeichentrickdarstellung von vermenschlichten Tieren. Es werden plumpe Feindbilder aufgebaut und natürlich muss sofort nach dem Ankommen im Weißhirschpark jedes Tier einen gleichgesinnten Lebenspartner finden (auch das wieder sehr plump - die Gegenstücke sind einfach "da", und sofort ist klar dass diese nun ein Paar sind).
    Auch in Staffel 2 gibt es einige schöne Dinge, die einen an die Qualität der ersten Staffel erinnern lassen, aber spätestens in Staffel 3 ist davon nicht mehr viel zu sehen.

    Wenn ich mir die Serie noch einmal schauen sollte, dann würde ich mich lediglich auf die 13 Folgen der ersten Staffel beschränken. Das reicht vollkommen und kann ich auch jedem empfehlen. Kleinen Kindern würde ich diese Serie aber nur mit Begleitung zeigen, damit man für sie die ein oder andere schlimme Szene einordnen kann.
    • am

      Das war eine der letzten Kindersendungen, die einigermaßen gut gezeichnet waren.

      Heutzutage - trotz Computertechnik - ist alles eintönig und hässlich.
      • am

        Da bin ich voll und ganz der selben Meinung. All den schnell produzierten, computeranimierten Filmen
        fehlt es an Ausdruckskraft und Schönheit. Man sehnt sich nach den alten Disney-Filmen mit alter
        Zeichentrick-Technik zurück.
      • (geb. 1988) am

        Ich glaube, ihr verklärt da etwas die Vergangenheit und habt gleichzeitig die typische "Früher was alles besser" Rentner-Brille aufgezogen.
        Ich habe in den letzten Wochen alle drei Staffeln der Serie angeschaut und muss sagen, dass der Zeichenstil keineswegs als besonders gut bezeichnet werden kann. Gut, die Hintergründe sind schöne Wasserfarben-Bilder, aber alle animierten Tiere und Objekte sind sehr flach gehalten und man sieht andauernd das vergleichsweise limitierte Budget, das den europäischen Sendeanstalten damals zur Verfügung stand (zum Beispiel wenn sich nur eine Pfote dreht, ohne dass sich der Rest des Körpers mitbewegt). Mit der Qualität von Disney-Filmen selbst aus weitaus älteren Jahrzehnten hat das jedenfalls nichts zu tun.
        Ich will jetzt hier auch nicht eine europäische TV-Serie mit Kinofilmen eines Weltkonzerns vergleichen. Aber verklären sollte man es auch nicht. Und wer pauschal alles moderne als eintönig und hässlich abtut, dem täte es mal gut, seine Scheuklappen abzusetzen.

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