Happy Birthday, Thommy! – Thomas Gottschalk wird 70

Großer Rückblick auf die lange Karriere der Entertainer-Legende

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 17.05.2020, 11:43 Uhr

Wetten, dass..?

Thomas Gottschalk bei seiner „Wetten, dass..?“-Premiere in Hof am 26. September 1987 ZDF/​Renate Schäfer

Den endgültigen Durchbruch erlebte Thomas Gottschalk mit der Übernahme von „Wetten, dass..?“. Es wird zweifelsohne für immer die Sendung bleiben, die man zuallererst mit dem Entertainer verbindet – obwohl Gottschalk ja der Nachfolger war. Immer wieder betont er, dass er seinem Mentor Frank Elstner viel zu verdanken hat. 1981 hob der seine Showerfindung aus der Taufe und moderierte sie bis 1987. Hätte Elstner nicht die Größe besessen, nach 39 Ausgaben abzutreten und Gottschalk die Nachfolge der Sendung anzubieten, die er zuvor zu einem Erfolg geführt hatte – Gottschalks Karriere wäre womöglich völlig anders verlaufen. Ich habe damals mit einer gewissen Wurschtigkeit alles gemacht, was sich mir in den Weg gestellt hat, erklärte der Entertainer, der das Angebot ohne viel Nachzudenken annahm und am 26. September 1987 seine erste „Wetten, dass..?“-Ausgabe aus Hof präsentierte.

Nach nur fünf Jahren und 36 Sendungen verließ Gottschalk jedoch „Wetten, dass..?“ und präsentierte seine vorerst letzte Ausgabe am 2. Mai 1992, um zur privaten Konkurrenz RTL zu wechseln. Nachfolger von Gottschalk wurde DDR-Show-Ikone Wolfgang Lippert, der jedoch beim „Wetten, dass..?“-Publikum nicht gut ankam. Die Kritiken fielen schlecht aus, die Quoten sanken. Und so nahm Gottschalk das Angebot des ZDF an, zu „Wetten, dass..?“ zurückzukehren. Diesmal blieb er der Sendung deutlich länger treu – und moderierte sie vom 15. Januar 1994 bis zum 3. Dezember 2011. In den letzten beiden Jahren stand ihm Michelle Hunziker als Co-Moderatorin zur Seite. „Wetten, dass..?“ gastierte in unterschiedlichen Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zudem gab es immer wieder Sommer-Specials, am häufigsten aus der Stierkampfarena in Palma de Mallorca.

„Wetten, dass..?“ mit Thomas Gottschalk am 8. Oktober 1988 in Linz ZDF/​Barbara Oloffs

Viele Generationen verbinden mit „Wetten, dass..?“ wohlige Samstagabende gemeinsam mit der ganzen Familie vor dem Fernseher. Wenn Gottschalk mit einem seiner ausgefallenen bunten Outfits durch die Showtür kam und mit ausladenden Gesten „Deutschland, Österreich und die Schweiz“ begrüße, fühlte man sich direkt geborgen. „Wetten, dass..?“ war zwar eine Idee von Frank Elstner, doch Thomas Gottschalk perfektionierte die Show zu einem Event, das sechs Mal pro Jahr über viele Jahrzehnte hinweg ein Garant für Reichweiten im zweistelligen Millionenbereich war. Die Mischung aus beeindruckenden Wetten und gemütlicher Plauderei mit den größten nationalen und internationalen Stars vor einer Schale Gummibärchen stimmte einfach. Gottschalk beherrschte wie kein Zweiter die Kunst, diese bombastische Show wie ein Kinderspiel aussehen zu lassen und im Laissez-faire-Stil mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Late-Night-Talker Harald Schmidt und Model Heidi Klum auf einer gemeinsamen Couch zu quatschen.

Häufig wurde der Vorwurf geäußert, die Prominenten würden hauptsächlich in die Sendung kommen, um Werbung für ihr jeweils aktuelles Projekt zu machen. Das war sicherlich richtig, aber weder überraschend noch verwerflich – schließlich tat es dem Unterhaltungsfaktor keinen Abbruch. Im Zeitalter vor YouTube und Instagram gab es kaum andere Gelegenheiten, die Stars aus Hollywood live auf dem deutschen Fernsehbildschirm zu erleben. Auf häufigsten war Schauspielerin Iris Berben mit insgesamt elf Auftritten zu Gast, gefolgt von Til Schweiger, Michael „Bully“ Herbig und Otto Waalkes mit jeweils neun Auftritten. Pro Show gab es auch mehrere Musikacts – hier hält Peter Maffay mit 17 Auftritten den Rekord, Udo Jürgens sang 15 mal, Herbert Grönemeyer 14 mal.

„Wetten, dass..?“ war das, was man ein TV-Lagerfeuer nannte. In den 1990er-Jahren waren im Schnitt zwischen 16 und 18 Millionen Zuschauer dabei – die Marktanteile betrugen zwischen 40 und 55 Prozent. Zu den erfolgreichsten Ausgaben zählen die vom November 1995 mit 17,86 Millionen und die vom März 1999 mit 15,79 Millionen, in denen Superstar Michael Jackson zu Gast war.

Der Charakter der Wetteinsätze, die die prominenten Wettpaten bei falschem Tipp abzuleisten hatten, wandelte sich im Laufe der Zeit. Anfangs stand ein gewisser Strafaspekt im Vordergrund – beispielsweise mussten ein Wettverlierer stundenlang auf öffentlichen Plätzen Spenden sammeln. In späteren Jahren beließ man es zumeist bei schnell umzusetzenden, harmlosen Späßen, die unmittelbar nach der verlorenen Wette in der Halle eingelöst wurden. Gottschalk selbst schonte sich allerdings nicht – und ließ sich nach einer verlorenen Saalwette unter anderem mal in einen überdimensionalen Senftopf versenken. Einen besonderen Wetteinsatz versprach 2003 auch Stefan Raab: Er wollte mit einem Wok eine Bobbahn hinunterfahren. Obwohl er gewann, löste er sein Versprechen ein – daraus entstand schließlich Raabs Eventshow „Wok-WM“.

Thomas Gottschalk bei der Präsentation der Vorschläge für die Saalwette am 17. Februar 2001 in Göttingen ZDF/​Carmen Sauerbrei

Legendäre Wetten haben sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt – seien es die Brustmuskelzucker, der LKW auf Biergläsern, der Mann, der „O sole mio“ sang, während ein Auto über seinen Bauch fuhr, oder der Baggerfahrrer, der mit seinem Gefährt einen 15 Meter hohen Turm hinaufkletterte.

Berühmt-berüchtigt ist die sogenannte Buntstift-Wette: Unter einem Pseudonym schleuste sich Bernd Fritz, Redakteur des Satiremagazins Titanic, in die Sendung vom 3. September 1988 ein. Er behauptete, mit verbundenen Augen die Farbe von Buntstiften am Geschmack erkennen zu können. Nachdem er die Wette gewonnen hatte, gestand er den Schwindel noch in der Sendung – jedoch ohne den Trick zu verraten. Erst in der nächsten Ausgabe der Titanic wurde enthüllt, dass er unter dem Rand der Brille hindurchgelinst hatte.

Markenzeichen war Gottschalks regelmäßiges Überziehen der Sendezeit um 20 bis 30 Minuten, so dass das „heute journal“ nicht pünktlich um 22:30 Uhr starten konnte. Gemessen an heutigen Maßstäben, in der viele Samstagabendshows regulär auf drei bis vier Stunden ausgelegt sind, kaum noch nachvollziehbar.

Ein Schatten über „Wetten, dass..?“ legte sich schließlich am 4. Dezember 2010, als sich Wettkandidat Samuel Koch schwer verletzte und die Live-Show daraufhin abgebrochen wurde – zum ersten Mal in der damals 29-jährigen Geschichte der Sendung. Samuel Koch ist seit dem Unfall gelähmt. In der darauffolgenden Sendung im Februar 2011 gab Gottschalk bekannt, zum Ende des Jahres als „Wetten, dass..?“-Moderator abzutreten. Nach dem schweren Unfall könne er nicht weitermachen wie bisher.

Insgesamt moderierte Thomas Gottschalk 151 mal die Sendung, die als „größte Fernsehshow Europas“ galt. Satte 14,73 Millionen Zuschauer sahen Gottschalks letzte Ausgabe. Sein Nachfolger wurde ZDF-Talker Markus Lanz, der insgesamt 16 Ausgaben von Oktober 2012 bis Ende 2014 moderierte. Nach schlechten Kritiken und kontinuierlich sinkenden Einschaltquoten beschloss das ZDF das Ende der Show. Im Frühjahr 2019 wurde jedoch verkündet, dass Thomas Gottschalk anlässlich seines 70. Geburtstages noch ein einziges Mal „Wetten, dass..?“ als Nostalgieveranstaltung präsentieren wird. Die Sendung ist für den 7. November 2020 in Offenburg geplant.

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