Happy Birthday, Hugo Egon Balder! – Der Gaukler feiert seinen 70. Geburtstag

Großer Rückblick auf die Karriere des Comedy-Cowboys

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 03.04.2020, 13:09 Uhr

Tutti Frutti

MG RTL D

Einen zweifelhaften Ruf als „Herr der Möpse „ bzw. „Hühner-Hugo“ brachte Hugo Egon Balder die Moderation von „Tutti Frutti“ ein. RTL adaptierte die italienische Erotik-Gameshow „Colpo grosso“, von der in Deutschland von 1990 bis 1993 insgesamt 150 Folgen bei RTLplus zu sehen waren. Produziert wurde in Mailand, das komplette Bühnenbild und die Besetzung wurden für die deutsche Fassung übernommen. Obwohl sie offiziell niemand gesehen haben wollte, war sie für den Sender sowohl hinsichtlich der Einschaltquoten als auch der Werbeeinnahmen ein großer Erfolg. Ungeachtet dessen wurde die Show des Öfteren jedoch als „frauenfeindlich“ tituliert und sah sich vernichtenden Kritiken ausgesetzt. Balder selbst kommentierte seinen Ruf schon in der Show selbstironisch: „Andere Leute machen intelligente Arbeit, ich mache ‚Tutti Frutti‘.“

Vielen Zuschauern ist vor allem das höchst undurchsichtige Regelwerk in Erinnerung geblieben, dessen Erklärung nicht zuletzt für Balder selbst regelmäßig eine Mammutaufgabe darstellte und nicht selten eine unfreiwillige Komik mit sich brachte. Zwei Kandidaten beiderlei Geschlechts mussten in Glücks- und Ratespielrunden wie Roulette oder Slot-Machine Punkte erspielen, die sie in abzulegende Kleidungsstücke der Stripperinnen investierten. Daneben konnten auch die Kandidaten blankziehen, um weitere Zusatzpunkte zu ergattern. Gelang es einem Kandidaten, eine der Stripperinnen bis auf den Slip bzw. den Stringtanga zu entkleiden, erhielt er den dieser Stripperin zugeordneten „Länderpunkt“. Die Anzahl der insgesamt erzielten Länderpunkte entschied dann über den Gewinn. Dabei wurden nicht etwa einer oder zehn Punkte vergeben, sondern auf einen Schlag gleich 10.000, was für Verwirrung sorgte. Zu erklären ist dies schlicht damit, dass im italienischen Original Lire vergeben wurden – und man für die deutsche Version am Punktevergabe-System nichts veränderte.

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Zusätzlich zu den Spielen leistete man sich eine eigene Studioband mit Balder am Klavier und Mikrofon, die hier und da Musikdarbietungen zu Gehör brachte. Neben den drei Assistentinnen Monique, Nora und Tiziana sind vor allem die Show-Einlagen des Cin-Cin-Balletts in Erinnerung geblieben – jede der leicht bekleideten Tänzerinnen trug ein Fruchtsymbol auf ihren Brustwarzen und öffnete am Ende ihrer Performance ihren BH, um ihre Brüste zu präsentieren. Begriffe wie „Länderpunkte“ oder das gesungene „Cin-Cin“ wurden zu geflügelten Worten, die bis heute untrennbar mit der Show verbunden sind. Ende 2016 versuchte sich Nitro an einer Neuauflage mit Jörg Draeger als Moderator – es blieb jedoch bei einer einmaligen Ausgabe.

RTL Samstag Nacht

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„RTL Samstag Nacht“ löste den Comedy-Boom in der deutschen TV-Landschaft aus und war vom 6. November 1993 bis 23. Mai 1998 auf Sendung. Jacky Dreksler und Hugo Egon Balder produzierten die Show nach dem US-amerikanischen Vorbild „Saturday Night Live“. Die Sendung war ein Sprungbrett für das junge Ensemble aus den damals noch unbekannten Künstlern Wigald Boning, Olli Dittrich, Mirco Nontschew, Stefan Jürgens, Tanja Schumann und Esther Schweins. Die Sendung bestand aus einer Mischung aus Live-Comedy, vorproduzierten und live gespielten Sketchen, Gags und Parodien.

Etliche Running Gags und Rubriken wurden zu Markenzeichen der Show, wie „Kentucky schreit ficken“, „Zwei Stühle – Eine Meinung“, „Die Doofen“, „Piep!“, „Schreinemakers ihre Schwester live“ oder „Neues vom Spocht“. Fester Bestandteil waren auch die „Samstag Nacht News“. Im Stil von „Rudis Tagesshow“ moderierten Esther Schweins und Stefan Jürgens den satirischen Nachrichtenüberblick, der stets von einem Xylophon spielenden Hans Meiser eingeleitet wurde. Zum Running Gag wurde die Trauerrede auf Karl Ranseier. Unter der Überschrift „Karl Ranseier ist tot“ wurde stets ein Nachruf auf die fiktive Figur gezeigt.

Dazu kamen pro Sendung ein bis drei Gäste, die ihrerseits in Sketchen mitwirkten oder Solo-Comedy beisteuerten. Für damals noch unbekannte Stand-up-Comedians wie Rüdiger Hoffmann, Ingo Appelt oder Hennes Bender bot „RTL Samstag Nacht“ die Möglichkeit, sich vor einem Millionenpublikum zu präsentieren. Für musikalische Umrahmung sorgten in jeder Sendung die Samstag Nacht Allstars unter der Leitung von Martin Ernst. Hugo Egon Balder schwärmt heute noch von der künstlerischen Freiheit, die das Team damals von RTL erhielt.

Von „April, April“ über „TV-Quartett“ bis „9Live Tanzmarathon“

Neben „RTL Samstag Nacht“ war Hugo Egon Balder auch Produzent weiterer RTL-Formate, darunter von der Versteckte-Kamera-Show „April, April“ mit Frank Elstner (1995 bis 1997). In der Fernsehkomödie „Silvia’s Bauch – Zwei Männer und (k)ein Baby“, unter anderem mit Dolly Dollar, Markus Maria Profitlich, Dorkas Kiefer, Piet Klocke und Helmut Zierl, gab Balder sein Regiedebüt. 1998 war er wieder selbst als Moderator bei RTL zu sehen. Er moderierte die Samstagabendshow „Fata Morgana – Die wüste Orientshow“ in einer orientalischen Kulisse, zusammen mit einem „Flaschengeist“. Die Kandidaten wurden vor verschiedene Gaga-Aufgaben gestellt. Nach nur einer einzigen Ausgabe wurde die Show abgesetzt – und markierte das vorläufige Ende von Balders TV-Aktivitäten.

Erst 2001 tauchte er wieder auf der Mattscheibe auf, gut versteckt im experimentellen Programmfenster Sun TV der Regionalsender TV Berlin, TV München und TV.NRW. Im Stile des „Literarischen Quartetts“ traf sich Balder im „TV-Quartett“ einmal wöchentlich mit Hella von Sinnen, Wigald Boning und Roland Baisch, um über das Geschehen im Fernsehen zu diskutieren. Vor Publikum sprachen sie über den alltäglichen TV-Wahnsinn, observierten und kommentierten neue wie etablierte Fernsehsendungen und sparten dabei nicht mit Lob und Tadel.

Seinen karrieretechnischen Tiefpunkt erlebte Balder wohl im Mai 2002, als er beim Call-in-Sender 9Live zusammen mit der späteren „Schillerstraße“-Erfinderin Maike Tatzig den „Tanzmarathon“ präsentierte. Zehn Paare traten in einen Tanzwettbewerb und mussten so lange tanzen, wie sie nur konnten. 19 Stunden lang wurde täglich getanzt – die überschaubaren Ereignisse des Tages liefen als Zusammenfassung täglich zur Primetime auf 9Live. Als Gewinn winkten dem Siegerpaar 100.000 Euro.

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