Happy Birthday, Hugo Egon Balder! – Der Gaukler feiert seinen 70. Geburtstag

Großer Rückblick auf die Karriere des Comedy-Cowboys

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 03.04.2020, 13:09 Uhr

Genial daneben

Sat.1

Im Jahr 2003 erlebte Hugo Egon Balder seinen zweiten Karriere-Frühling, als er sich mit der Comedy-Rateshow „Genial daneben“ zurückmeldete, nun beim RTL-Konkurrenten Sat.1. Dabei wollte im Vorfeld kein Verantwortlicher so recht an das Format glauben, das auf der französischen Sendung „Les Grosses Têtes“ basiert. Balder versuchte jahrelang vergeblich, das Konzept den unterschiedlichsten deutschen Sendern schmackhaft zu machen. Eine Show, in der die Gäste völlig ohne vorgegebene Texte agieren und lediglich lustige Antworten auf Fragen geben sollen? – Das kann doch gar nicht funktionieren, dachten die Entscheidungsträger. Bislang kannte man Shows mit improvisierter Comedy in dieser Form noch nicht. Stattdessen war man an Panelshows mit vorbereiteten Gags wie „7 Tage, 7 Köpfe“ oder – ein besonders schlimmer Fall – „Voll witzig!“ gewöhnt. Das ZDF zeigte dann doch Interesse und ließ zwei Pilotfolgen produzieren – biss schlussendlich aber nicht an. Nach dem Aus der „Wochenshow“ gab der damalige Sat.1-Geschäftsführer Matthias Alberti schließlich Balder die Chance und schickte „Genial daneben“ an den Start.

Die Rechnung ging auf: Binnen kürzester Zeit entwickelte sich „Genial daneben“ von einem Geheimtipp zu einer Kultsendung. Das simple Konzept: Zuschauer senden absurde Fragen ein, wie etwa „Was ist ein Übungsgummi?“ oder „Warum zeigt der große Zeiger des Grazer Uhrturmes die Stunden an und der kleine die Minuten?“, und ein Team aus fünf Comedians versucht, mit lustigen Erklärungsansätzen auf die richtige Antwort zu kommen. Schaffen sie dies nicht, erhält der Einsender der Frage zur Belohnung 500 Euro. Das Zusammenspiel zwischen Moderator Hugo Egon Balder und den Stamm-Panelmitgliedern Hella von Sinnen und Bernhard Hoëcker funktionierte jahrelang prächtig. Das eingespielte Team warf sich gegenseitig die Bälle zu und auf die Zuschauer vor dem Fernsehbildschirm übertrug sich die echte, ungezwungene gute Laune.

Sat.1

Der Show-Untertitel „Die Comedy-Arena“ war absolut treffend, denn „Genial daneben“ war für sämtliche Comedians Deutschlands eine wichtige Anlaufstelle, um bekannter zu werden und sich zu beweisen. So mancher Teilnehmer, wie etwa Kurt Krömer, scheiterte an der für die Show wichtigen Spontaneität und wirkte nur wenige Male mit. Andere hingegen, wie beispielsweise Guido Cantz und Barbara Schöneberger, brillierten mit Improvisationstalent. Wer weiß, inwiefern die beiden ihre heutigen Moderationsjobs bei „Verstehen Sie Spaß?“ bzw. der „NDR Talk Show“ ihren Darbietungen bei „Genial daneben“ zu verdanken haben. Bernhard Hoëcker erarbeitete sich durch das häufige Lösen der eingesandten Fragen den inoffiziellen Klugscheißer-Status, der ihm bis heute einen Stammplatz in unzähligen Promi-Quizshows beschert.

„Genial daneben“ lief zunächst am späten Samstagabend gegen 22:00 Uhr, bevor die Sendung aufgrund des gestiegenen Erfolgs auf den Freitagabend um 20:15 Uhr wechselte. In der Hochphase erreichte das Format Reichweiten von mehr als vier Millionen Zuschauern und Zielgruppen-Marktanteile von unglaublichen 29 Prozent. Um diesen Erfolg noch mehr auszukosten, war „Genial daneben“ zwischen 2004 und 2006 sogar mit zwei neuen Ausgaben pro Woche (freitags und samstags) auf Sendung. Hinzu kam, dass die Show das gesamte Jahr durchlief. Zumeist machte man nicht einmal eine Sommerpause, so dass „Genial daneben“ zu einer festen Instanz im Sat.1-Programm wurde.

Sat.1

Doch über die Jahre sanken die Quoten allmählich, so dass von der Show ab Mitte 2010 zunächst keine neue Folgen mehr gezeigt wurden. 2011 kehrte „Genial daneben“ dann noch einmal mit elf Ausgaben zurück – dann allerdings mit suboptimalen Veränderungen. Hella von Sinnen wirkte nicht mehr mit – aus senderinternen Differenzen, wie sie einige Jahre später erzählte. Zudem versuchte man, mit überflüssigem Schnickschnack wie Einspielfilmen oder einem Telefonkandidaten das Format aufzupeppen. Auch ein neues, viel zu dunkles Studio tat der Sendung alles andere als gut, so dass nach der 2011er Staffel vorerst Schluss war.

Spielwiese Sat.1: „Die Hit-Giganten“, „Jetzt wird eingelocht!“, „Peng! Die Westernshow“ und mehr

Sat.1/​Constantin Entertainment

Dank des großen Erfolgs von „Genial daneben“ war Hugo Egon Balder ab 2003 mit vielen weiteren Formaten wieder enorm präsent im deutschen Fernsehen. Von 2003 bis 2009 moderierte er die Chart- und Musikshow „Die Hit-Giganten“ – konzeptuell nahezu identisch mit der parallel laufenden „ultimativen Chart Show“ von RTL. Allerdings zog Sat.1 früher den Stecker, als allmählich die Themen für sinnvolle Rankings ausgingen. Außerdem präsentierte Balder das „Chartbreak-Hotel“ – eine eigenwillige Mischung aus Musik- und Sketchshow, in der Balder zusammen mit Mirja Boes und Simon Gosejohann Sketche rund um die Themen Reisen, Hotel und Urlaub spielte – und zwischendurch Popstars ihre aktuellen Hits an den Urlaubsorten performten.

„Promi ärgere dich nicht!“ Sat.1/​UFA Show & Factual

Mehrere Jahre konnte sich Hugo Egon Balder auf der Sat.1-Spielwiese so richtig austoben und präsentierte eine ganze Reihe an durchgeknallten Formaten. In „Promi ärgere dich nicht!“ und „Volltreffer! Schiffe versenken XXL“ brachte er Spieleklassiker in überdimensionaler Form auf die große Showbühne. Es folgten weitere Event-Shows: Ob Wettgrillen bei „Jetzt geht’s um die Wurst!“, Spiegeleibraten bei „Jetzt geht’s um die Eier!“, Jahrmarktstimmung bei „Jetzt geht’s auf den Rummel!“ oder Wintersportchaos bei „Jetzt wird eingeseift!“. Gleich drei Mal fand das Promi-Mini-Golf-Turnier „Jetzt wird eingelocht!“ statt. Auf die Spitze getrieben wurde der heitere Gaga-Wahnsinn, als sich Balder auf einen Schlag 27 absurde Sendungstitel sicherte, bei denen es sich um monothematische Showkonzepte handelte – vier davon wurden 2008 tatsächlich realisiert: „Peng! Die Westernshow“, „Holldriöh! Die Alpenshow“, „Schlotter! Die Gruselshow“ und „Aloha! Die Südseeshow“.

„Star Search“, „Der heiße Brei“ und „Taratata“

Darüber hinaus saß Hugo Egon Balder in der Jury der Castingshow „Star Search“, die zwei Staffeln lang von 2003 bis 2004 lief. 2008 moderierte Balder die Musical-Casting-Show „Ich Tarzan, Du Jane!“, in der die beiden Hauptrollen für die deutsche Ausgabe des Musicals „Tarzan“ gesucht wurden. Doch nicht alles aus der Schmiede Balder war erfolgreich: Gleich zweifach floppte das Konzept, eine Polittalkshow-Parodie mit vier Parodisten zu etablieren. Jörg Knör, Florian Schroeder, Antonia von Romatowski und Co. schlüpften in die Rollen von Angela Merkel, Gerhard Schröder und Edmund Stoiber. Doch „Talk im Tudio“ wurde ebenso schnell abgesetzt wie der zweite Versuch „Der heiße Brei“. Lou Richter und Jochen Busse moderierten, Hugo Egon Balder und Jacky Dreksler standen als Produzenten hinter den Formaten.

„Talk im Tudio“ Sat.1/​Screenshot

Auch der Versuch, das Boulevardtheater ins Fernsehen zu bringen, scheiterte. Nach der gefloppten Verwechslungskomödie „Ewig rauschen die Gelder“, in der neben Balder auch Jochen Busse, Dorkas Kiefer und Georg Uecker mitspielten, wurde das Experiment wieder beendet. Besonders bitter für Balder dürfte auch die Tatsache sein, dass sein Herzensprojekt „Taratata“ vom deutschen Publikum nicht angenommen wurde. In der aus Frankreich stammenden Musikshow sangen Stars ihre eigenen Hits live, wurden interviewt und stimmten einzigartige Duette an. Nach zwei von Kristian Thees moderierten Folgen wurde die deutsche Adaption Ende 2004 eingestellt.

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