75 Jahre ARD: „Tagesschau“ und politische Sendungen halten Stellung

Langer Weg liegt zwischen „Fernseh-Filmbericht“, „Tagesthemen“ und App

Stefan Genrich
Stefan Genrich – 12.07.2025, 09:00 Uhr

Informationsangebote der ARD im Wandel der Zeit – mit „Tagesthemen“, Dreharbeiten 1955, Podcast „11KM“, Nachrichtensprecherin Dagmar Berghoff, „Rudis Tagesshow“ und Gebärdendolmetscherin der „Tagesschau“ – Bild: NDR, Fornax, NDR / BR / Christian Spielmann, NDR / Gita Mundry, RB, PHOENIX
Informationsangebote der ARD im Wandel der Zeit – mit „Tagesthemen“, Dreharbeiten 1955, Podcast „11KM“, Nachrichtensprecherin Dagmar Berghoff, „Rudis Tagesshow“ und Gebärdendolmetscherin der „Tagesschau“

Digitale Präsenz steigert Erfolg

Talkshows wie „maischberger“ und „Caren Miosga“ unterhalten das Publikum, loten indes selten politische Tiefen aus. Der „Brennpunkt“ reagiert auf aktuelle Ereignisse manchmal unbeholfen, wenn maßgebliche Neuigkeiten in einer Krise ausbleiben. Etliche Zuschauerinnen und Zuschauer schalten wie gewohnt Das Erste ein, wenn die „Tagesschau“ um 20 Uhr läuft. Zu anderen Uhrzeiten erreichen ergänzende Ausgaben das Publikum. Ansonsten steigert digitale Präsenz den Erfolg – zum Beispiel durch eine multimediale App, den Spartenkanal tagesschau24, einige Podcasts und viele Einträge in der Mediathek. Die Redaktion experimentiert in Social Media – etwa auf Instagram, TikTok und Twitch. Derzeit laden die „Sommerinterviews“ die Community zur Watchparty von „tagesschau together“. Angesichts dieser Aktivitäten bemängeln Presseverlage eine unzulässige Konkurrenz und greifen die App an. Deshalb könnte irgendwann ein Gericht oder die Regierung solche Fortschritte der Redaktion „ARD aktuell“ verhindern.

Studie untersucht Vorwürfe

Ohnehin kämpfen Journalisten von ARD und ZDF gegen Vorwürfe, einseitig zu berichten und Meinungen zu manipulieren. Solche Fragen plagten das Institut für Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 2024 erschien eine passende Studie: „Fehlt da was? Perspektivenvielfalt in den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformaten“. Diese Untersuchung bescheinigte den öffentlich-rechtlichen Sendern eine große Vielfalt bei politischen Themen. Aber die Autoren der Abhandlung kritisierten, dass negative Darstellungen überwiegen. Es geht letztlich um eine Selbstverständlichkeit, hieß es in der Zusammenfassung: Die Menschen sollten nicht nur über politische Probleme, sondern auch über Erfolge informiert werden, denn auch diese sind für ihre politische Meinungsbildung relevant. Laut dieser Studie leiden öffentliche Debatten, wenn Parteien und Politiker überwiegend als erfolglos und inkompetent charakterisiert werden.

„Tagesschau“ kommt besser weg als andere Angebote der ARD

Wie im gesamten Mediensystem herrsche bei ARD und ZDF eine leichte Linksschiefe, war zu lesen. Dessen ungeachtet kamen die „Tagesschau“ und die zugehörige App besser weg als andere Angebote öffentlich-rechtlicher Sender: Die meisten in sich ausgewogenen Beiträge erschienen hier auf tagesschau.de. Die Regionalnachrichten von MDR und RBB stammten aus der liberal-progressiven Perspektive, sagten die Medienwissenschaftler über die Position anderer Redaktionen. Dagegen nehme der BR eine konservative Grundhaltung ein, meinten die Publizisten.

„Tagesschau“ eifert „Tagesthemen“ nach

Seit ihren Anfängen 1978 haben die „Tagesthemen“ das Geschehen analysiert und eingeordnet. Mittlerweile versucht ebenso das Team der „Tagesschau“, stärker Orientierung zu bieten. In ihren Sendungen über Politik und Gesellschaft lockern die Redakteure und Moderatoren das Geschehen auf. Korrespondenten und Reporter erklären häufiger die Ereignisse. Im Gegenzug mag die Grenze zwischen neutralen Berichten und wertenden Kommentaren schrumpfen. Doch würde irgendjemand das steife Konzept von damals akzeptieren? Trotz mancherlei Skepsis ermüden mich Vorwürfe, dass ARD und ZDF unprofessionell handeln und als angeblicher Staatsfunk dienen würden.

Wochenschau fürs Kino liefert Reste

Kurz nach Gründung der ARD im Juni 1950 existierte keine „Tagesschau“. Also konnte niemand über politische Beiträge vom Fernsehen motzen. Bereits ab November lief ein Versuchsprogramm an drei Tagen pro Woche – entstanden beim Nordwestdeutschen Rundfunk NWDR. Vorläufer der „Tagesschau“ enthielten kurzweilige Ausschnitte aus irgendeiner Wochenschau und Standbilder mit gesprochenen Hintergrundtexten. Ab Januar 1952 stellte Martin S. Svoboda den „Fernseh-Filmbericht“ zusammen. Er verwertete amüsantes oder sensationelles Material der „Neuen Deutschen Wochenschau“. Diese Anmerkungen zum Zeitgeschehen erhielten bald einen anderen Namen: Ab August oder nach anderen Quellen ab November 1952 zeigte der NWDR montags, mittwochs und freitags um 20 Uhr die „Tagesschau“.

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