True Detective – Review

TV-Kritik zum Crime-Drama von HBO – von Marcus Kirzynowski

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 10.02.2014, 09:33 Uhr

Ungleiches Ermittlerteam im Jahr 1995: Matthew McConaughey und Woody Harrelson

Im Jahr 2012 werden zwei ehemalige Detectives der Louisiana State Police getrennt voneinander in die Mordkommission bestellt. Sie sollen erzählen, wie sie 17 Jahre zuvor gemeinsam im aufsehenerregenden Fall eines Ritualmordes ermittelt haben. Denn obwohl sie den mutmaßlichen Täter damals gefasst haben, gab es jetzt einen neuen Mord nach dem gleichen Tatmuster. Während der Einheimische Martin Hart ein gesetzter, gesellschaftlich gut integrierter Südstaatler ist, macht sein Ex-Partner, der gebürtige Texaner Rustin ‚Rust‘ Cohle, einen desolaten Eindruck: Er wirkt verwahrlost, scheint alle sozialen Bezüge hinter sich gelassen zu haben und ist nur bereit auszusagen, wenn er mittags das erste Sixpack bekommt. In langen Rückblenden entfaltet sich die Haupthandlung, die 1995 angesiedelt ist.

Auch damals, zu Beginn ihrer Partnerschaft, waren die beiden Ermittler schon höchst unterschiedlich: Hart ist bodenständig, etwas simpel gestrickt und Christ, Cohle hingegen ein verschlossener Grübler mit misanthropischem Weltbild, der anscheinend nie über den Tod seiner Tochter hinweggekommen ist. Gemeinsam begeben sich die ungleichen Kollegen auf die Suche nach dem Mörder, der sein Opfer, eine junge Prostituierte, nackt, in kniender Stellung und mit einem seltsamen, geweihähnlichen Kopfschmuck vor einem Baum drapiert hat. Cohle ist schnell überzeugt, dass es sich um einen Serienkiller handeln muss. Trotz seiner Unzugänglichkeit entpuppt sich Cohle als brillanter Ermittler. Schon bald stoßen die beiden Detectives auf weitere Fälle auf ungeklärte Weise gestorbener oder schlicht verschwundener Mädchen und junger Frauen. Und irgendwie führen alle Spuren immer wieder zu religiösen Einrichtungen wie Kirchen und einer christlichen Schule.

„True Detective“, die neue Anthologieserie von HBO, die in jeder Staffel einen neuen Fall mit anderen Ermittlern erzählen soll, hat bereits vor ihrem Start einigen Hype ausgelöst. Das lag hauptsächlich an den beiden Hauptdarstellern der ersten Staffel, Matthew McConaughey und Woody Harrelson, die man bisher fast nur aus dem Kino kannte. McConaughey hat zur Zeit einen fantastischen Lauf: Wenige Tage vor dem Start der Serie wurde er mit dem ‚Golden Globe‘ für seine Rolle als homophober, HIV-infizierter Cowboy im Indie-Film „Dallas Buyers Club“ ausgezeichnet, nun besticht er als verschrobener Einzelgänger im Kampf mit seinen inneren Dämonen. In den Rückblenden erinnert er mit abgemagertem Körper und wirrem Blick an Christian Bale in „The Machinist“, in der Rahmenhandlung sieht er mit Hippiemähne und Schnurrbart komplett anders aus. Mit dieser Wandlungsfähigkeit und seinen mit sonorer Stimme vorgetragenen philosophisch-nihilistischen Ergüssen dürfte er sich problemlos auf die Nominierungslisten der Fernsehpreise dieser Saison spielen.

Stark verändert im Jahr 2012: Matthew McConaughey.
Dagegen wirkt Woody Harrelson schauspielerisch deutlich eingeschränkter. Mit ständig gleichem verbissenen Gesichtsausdruck und breitestem Südstaatenakzent legt er den Redneck-Typen Hart fast schon parodistisch an. Aus den Gegensätzen zwischen den beiden Hauptfiguren bezieht die Serie einen Großteil ihres Reizes. Von den übrigen Figuren bekommt lediglich Harts Ehefrau Maggie (Michelle Monaghan) größeren Raum. Daran, wie Martin mit ihr und seiner heimlichen Geliebten umgeht, zeigt sich in der dritten Folge, dass zwischen dem öffentlichen Bild, das er von sich zu vermitteln versucht, und seinem wahren Charakter, Welten liegen. Psychisch scheint er nicht weniger Probleme zu haben als sein gleich auf den ersten Blick irre wirkender Partner, bloß dass der sich und der Welt seine Schwächen offen eingesteht.

Für die eigentliche Krimihandlung interessieren sich Serienschöpfer Nic Pizzolatto, der alle Folgen selbst geschrieben hat, und sein Regisseur Cary Joji Fukunaga bislang wenig. Neben dem Charakterdrama steht vielmehr die unwirkliche Atmosphäre des südlichen Louisiana im Fokus, wo die Zeit still zu stehen scheint. Untermalt von den langsamen Gitarrenklängen T Bone Burnetts beobachten wir die Einwohner bei ihrem einfachen Alltag zwischen Kirche und Bar und begleiten die beiden Cops immer wieder auf langen Autofahrten übers Land. Die verlassenen Gebäude und leeren Plätze, die sie dabei passieren, bringen wohl nicht nur Cohle auf den Gedanken, es handele sich mehr um die Erinnerung an eine Stadt als an eine tatsächlich lebendige Gemeinde – eine Erinnerung, die zudem langsam verblasse.

Der inhaltliche Ansatz von „True Detective“ lässt an skandinavische Krimiserien wie „Kommissarin Lund“ denken, wo sich eine Ermittlung über die ganze Staffel langsam entfaltet und dabei die Verstrickung von immer mehr gesellschaftlichen Institutionen offenbart. Die Optik erinnert hingegen an die US-Version von „The Bridge“: Unerbittlich brennt die Sonne auf die Protagonisten und scheint Natur wie Gedanken zu verdorren. Kameramann Adam Arkapaw fängt nicht nur diese Atmosphäre höchst kunstvoll ein, sondern durchbricht zudem mit optischen Effekten, die Cohles Wahrnehmungsstörungen visualisieren, immer wieder die realistische Erzählebene. Während HBOs neues Aushängeschild auf handwerklicher Ebene heraussticht, bleibt es inhaltlich noch ambivalent: Die Charaktere, vor allem Cohle, sind interessant und dessen philosophische Monologe heben die Serie von der Dutzendware anderer Ermittlerserien ab. Andererseits ist nichts an der Story wirklich neu oder originell und der Fall selbst schreitet zu behäbig voran, um zu packen. Hinter der schillernden Oberfläche ist „True Detective“ nach drei Folgen noch eine im Grunde recht konventionelle Kriminalgeschichte. Ob die Serie wirklich der Meilenstein wird, als den viele sie schon jetzt sehen, wird davon abhängen, wohin sich der Fall entwickelt – und ob das Konzept auch mit neuen Darstellern überzeugen kann, wenn McConaughey längst zum nächsten Projekt weitergezogen ist.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Episoden von „True Detective“.

Meine Wertung: 3,5/​5

Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: HBO

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

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