Scoundrels – Review

von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 01.07.2010

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„JAG“-Veteran David James Elliott als Wolfgang „Wolf“ West

Also, was ist das jetzt? „Die Sopranos“ für Arme auf Entzug oder die White Trash-Version von „Good Wife“? Das dürften sich zumindest die besonders zynischen unter uns fragen. Trotzdem, am Konzept von „Scoundrels“ ist durchaus was dran. Wie sonst hätte die Vorlage „Outrageous Fortune“ zur am längsten laufenden, wöchentlichen Serie in Neuseeland werden können? Doch der raue Charme des Originals ist hier wie geschmiert dem Bubblegum-Makeover von ABC unterzogen worden. Das hat „Scoundrels“ nicht gut getan, zu oft gleitet es dadurch immer wieder in äußerst kitschige und emotional aufgesetzte Regionen ab. Während man so darauf bedacht war das sonnige Image der USA-Serien zu klonen, hat man den subtilen Humor bei Figuren und Handlung komplett vergessen. Viel zu pflegeleicht, gewöhnlich und damit unspektakulär erscheint das fertige Produkt.

Mitverursacht wird dies durch Probleme bei der inneren Logik und beim Fortschreiten der Handlung, also dem langsam aber sicher einsetzenden Sinneswandel von Cheryl West. Was auf Papier ganz witzig und äußerst folgerichtig klingt, will einfach nicht so recht flutschen. Der Pilot wird nie zu einer funktionierenden Einheit und so wanken die Figuren nur von einem Punkt der Handlung zum nächsten, ohne dass der Sinneswandel je wirklich glaubwürdig erscheint. Langes Knast-Urteil? Check. Schock der Familie? Check. Heulkrampf der Mutter? Check. Neues Familien-Motto? Check. Hinter dieser Entwicklung steht hier kein dynamischer Prozess oder langer Gedankengang, sondern lediglich der Wille der Autoren.

Sohn Cal (Patrick John Flueger) wird von einer reichen Familie bedroht

Hier müsste wirkliches „Soul searching“, also das Hinterfragen des eigenen Lebens, an der Tagesordnung stehen. Wie konnte es soweit kommen? Wie konnte ich mich nur so lange diesem illusorischen Lebensstil hingeben und ihn auch noch meinen Kindern als Normalität vermitteln? Witz und Selbstzweifel passen hervorragend zusammen, das hatten selbst die erfolgreichsten Sitcoms der 80er schon begriffen. Zuerst einmal müsste man aber herausarbeiten, was denn eigentlich angezweifelt werden soll. Schließlich erlebt man die Familie nie wirklich in verbrecherischer Aktion. Cal ist da die einzige Ausnahme. Ansonsten hört man nur in Nebensätzen von den Vergehen der Wests, ihr Ganoven-Repertoire bleibt also weitgehend im Dunkeln. Nicht einmal den Urteilsspruch gegen Wolf bekommt man zu hören. Damit wurde ein perfektes Mittel, die Liste der Vergehen den Zuschauern quadratisch-praktisch-gut zu präsentieren, einfach verschenkt. Warum soll es uns kümmern, welches Leben die Wests aufgeben, wenn wir es praktisch überhaupt nicht zu Gesicht bekommen? Und Mutter Cheryl einfach nur als neue moralische Autorität zu akzeptieren, obwohl davon auszugehen ist, dass auch sie Dreck am Stecken hat, ist einfach zu billig.

Um derartige Lücken im Drehbuch zu schließen hätten fast alle Darsteller, aber vor allem die einst in „Sideways“ so umwerfende Virginia Madsen, hier weitaus mehr leisten müssen. Leider hinterlassen aber genau sie, und auch Patrick John Flueger in seiner Doppelrolle als die ungleichen Zwillinge Cal und Logan, den schwächsten Eindruck. Cheryl West rennt nur so von einer Situation zur nächsten um ihre Kinder unter Kontrolle zu halten, wobei sie natürlich auch recht wenig Zeit erhält um sich selbst und das Leben ihrer Familie zu hinterfragen. Doch reagiert sie so, weil sie dieses Leben ändern will? Wenn man Madsens Interpretation der Figur folgt, dann ist die Antwort ein klares Nein. Cheryl wäre wahrscheinlich auch sonst wie wild hinter ihren Sprösslingen her, einfach nur weil sie ein aufgedrehter Kontrollfreak ist. Und der scheint kaum in der Lage zu sein, diese lebensnotwendigen Veränderungen glaubhaft in Gang zu setzen. Patrick John Flueger hat währenddessen genau zwei Gesichtsausdrücke und zwei Stimmlagen – eine für jeden Zwilling, aber nicht genug um von der (wortwörtlich) aufgesetzten, leicht seltsamen langen, blonden Perücke abzulenken, die er als Cal verpasst bekommt.

Die Wests in der Farbe ihres Vaters.

Die Rollen der wirklich guten Darsteller in einem wirklich unter ihrem Niveau liegenden Format gehen dieses Mal an Leven Rambin und den ehemaligen „J.A.G.“-Hauptdarsteller David James Elliott, der Wolf mit einem Augenzwinkern zu einem attraktiven, aber dennoch unter der Oberfläche unheimlichen Vater und Familienoberhaupt werden lässt. Leven Rambin, die bereits in „Terminator: Sarah Connor Chronicles“ beeindruckte, sprüht auch hier geradezu vor Spielfreude und macht Heather, überraschenderweise, schnell zur interessantesten Figur. Die Szenen, in denen das Möchtegern-Model einen Fotografen foltert, der sie nur übel ausnutzen wollte, sind mit Sicherheit das Highlight des Piloten und einer der wenigen Momente, wo auch die Dosis Humor genau stimmt.

Können zwei Nebenfiguren aber je genug sein um ein Publikum bei der Stange zu halten? Der Pilot von „Scoundrels“ erreichte bei seiner Erstausstrahlung am 20. Juni nur durchschnittlich 5,17 Millionen Zuschauer. Kein überragender Start in den Sommer. Da ein weiterer Fall der Quoten für die zweite Episode nicht nur wahrscheinlich, sondern normal ist, werden die frisch gebackenen Vorsätze von Cheryl Walker womöglich nicht lange anhalten. Vielleicht kann Leven Rambin ja dann bei einer neuen USA-Serie anheuern? Pretty please?

Meine Wertung: 2,5/​5

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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