Ehemann Andrew bemerkt nicht, dass Bridget Siobhans Platz eingenommen hatWer sich überhaupt für „Ringer“ begeistern will, kann das sicher nur, wenn er ein Faible für oberflächliche B-Movies und Seifenopern-Twists hat. Das muss an sich nicht unbedingt schlecht sein, kann sogar als „Guilty Pleasure“ viel Spaß versprechen. Der Versuch der Macher, eine unheimliche Neo-Noir-Atmosphäre voller Täuschungsmanöver und undurchschaubarer Figuren zu etablieren, gelingt hier dennoch nicht. Zu unverbindlich und flach ist das Design der Serie, das zusätzlich durch schlechte Blue-Screen-Effekte abgewertet wird, insbesondere die Motorboot-Szene sticht hier negativ heraus. Den allzu seichten, anämischen Pop-Rock, der den Zuschauer konstant verfolgt, hätten sich die Macher außerdem lieber für eine Parodie von „Grey’s Anatomy“ aufgespart. Dadurch werden die Figuren auch nicht zugänglicher oder liebevoller gezeichnet.
Dementsprechend bleibt auch Sarah-Michelle Gellars doppelter Auftritt ambivalent. Zwar haucht sie den ungleichen Schwestern glaubhaft Leben ein. Die Szenen, in denen beide Figuren gleichzeitig zu sehen sind, zählen sicher zu den Highlights des Piloten. Andererseits ist genau diese Verschiedenheit recht zweidimensional geraten – reumütiges Drogenopfer trifft auf unglückliche Society-Lady mit harten Konturen und oberflächlichem Sozialleben. Es ist für Gellar also nicht besonders schwer, beide Extreme entsprechend zu bedienen. Außerdem drängt sich die Frage auf, ob man als Zuschauer nicht mehr Spaß hätte, wenn sich die oberflächliche New Yorkerin dem bodenständigen Überlebenskampf im Herzen Amerikas aussetzen müsste.
Auch Gemma scheint nicht zu ahnen, dass sie nicht mit Siobhan redetBridget bleibt während des Piloten klar die Identifikationsfigur des Zuschauers, auch wenn nicht jeder ihrer Schritte auf dem Weg in ihr neues Leben nachvollziehbar ist – egal wie viele schlechte Monologe ihr die Autoren verpassen. Außer der bereits in „Boston Legal“ hervorragenden Tara Summers als zweifelhafter Freundin Gemma, hinterlässt keiner der Nebendarsteller einen bleibenden Eindruck. Nicht einmal Kristoffer Polaha, der in „Life Unexpected“ noch überzeugen konnte, gelingt es Gemmas Ehemann Henry aus der vermeintlichen Arschloch-Ecke des betrügenden Gatten hervorzulocken.
„Ringer“ muss noch Einiges an Charakterarbeit nachholen, wenn das Format auf Dauer überzeugen will. Da allerdings viel Handlung in die ersten 40 Minuten gesteckt wurde, ist es vielleicht nicht überraschend, dass dies nicht gleich im Piloten gelingt. Ob Eric Charmelo und Nicole Snyder als Autoren und Produzenten der Aufgabe gewachsen sind, bleibt abzuwarten. Ihre oft klischeebeladenen Oneliner-Dialoge in dieser ersten Folge lassen jedoch Einiges zu Wünschen übrig.
RingerAls größtes Problem erscheint, dass für erfahrene Soap- und Thriller-Zuschauer keiner der eingebauten Wendungen in „Ringer“ bislang wirklich überrascht oder fesselt. Durch die Werbung des Senders war ohnehin klar, dass beide Schwestern als mögliche Widersacherinnen am Leben bleiben. Ein paar zusätzliche Überraschungen aus den Lebenswelten der Beiden wären nicht schlecht gewesen, um das Interesse zu steigern. Momentan ist der einzige Grund „Ringer“ noch einen weiteren Vertrauensvorschuss zu geben, schlicht und ergreifend Sympathie für Sarah-Michelle Gellar. Das vorhandene Anfangsinteresse kann sich schnell aufbrauchen, sollten die anderen Figuren der Serie nicht schnellstens interessanter werden.
Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.