No Ordinary Family – Review

von Michael Brandes

Rezension von Michael Brandes – 03.03.2011

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No Ordinary Family

Im Kino sind die Superhelden erst in den vergangenen zehn Jahren richtig in Mode gekommen. Im US-Fernsehen hatten sie ihre große Zeit dagegen schon in den 70er Jahren. Die von 1974 bis 1979 produzierte Comic-Adaption „Wonder Woman“ ist in die Popkultur eingegangen, und noch heute zählt das patriotisch angehauchte Heldinnen-Dress zu den beliebtesten Halloween-Kostümen. Auch „Der unglaubliche Hulk“ und „Der 6-Millionen-Dollar-Mann“ waren damals große Erfolge. In den 80er Jahren flachte das Interesse zunächst wieder ab, doch es gab immer wieder Ausnahmen. Insbesondere „Superman – Die Abenteuer von Lois & Clark“ gab den unnahbaren Helden mit Hilfe von Romantic-Comedy-Elementen eine menschlichere Komponente und beförderte das spezifische Genre weiter in Richtung Mainstream. Auch in „Smallville“ waren die persönlichen Beziehungen der Charaktere später entscheidender als die Special Effects. Das Genre begann zu menscheln. So produzierten die US-Networks zwar zuletzt auch einige Flops wie die „Bionic Woman“-Neuauflage, aber auch einen großen Erfolg wie „Heroes“, dem jedoch mittlerweile die Luft ausgegangen ist.

Um das Erbe von „Heroes“ anzutreten, schickten die US-Networks in dieser Saison zwei neue Superhelden-Dramen auf den Bildschirm: Das actionlastige „The Cape“ (NBC) löste beim Publikum nur wenig Begeisterung aus. Größer war anfangs das Interesse an „No Ordinary Family“ (ABC), der neuen Serie von Greg Berlanti und Jon Harmon Feldman („Dirty Sexy Money“), die sich stilistisch stark von „The Cape“ unterscheidet und sich dem Genre aus der Perspektive einer Familienserie nähert.

Michael Chiklis

Die Powells sind – zunächst – eine ganz normale Mittelklasse-Familie, die in einer sauberen Vorstadtsiedlung lebt. Um den familiären Zusammenhalt ist es allerdings nicht gut bestellt, und der letzte Familienausflug nach Yellowstone liegt auch schon drei Jahre zurück. Also überredet Vater Jim (Michael Chiklis) seine Frau, die karriereorientierte Wissenschaftlerin Stephanie (Julie Benz), ihren geplanten Forschungstrip zum Amazonas mit einem gemeinsamen Urlaub zu kombinieren. Ihre Kinder, Daphne (Kay Panabaker) und JJ (Jimmy Bennett), sind alles andere als begeistert. Die beiden Teenager fühlen sich längst zu alt, um noch mit ihren Eltern abzuhängen. Doch Jim setzt sich letztlich durch, allerdings ahnt er noch nicht, dass die Reise zu einem Horror-Trip wird.

Das klapprige Flugzeug, in dem die Powells durch Brasilien fliegen, gerät in einen Sturm und stürzt ab. Die Maschine rast auf die Erde zu, und die Powells schließen auf unterschiedliche Weise mit ihrem Leben ab: Während sich Daphne darüber beklagt, nun ganz unberührt sterben zu müssen, sieht Jim vor seinem geistigen Auge die Bilder aus glücklicheren Familienzeiten vorbeiziehen. Sein perfekter Moment: Football spielen mit den Kindern im Garten. „Ich war nie glücklicher“, kommentiert Jim aus dem Off und fragt sich, wie es so weit gekommen ist. „Wir lebten alle unter einem Dach, aber in verschiedenen Welten“, resümiert er, während gleichzeitig das Flugzeug brennend in den Amazonas stürzt. Der Pilot stirbt. Doch die Powells retten sich mit letzter Kraft ans Ufer.

Von einem Neubeginn für die zerstrittene Familie kann zunächst aber keine Rede sein, denn schon in der nächsten Szene kommen die Powells wieder zu Hause an – streitend. Jim sitzt tags darauf wieder im Großraumbüro und geht seiner Arbeit nach, die ihn deprimiert. Er arbeitet bei der Polizei als Phantombildzeichner. Jeden Tag trifft er auf Verbrechensopfer, denen er nicht wirklich helfen kann. Ein plötzliches Handgemenge im Großraumbüro sorgt jedoch dafür, dass sich sein Leben für immer verändern wird: An einem der Nebentische zieht jemand eine Waffe. Ein Schuss löst sich. Jim versucht einer Kollegin das Leben zu retten, in dem er sie auf den Boden wirft. Alles ging noch einmal gut. Jim geht unbeobachtet an die frische Luft und öffnet sein Hand. Darin liegt die verformte Kugel, die er offenbar mit der Hand abgefangen hatte.

Julie Benz

Nach zehn Minuten wechselt der Pilotfilm die Perspektive, nun erzählt Stephanie aus dem Off. Die hochbegabte Wissenschaftlerin, die bei dem Multikonzern Global Tech arbeitet, entdeckt ebenfalls staunend eine übernatürliche Fähigkeit: Sie kann sich in einer kaum sichtbaren Geschwindigkeit von Ort zu Ort bewegen. Wie Jim und Stephanie ihre plötzlich vorhandenen Superhelden-Eigenschaften allmählich entdecken und beginnen, damit zu experimentieren, wird im Pilotfilm visuell sehr schön in Szene gesetzt. Um Stephanies Super-Speed einzufangen, benötigt es eine Superzeitlupe: Auf einer stark befahrenen Straße gleitet sie sanft an Autos vorbei, die offenbar zum Stillstand gekommen sind. Eine Schlaufe ihres Mantels berührt dabei das Glas eines Außenspiegels, das sofort zerbricht. Als sie plötzlich auf dem Mittelstreifen stehen bleibt, wird erst deutlich, dass die Autos permanent in Bewegung waren. Sie ziehen nun hupend an ihr vorbei.

Sehr amüsant sind die ersten Tests von Jim, der sich von einer Baseball-Maschine mit Fastballs bewerfen lässt, noch sehr unbeholfen von Hochhaus zu Hochhaus springt oder auch mal vom Dach eines Wolkenkratzers in die Tiefe stürzt, eine ordentliche Delle im Boden hinterlässt und sich mühsam wieder aufrappelt. Springen kann er, aber fliegen eher nicht. Jim ist nicht nur (relativ) unverwundbar, er verfügt auch über unglaubliche Reflexe und Kräfte, die er zunächst einmal seinem besten Freund George (Romany Malco aus „Weeds – Kleine Deals unter Nachbarn“) anvertraut. Der überredet ihn zu immer waghalsigeren Experimenten und echten Männer-Mutproben. Stephanie geht die Dinge dagegen viel analytischer an und weiht ihre Labor-Assistentin Katie (Autumn Reeser aus „O.C., California“) in ihr Geheimnis ein. Die etwas naiv wirkende, aber von einem ansteckenden Enthusiasmus beseelte Katie ist leidenschaftlicher Marvel-Comic-Fan und daher von den neuen Qualitäten ihrer Chefin restlos begeistert.

Jimmy Bennett

Der Grund für die Veränderungen bei den Powells bleibt zunächst unklar. Könnte es eine biochemische Reaktion nach dem Absturz in den Amazonas gewesen sein? Jedenfalls sind auch die beiden Kinder betroffen: Die 15-jährige Daphne kann plötzlich Gedanken lesen. Der 14-jährige JJ, ein Schulaußenseiter mit Lernschwäche, lernt in wenigen Minuten ganze Schulbücher auswendig. Nach anfänglicher Irritation und trotz einiger unangenehmer Nebenerscheinungen nehmen die ?Fantastischen Vier? ihr neues Leben positiv wahr und versuchen jeder auf seine Weise, von den Kräften zu profitieren. Stephanie hat dank Super-Speed endlich genug Zeit, alle Jobs und Termine des Tages wahrzunehmen. Jim entwickelt ein neues Selbstbewusstsein und sieht nun endlich die Chance, den Menschen zu helfen, in dem er durch die Straßen zieht, um Verbrechen zu verhindern. Die stark jungsfixierte Daphne versucht, ihre Beliebtheit bei ihrem Schwarm und den Mitschülern zu steigern. JJ verbessert nicht nur seine Noten, er bekommt dank seiner Fähigkeit, Spielzüge im voraus zu berechnen, sogar eine Chance als Quarterback im Football-Team. Vom Perfektionismus im Umgang mit ihren Fähigkeiten sind die Powells allerdings weit entfernt. Viele der neuen Eigenschaften haben auch einen Haken: Sie halten nur für einen bestimmten Zeitraum oder können vorübergehend außer Kraft gesetzt werden. Vor allem aber ist die Familie mit ihren vor ihrem Umfeld weitgehend geheimgehaltenen Kräften nicht allein: Nach und nach begegnen sie anderen Betroffenen, die ihre Fähigkeiten nicht immer in guter Absicht einsetzen.

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