Mr. Robot – Review

Neuer Cyber-Thriller mit Christian Slater – von Gian-Philip Andreas

Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 17.08.2015, 11:44 Uhr


Robin Hood der Social-Medai-Accounts: Elliot Alderson (Rami Malek)

Wie erzählt man von der Tätigkeit eines Hackers? Wie visualisiert man Vorgänge aus dem Inneren von Datennetzen? In der Regel wird das in Filmen und Serien folgendermaßen gemacht: Ein manischer Typ, manchmal auch weiblich, meist mit Kapuze, sitzt an der Tastatur, die Kamera fokussiert entweder seine rasch tippenden Finger oder aber die auf dem Monitor vorbeihuschenden Zeichenkolonnen. Nonsens in dekorativem Grün. Der Hacker selbst ist irgendwie gestört, zum Beispiel Autist. Beim Coden lutscht er einen Lolly. Und er hat es ausschließlich mit Ungeheuerlichkeiten zu tun, um die sich alle Leaks-Plattformen der Welt reißen würden.

Macht „Mr. Robot“ in dieser Hinsicht etwas anders? Nein. Auch Sam Esmail, der bislang als Autor kleiner Indie-Filme hervorgetretene Schöpfer dieser neuen Hacker-Thrillerserie aus dem Hause USA Network, verlässt sich ganz aufs Äußerliche. Er präsentiert Hacking vor allem als Pose. Software kann man eben nicht filmen, Hardware aber schon – in „Mr. Robot“ wird sie schon mal in Form einer Speicherkarte in der Mikrowelle verbrutzelt. Das Überraschende: Der Rückgriff auf die üblichen Stereotype des Hackerfilms funktioniert hier ganz gut. Das liegt nicht nur am charismatischen Hauptdarsteller, sondern vor allem daran, dass Esmail von Beginn an eine Atmosphäre des Uneindeutigen heraufbeschwört, ein Umfeld, in dem keine Figur nur gut oder schlecht ist. Dieses Zwielicht führt das binäre Ja-oder-Nein-Weltbild der Titelfigur gekonnt ad absurdum, denn Mr. Robot, Chef einer selbsternannten Revoluzzer-Hackertruppe, fragt suggestiv: Bist du eine Null oder eine Eins? Machst du mit? Machst du den Unterschied – oder nicht?

Der junge Held, den Mr. Robot anheuern will, heißt Elliot. Elliot ist Angestellter der New Yorker Netz-Security-Firma Allsafe. Zu den üblichen Freundschafts- oder Liebesverhältnissen ist er kaum fähig, er ist klischeegemäß soziophob, was ihn aber nicht davon abhält, zu seiner Morphium-Dealerin Shayla ein lockeres Sexverhältnis zu unterhalten. Wenn er mit seinen Skinny Jeans auf dem Sofa seiner Therapeutin (Gloria Reuben, „Emergency Room“) sitzt, wirkt er hoffnungslos verloren. Darsteller Rami Malek (manchen eventuell noch bekannt aus der Fox-Sitcom „The War at Home“) spielt diesen Elliot mit sonorem Weltekel in der Stimme, immer eine Spur zu cool für diesen doch angeblich so stark gestörten Charakter. Sein leicht irrer, stets flirrender und gleichzeitig hoffnungslos übermüdeter Blick zieht dennoch schnell in den Bann.

Nachts wandelt sich Elliot zum Rächer im Auftrag des vermeintlich Guten, wobei er sich selbst wohl als Robin Hood der Social-Media-Accounts sieht, während andere sein Tun eher als fragwürdige Selbstjustiz bezeichnen würden. In der einstündigen Pilotfolge, die von Niels Arden Oplev (dem Regisseur der schwedischen „Verblendung“-Verfilmung) sehr sytlish inszeniert wurde, sieht man ihn gleich zu Beginn den Chef eines Kinderpornorings hochnehmen. Später wird er den betrügerischen Verehrer seiner Therapeutin entlarven, noch später dann Shaylas Stalker.

Auftritt Mr. Robot. Der Underground-Revoluzzer macht sich in Elliots Welt stilecht durch einen Online-Angriff bemerkbar. Die Attacke trifft das System des Firmengiganten E. Corp, ein Weltkonzern wie Google, Amazon und Apple zusammen. Die E. Corp ist der wichtigste Kunde von Allsafe – nicht auszudenken, was geschähe, gelänge es Elliots Firma nicht, die Attacke abzuwehren. Elliot findet jedoch heraus, dass der Angriff nur ein Fake ist, ein Täuschungsmanöver, ausgeheckt, um ihn auf die Hacker-Gruppe „fsociety“ aufmerksam zu machen. Was fraglos gelingt. Beim ersten Treffen führt ihn Mr. Robot, angemessen halbseiden gespielt von „True Romance“-Star Christian Slater, durch die klandestinen Räumlichkeiten der „fsociety“, eine stillgelegte Spielhalle in einem jener heruntergerockten Jahrmärkte von Coney Island. Dort hat sich das Hackerfilm-typische Grüppchen freakiger Typen aus dem Statisten-Fundus von „Silicon Valley“ zusammengefunden (sehr vielversprechend als offensiv anti-bürgerliche Darlene: Carly Chaikin aus „Suburgatory“). Sie wollen die großen, fiesen Fische aus dem Meer der Ungerechtigkeiten fangen. Die E. Corp zum Beispiel. Schon bald steht ein unmoralisches Angebot im Raum: Elliot, machste mit? Null oder Eins?

Der halbseidene Mr. Robot (Christian Slater)

Bei der Entscheidungsfindung hilft ein gewisser Terry Colby. In einem Meeting demütigt der CTO der E. Corp ausgerechnet Elliots Kollegin Alison (bislang recht blass als potenzielles love interest: Portia Doubleday aus der kurzlebigen Matthew Perry-Comedy „Mr. Sunshine“), woraufhin der erzürnte Elliot der Polizei gefälschte Dokumente zusteckt, die Colby als Hintermann der Attacke überführen. Damit macht sich Elliot mit den umstürzlerischen Plänen der „fsociety“ gemein – der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?

Da sich „Mr. Robot“ nicht auf das Hacken selbst, sondern auf das Ergebnis des Hackens konzentriert, muss man als IT-fremder Zuschauer den in die Dialoge eingstreuten Tech-Sprech nicht zwingend verstehen. Weil man also nicht wissen muss, was eine „DDoS“-Attacke ist oder ein „Rootkit“, geht die Serie über bloße Geek-Bespaßung zum Glück hinaus. Es bleibt mehr Raum für die Figuren und die Eskalationsdramaturgie, in die sie sich alsbald verstricken: Elliot zum Beispiel nimmt immer mehr Morphium, um seine Depressionen zu vetreiben. Schon in der ersten Folge kauert er sich wimmernd in eine Nische seines Apartments, doch das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht. Als Haupt-Antagonist kristallisiert sich schnell Tyrell Wellick heraus (aalglatt: Martin Wallström aus „Im Weltraum gibt es keine Gefühle“), der dem verhafteten Colby als CTO nachfolgt und sofort versucht, Elliot ins E.-Corp-Lager zu ziehen. Weil er schon weiß, dass der junge Mann ein Doppelspiel spielt? Elliot sagt natürlich ab. Sein Allsafe-Boss Gideon (Michel Gill, der President Walker aus „House of Cards“) sorgt sich derweil nicht gerade grundlos um seine Firma, chinesische Hacker treten auf den Plan, und Mr. Robots Destruktionsziele werden gemeingefährlich: Als sich Elliot weigert, die Pipeline eines Gas-Kraftwerks in die Luft zu jagen, ist der „fsociety“-Chef wenig amüsiert. Die zweite Episode endet folgerichtig mit einem fiesen, lapidaren Stoß. Und Lust auf mehr.

Über weite Strecken funktioniert „Mr. Robot“ als solider Paranoia-Thriller, der die bekannten Versatzstücke des Hackerfilms neu arrangiert. Ohne einen Zusammenhang unterstellen zu wollen, sind dabei einige Parallelen zum deutschen Kino-Hit „Who am I – Kein System ist sicher“ (2014) zu frappierend, um sie unerwähnt zu lassen: Hier wie dort geht es um eine geheime Hackergruppe, hier wie dort dient die U-Bahn als entscheidender Schauplatz (ein Symbol fürs gleichsam „unterbewusste“ Operationsfeld der Aktivisten), hier wie dort wird ein unzuverlässiger Erzähler eingesetzt.

Letzteres ist das Spannendste an „Mr. Robot“. Elliot selbst führt als Off-Erzähler durchs Geschehen, als Zuschauer bleibt man dadurch seiner Weltwahrnehmung und -verzerrung ausgeliefert. Beispielsweise referiert Elliot in einer Therapiesitzung einmal sehr eloquent seinen ganzen Weltekel: von gierigen Weltkonzernen über falsche Helden wie Lance Armstrong bis hin zur Illusion von Intimität auf Facebook. „Ist es nicht so, das wir uns das alles ausgesucht haben?“, ruft er voller Zorn. Nach dieser Tirade zeigt sich dann aber, dass Elliot nur in Gedanken zürnte: Die Therapeutin hörte – anders als die Zuschauer – kein Wort. Anderes Beispiel: Elliot bezeichnet die E. Corp konsequent als „Evil Corp“ – und auch alle anderen Figuren übernehmen diese Verballhornung, selbst die Laptop-Logos und Werbeplakate schreiben „Evil“ statt „E“. Als Zuschauer lernen wir daraus, dass wir nur das sehen, was Elliot zu sehen glaubt, und dass dies grundsätzlich zweifelhaft ist. Gibt es die schwarzen Männer wirklich, von denen er sich permanent verfolgt fühlt? Dass wir sie auch sehen, ist kein Beweis.

Diese Dubiosität der Weltdarstellung ist es, die neugierig macht auf das, was Esmail und sein Autorenteam zu erzählen haben aus dieser Welt an der Schnittstelle zwischen Corporate America, anonymem Untergrund und privater Paranoia. Wenn es ihnen gelingt, auch die moralische Grauzone weiter auszuloten, in die jeder eintritt, der sich auf der Seite des Guten wähnt und dafür auf Gesetze pfeift, wird man auch angesichts der in „Mr. Robot“ recycelten Klischees getrost ein Auge zudrücken.

Meine Wertung: 3,5/​5

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von „Mr. Robot“.

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Universal Cable Productions

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

Kommentare zu dieser Newsmeldung

    weitere Meldungen