Longmire – Review

In der Ruhe liegt die Kraft dieses Neo-Westerns – von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 02.07.2012, 09:54 Uhr

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Sheriff Walt Longmire (Robert Taylor) und Deputy Vic Moretti (Katee Sackhoff) auf Spurensuche

Das Ensemble

Jeder einzelne Darsteller in „Longmire“ ist die Idealbesetzung für den jeweiligen Part. Robert Taylor trägt die Serie mühelos und bringt jede noch so exzentrische Anwandlung von Walt Longmire mit stoischer Gemütlichkeit rüber. Der Sheriff hat noch immer kein Handy, sammelt liegengebliebene Bierdosen am Straßenrand. Nach dem Tod seiner Frau hat er das Haus in ein kleines Katastrophengebiet verwandelt. Vor allem in den Szenen, die sich um die Verarbeitung dieser Trauer drehen, ist der Hauptdarsteller einfach nur brillant.

Taylor und die, wie könnte es auch anders sein, wunderbar schlagfertige Katee Sackhoff ergänzen sich bei ihren Ermittlungen perfekt. Wobei man sich bei Deputy Vic Moretti natürlich fragt, warum sie ausgerechnet nach Wyoming versetzt wurde, wenn sie es dort nicht besonders mag. Auch Longmires offensichtlich jahrzehntelange Freundschaft mit Standing Bear eröffnet eine Menge Erzählpotential. Bailey Chase macht aus dem eigentlich recht simpel angelegten Antagonisten Branch Connally eine interessante und charismatische Figur. Es wird interessant sein zu sehen, wo letztendlich seine Loyalität liegt, wenn es hart auf hart kommt.
Cassidy Freeman als Tochter Cady und Adam Bartley als weiterer Deputy Ferg bleiben in dem Piloten noch etwas farblos, aber dennoch ist auch hier Potential erkennbar. Schließlich gibt es für „Friday Night Lights“-Fans noch ein äußerst erfreuliches Wiedersehen mit Louanne Stephens als Longmires Sekretärin Ruby, die in ihrer Art fast ein bisschen an Rehbeinchen aus dem „„Kommissar“ erinnert. Stephens hatte in dem Footballdrama Matt Saracens Großmutter verkörpert.

Buch und Regie

Die Spurensuche in „Longmire“ schreitet langsam, unaufgeregt und äußerst intelligent voran. Daneben gibt es auch immer wieder auflockernde Szenen, beispielsweise wenn Vic per Föhn den Schnee schmelzen muss, um weitere Spuren aufzutreiben oder wenn per Hosentest auf der Ranch festgestellt werden muss, welcher Helfer die Jeans in der Tatnacht denn nun getragen hat. All dies mischt sich elegant mit den zahlreichen Charaktermomenten, so dass die beiden Autoren Hunt Baldwin und John Coveny mit ihrer Adaption eine perfekte Balance zwischen Procedural und figurenbetontem Drama geschaffen haben.

Dass Christopher Chulack hier Regie führt und als Produzent auftritt, ist besonders interessant, zeichnete er doch bislang hauptsächlich für actionreichere Dramen wie „Southland“ und „„Emergency Room“ verantwortlich. Dennoch gelingt es ihm mühelos, eine beachtliche Atmosphäre der gediegenen Ruhe zu schaffen, die Sheriff Longmires Revier greifbar werden lässt. Ein bisschen Action gibt es zwischendurch allerdings auch immer wieder, in diesen Momenten ist Chulacks Handschrift mehr als erkennbar.

Fazit

„Longmire“ ist eine Sommerserie der anderen Art: mit Schnee und Staub, mit intelligenter Spurensuche und hervorragenden Charaktermomenten, sowie einem ausgezeichneten Ensemble, das man als Zuschauer sehr schnell ins Herz schließt. Trotz aller Dramatik und Ernsthaftigkeit bietet die neue A&E-Serie auch jede Menge Humor und wird dank der beeindruckenden Landschaftsaufnahmen auch visuell zu einem Erlebnis. Mit Walt, Vic und Standing Bear kann man sich nach einem anstrengenden Sommertag einfach nur zurücklehnen und mit hervorragend gemachtem, gemütlichem Fernsehen in den noch immer ein bisschen wilden Westen eintauchen. Unter den neuen Serien dieses Sommers macht „Longmire“ Hoffnung auf mehr.

Meine Wertung: 4,5/​5

© Alle Bilder: A&E

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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