Happyish – Review

Schräg-sarkastische Comedy mit Steve Coogan – von Marcus Kirzynowski

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 25.05.2015, 13:35 Uhr

Der unbedingte Zwang, glücklich zu sein: Familie Payne (Sawyer Shipman, Steve Coogan, Kathryn Hahn)

Die Showtime-Comedy „Happyish“ hat bereits eine Entwicklungs-Odyssee hinter sich gebracht, bevor die erste Folge tatsächlich ausgestrahlt wurde. Urspünglich war sie Philip Seymour Hoffman auf den Leib geschrieben worden, der darin seine erste Serien-Hauptrolle spielen sollte. Eine Pilotfolge war bereits abgedreht und eine erste Staffel bestellt, da verstarb der große Schauspieler 2014 völlig überraschend. Danach war unklar, ob und wie es mit dem TV-Projekt weitergehen sollte, doch schließlich entschied sich der Sender, die Rolle neu zu besetzen und die Serie doch noch zu drehen.

Nun ist also der britische Komiker Steve Coogan („I’m Alan Partridge“) der 44-jährige Werber Thom Payne, der sich mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt. Seine negative Grundeinstellung verbessert sich nicht gerade, als ihm in der New Yorker Agentur, in der er Creative Director ist, zwei wesentlich jüngere neue Chefs vor die Nase gesetzt werden: Gustaf und Gottfrid. Die sehen aus wie die Helden eines skandinavischen Epos, finden nichts wichtiger als Twitter und Instagram und halten kulturell alles für einen verstaubten Klassiker, was älter ist als fünf Jahre. Das führt zu einer erheblichen kulturellen Kluft, vor der sich der mittelalte, eher bildungsbürgerliche Thom wiederfindet: So haben die Neuen zum Beispiel alle Konferenzräume nach Schriftstellern benannt, aber Raum Miller steht nicht etwa für Arthur oder Henry, sondern für den Thom gänzlich unbekannten Comicautor Frank („Er hat Batman geschrieben“ ist die naive Erwiderung seiner Assistentin). Thom sieht seinen Job ab sofort permanent bedroht, hat aber auch keine Lust, sich wie andere Kollegen zu verbiegen, um jugendlicher rüberzukommen. Zu Hause läuft auch nicht alles rund: Ehefrau Lee (Kathryn Hahn), eine Künstlerin aus einer jüdischen Familie, hat ihre eigenen Probleme, vor allem mit ihrer dominanten Mutter, und Sohn Julius (Sawyer Shipman) ist zwar hoch intelligent, aber eher socially awkward und miesepetrig als ein fröhliches Kind.

Bei einem Creative Director einer New Yorker Werbeagentur denkt man als Serienfan natürlich sofort an „Mad Men“, aber mit dessen doch recht glorifizierendem Bild der Werbeindustrie hat „Happyish“ nichts gemein. „Forget Mad Men“, sagt Thom dann auch gleich zu Beginn der Auftaktfolge in seinem Off-Kommentar. In der (Serien-)Realität ist Advertising ein zynisches Geschäft und wer nicht bei jedem Trend dabei ist, ist morgen schon weg vom Fenster. Aber auch Thom selbst ist eher ein Anti-Don-Draper: gegen seine Depressionen nimmt er Prozac, was sich aber schädlich auf seine Libido auswirkt und das harmonische Eheleben gefährdet. Oder wie Thom es ausdrückt: „Das ist die Wahl, die man im Leben hat: glücklich und schlaff oder deprimiert und hart.“ Seine Lebenssituation erinnert eher an die von Mark Duplass? Brett in der HBO-Comedy „Togetherness“: Obwohl er Frau und Kind liebt und einen gut bezahlten, angesehenen Job in der Kreativbranche hat, fragt er sich mit Mitte 40 ständig, ob das etwa schon alles war, was er vom Leben erwarten kann. Und kommt zu dem Schluss, dass er alles andere ist als glücklich, eben nicht happy, sondern nur happy-ish.

Mit 52 ist Thoms Chef Jonathan (Bradley Whitford) ihm schon einige Schritte (Richtung Abgrund) voraus
Erzählt wird das in einem Stil, den man wohl nur als sehr speziell bezeichnen kann: dass Thom oftmals per Off-Stimme seine Gedankenwelt offenbart, ist in Serien kein ungewöhnliches Mittel, dass ihm die Animationsfiguren aus seinen Werbespots auch in der „Realität“ (in seinen Tagträumen) begegnen, hingegen schon. Auch Gattin Lee unterhält sich urplötzlich mit dem überdimensionierten Amazon-Paket, das ihre Mutter dem Enkel geschickt hat – wobei das berühmte Logo des Versandhändlers wie ein Mund zu sprechen beginnt. Die Animationsstile wechseln dabei fröhlich, von klassischen 2D-Sequenzen über mit den Schauspielern agierende Figuren wie in „Roger Rabbit“ bis zu einem CGI-Gecko in 3D, der auch aus den Madagascar-Filmen stammen könnte. Die Szenen brechen oft urplötzlich ab, worauf eine kurze Schwarzblende folgt. So wirkt die Handlung zerstückelt, was aber auch dem Alltag der Hauptfiguren entspricht.

Sehr speziell ist zudem der Humor, den Serienschöpfer Shalom Auslander hier präsentiert. Der steht in der jüdischen Tradition, der sich etwa auch Woody Allen seit jeher bedient, legt aber noch einige Schippen drauf, was etwa den hemmungslosen Umgang mit Religion oder dem Holocaust betrifft. Erkennbar verarbeitet Auslander hier seine eigene Sozialisation, ist er doch als Sohn orthodoxer jüdischer Eltern aufgewachsen und sagt von sich selbst, er wäre erzogen worden „wie ein Kalbskotelett“. Es ist aus der Außenperspektive immer wieder faszinierend zu sehen, wie US-amerikanische Pay-TV-Sender nicht davor zurückschrecken, Serien zu produzieren, deren Humor auf gesellschaftliche Minderheiten zugeschnitten ist – in Deutschland nach wie vor völlig unvorstellbar, da die Sender hier immer noch auf den kleinsten gemeinsamen Nenner abzielen. In „Happyish“ darf hingegen auch mal minutenlang über eine jiddische Redewendung gescherzt werden.

Bemerkenswert ist das Ensemble, das einige prominente Schauspieler versammelt: Neben Coogan und Hahn auch Bradley Whitford (unvergessen als stellvertretender Stabschef Josh Lyman in „The West Wing“) als ebenso zynischen (aber mit weniger Bedenken ausgestatteten) Vorgesetzten und Freund von Thom und Ellen Barkin als Headhunterin mit dem herrlichen Namen Dani Kirschenbloom. In wiederkehrenden Nebenrollen sind etwa noch Andre Royo (der Junkie „Bubbles“ aus „The Wire“) und Molly Price (Officer Yokas aus „Third Watch“) zu sehen – ein Fest für jeden Freund ambitionierter US-Serien. Coogan macht seine Sache in der Hauptrolle ohne Zweifel gut, sein ausgeprägter britischer Akzent unterstreicht zudem treffend das distinguierte Außenseitertum, das er sich selbst auferlegt hat. Trotzdem kommt man wohl nicht umhin, sich die Frage zu stellen, wie die Serie ausgesehen hätte, wenn Hoffman die Rolle noch (weiter) hätte spielen können. Es lässt sich leider nur erahnen, wie toll er darin gewesen wäre.

Auch ohne Hoffman ist „Happyish“ aber eine durchaus gelungene Comedy, die versteckt hinter einem etwas gewöhnungsbedürftigen Stil die großen Fragen menschlicher Existenz dekliniert: Gehört man mit Mitte 40 schon zum alten Eisen? Ist Gott ein Zyniker? Welchen Sinn hat es, Kinder zu bekommen, wenn sowieso alle Menschen sterben müssen? Und sollte man trotz allem nach seinem persönlichen Glück streben oder sich besser mit einer Art „Glücklichkeit“ zufrieden geben? Woody Allen hat auf der komödiantischen Auseinandersetzung mit diesen Fragen ein filmisches Lebenswerk aufgebaut – warum also nicht eine Comedyserie daraus machen?


Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Folgen der Serie.

Meine Wertung: 3,5/​5

Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: Showtime

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

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