Frankie – Review

TV-Kritik zum BBC-Drama mit Eve Myles – von Marcus Kirzynowski

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 06.08.2013, 16:01 Uhr

Zwischen Frankie (Eve Myles) und ihrem Langzeitfreund Ian (Dean Lennox Kelly) kriselt es.
Während in deutschen TV-Serien seit Jahren ausschließlich Landärzte, Tierärztinnen und sonstige Mediziner für Herz und Schmerz ihrer Patienten zuständig sind und mit „Für alle Fälle Stefanie“ bereits 2004 die letzte TV-Krankenschwester den Dienst quittierte, hat Pflegepersonal im englischen Fernsehen wieder Hochkonjunktur. Die Hebammenserie „Call the Midwife – Ruf des Lebens“ feiert Erfolge, Ricky Gervais spielte einen geistig etwas eingeschränkten Altenpfleger in der von ihm entwickelten Sitcom „Derek“ und auch Eve Myles schlüpfte für die BBC in die Uniform einer Krankenpflegerin. Die Waliserin, bisher vor allem als Mitglied der Geheimorganisation „Torchwood“ im gleichnamigen „Doctor Who“-Spin-Off bekannt, verkörpert im Sechsteiler „Frankie“ eine ‚District Nurse‘ in Bristol. Und die ebenso lebenslustige wie einfühlsame Schwester Frankie Maddox scheint der Schauspielerin auf den Leib geschrieben zu sein.

Zu Beginn der ersten Folge wirkt diese Frankie wie eine Frau, die kaum offene Wünsche hat. Sie lebt scheinbar glücklich zusammen mit dem Polizisten Ian (Dean Lennox Kelly) und liebt vor allem ihren Beruf: Als Bezirkskrankenschwester fährt sie von Patient zu Patient, um diese zu Hause zu pflegen und medizinisch zu versorgen. Trotz ihrer täglichen Konfrontation mit Krankheit, Leid und Tod geht sie völlig in ihrem Job auf, singt gerne und laut alleine im Auto zum Radio und antwortet zwischendurch sogar auf die Ansagen des DJs. Aber ihr fehlt auch eine gesunde professionelle Distanz zu ihrer Arbeit, was ihr immer wieder Probleme beschert. So steht sie als einzige verfügbare Bezugsperson einer Patientin mit schwer krankem Sohn bei der Entbindung des zweiten Kindes bei – ausgerechnet an ihrem Geburtstag, während Ian zunehmend verärgert mit einem Verlobungsring auf sie wartet. Nicht jeder hat halt so viel Verständnis für ihre mangelnde Balance zwischen Privat- und Berufsleben wie sie selbst. Zum anderen lässt sie sich emotional stark auf ihre Patienten und deren Schicksale ein – was sie oftmals in Schwierigkeiten bringt und ihr gar Vorwürfe beschert, an einem Fall von Sterbehilfe beteiligt zu sein. Der Ärztin Dr. Evans (Jemma Redgrave) ist die charmant-selbstsicher auftretende Krankenschwester jedenfalls ein Dorn im Auge.

Frankie liebt ihren Job.
„Frankie“ lebt zu 90 Prozent von Eve Myles, die sich als ebenso unkonventionelle wie mitfühlende Pflegerin schnell in die Herzen der meisten Zuschauer spielen dürfte. Es ist einfach zu herrlich, wie sie in ihrem Wohnungsflur tanzt oder mit vollem Körpereinsatz ihr Schlafzimmer knallgrün streicht. Aber die Schauspielerin meistert auch die leiseren Momente problemlos und überzeugt gerade dann, wenn Frankie angesichts von um ihre Patienten bangenden oder trauernden Angehörigen einmal die Worte fehlen. Bei der Schilderung ihres Arbeitsalltags trägt Autorin Lucy Gannon manchmal etwas zu dick auf, nicht nur, wenn sie hin und wieder zu offensichtlich auf die Tränendrüsen der Zuschauer drückt. Auch hat Frankie oft einfach zu viel Zeit für ihre Patienten. Ich bin zwar nicht mit dem britischen Gesundheitssystem vertraut und so etwas wie staatlich organisierte häusliche Krankenpflege gibt es ja in Deutschland nicht. Es ist aber doch eher unwahrscheinlich, dass in England eine ‚Mobile Nurse‘ ständig Zeit findet, sich mit den ihr Anvertrauten auf einen Tee zusammenzusetzen oder auf dem Weg nebenbei noch ein Kind wiederzubeleben, während die nächsten Patienten längst auf sie warten. Pflegenotstand sieht jedenfalls anders aus.

Davon abgesehen schreckt die Serie nicht vor der Schilderung sozialer Realität zurück: ob sie die vor allem für nahe Angehörige schrecklichen Folgen von Demenz thematisiert, wenn ein Vater seine eigene Tochter nicht mehr erkennt und diese mit seiner Betreuung überfordert ist, oder die schwere Wiedereingliederung eines Ex-Soldaten, der im Einsatz ein Bein verloren hat. Zudem sind Frankie und ihre Kollegen keine Engel in Weiß (oder hier in Blau), sondern auch ‚nur‘ Menschen, die oft im Berufsalltag an ihre physischen und psychischen Grenzen gelangen. Und in ihrem Privatleben wirken sie meist eher orientierungslos. Als Ersatzfamilie fungiert das Pflegeteam, zu dem neben Frankie noch drei weitere Schwestern, ein Pfleger und ein rollstuhlfahrender Verwaltungsmitarbeiter gehören. Obwohl die anderen Pfleger ab der zweiten Folge auch in eigenen Handlungssträngen mit Patienten zu sehen sind, stiehlt Eve Myles ihnen doch die Show und ist auch weiterhin in gefühlt 90 Prozent aller Szenen zu sehen. Und das ist auch gut so, denn ohne die Energie der Schauspielerin, die ganz und gar in ihrer Rolle aufgeht, liefe die Serie wahrscheinlich Gefahr, in zu soapige Gewässer abzudriften. So aber bleibt man schon alleine deshalb dran, um zu sehen, wie sich Frankie – ganz im Sinne ihrer Patienten – aus allen misslichen Lagen herausmanövriert.

Es ist schon merkwürdig: Die meisten britischen Serien haben weder schlechtere Schauspieler noch Drehbücher als ihre US-Pendants, trotzdem bekommen sie international viel weniger Aufmerksamkeit und finden nur selten ihren Weg ins deutsche Fernsehen. Dabei machen sie ihr geringeres Budget meist durch Kreativität wieder wett – wie die BBC-Dramaredaktion mit „Frankie“ einmal mehr beweist.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Folgen von „Frankie“.

Meine Wertung: 3,5/​5
Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: BBC

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

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