Feed the Beast – Review
Sehenswerte Serie um Freunde, die sich durch hausgemachte Schwierigkeiten kämpfen – von Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 15.08.2016, 13:00 Uhr
Kochen geht im Fernsehen ja bekanntlich immer. Ganz anders als bei Lichter, Lafer & Co. greift das Thema allerdings die US-Serie „Feed the Beast“ auf: erstens in Form einer fiktionalen Geschichte und zweitens kocht die polnische Mafia hier ordentlich mit. Das zunächst zehnteilige Drama ist eine Adaption der dänischen Serie „Bankerot“, die unter dem Titel „Helden am Herd“ im Herbst 2016 bei arte zu sehen sein soll. Anders als bei der Vorlage sind die Episoden der englischsprachigen Version des Kabelsenders AMC nicht 25 Minuten, sondern jeweils rund 45 Minuten lang. Und die Handlung wurde natürlich in die USA verlegt, in diesem Fall in die Bronx, einen weitgehend noch nicht gentrifizierten Stadtbezirk New Yorks.
Dessen raue und oftmals gewalttätige Atmosphäre stellt der Vorspann in eindringlichen Bildern heraus. In Kontrast dazu setzt er die typischen Ingredienzen eines Luxusrestaurants wie einen festlich gedeckten Tisch, der hier aber auf einem U-Bahnsteig steht, oder diverse auf dem Herd brutzelnde Speisen neben einer zum Aufwärmen im Freien genutzten brennenden Mülltonne. Und fachmännisch mit dem Schlachtermesser zerlegt werden eben nicht nur Schweinehälften, sondern auch menschliche Gliedmaßen. Damit ist der zentrale Gegensatz der Serie auf geschickte Weise schon im Vorspann vorgegeben: die dunklen, kriminellen Seiten eines Stadtteils, in dem viele unbescholtene Bürger noch immer nach Einbruch der Dunkelheit nur ungern unterwegs sind und auf der anderen Seite die Welt der Haute Cuisine, die man in so einer Gegend erstmal nicht erwartet.
Den Traum vom eigenen gehobenen Restaurant in ihrem Heimatbezirk wollen sich Thomas „Tommy“ Moran (David Schwimmer) und Dion Patras (Jim Sturgess) verwirklichen, zwei ungleiche alte Freunde. Es ist bereits der zweite Versuch: Ursprünglich war das „Thirio“ die Vision von Tommys Ehefrau, der Köchin Rie (Christine Adams). Dummerweise fackelte Dion das Restaurant aber vor Jahren im Kokainrausch ab und landete deswegen im Gefängnis. Rie wurde kurz darauf von einem Auto angefahren und erlag ihren Verletzungen. Tommy, der ihren Tod bis heute nicht verwunden hat, greift seitdem regelmäßig zur Flasche, was insofern ironisch ist, als dass er von Beruf Sommelier ist. Und auch der gemeinsame Sohn von Rie und Tommy, der zehnjährige Thomas „TJ“ jr. (Elijah Jacob), ist schwer traumatisiert – er hat seit dem Tod seiner Mutter kein Wort mehr gesprochen. Alles andere als eine optimale Ausgangssituation also für eine erneute Geschäftsgründung, aber trotzdem überredet der begnadete Koch Dion direkt nach seiner Entlassung aus dem Knast seinen engsten Freund Tommy, es zu zweit noch einmal mit dem „Thirio“ zu versuchen. Seine Hauptmotivation ist allerdings, dass er dem Mafiaboss Patrick Woichik (Michael Gladis) einen Haufen Geld schuldet – dem gehörte nämlich das abgebrannte Lokal.
Originell ist an der von Clyde Phillips für den US-Markt adaptierten Serie im Grunde gar nichts. Die Autoren schaffen es aber, die verschiedenen hinlänglich bekannten Versatzstücke aus Gangster-, Mafia- und Familienserien und -filmen so miteinander zu kombinieren, dass das Ergebnis höchst unterhaltsam ausfällt. Es passiert eigentlich immer etwas, mit umständlichen Erklärungen oder inneren Entwicklungen der Figuren halten sich die Drehbücher nie lange auf. Dabei gibt es neben der Thrillerhandlung immer auch genügend Platz für typische Probleme eines Workplace-Dramas, also für alles, was mit der Eröffnung des Restaurants zusammenhängt (fehlende Genehmigungen, fehlende Gäste, etc.), sowie für Beziehungsgeschichten der Mitarbeiter. Für letztere sorgt vor allem die weibliche Hauptfigur im Ensemble, die lebensfrohe, aber leicht naive Pilar Herrera (Lorenza Izzo), die unter Vortäuschung falscher Tatsachen zuerst den Job der Geschäftsführerin und nach und nach auch Tommys Herz für sich gewinnen kann. Es ist allerdings auch hier Dion, der mit seinem impulsiv-destruktiven Charakter wieder alles zu zerstören droht.
Zum hohen Unterhaltungsfaktor tragen die hochwertige Kameraarbeit von Joe Collins („Royal Pains“, „Nurse Jackie“) und die durchgehend guten bis tollen Schauspieler bei. David Schwimmer (Ross aus „Friends“) ist hier eher noch das schwächste Glied, vermag er doch nicht so wirklich, in dramatischen und emotionalen Momenten zu überzeugen. Hervorragend ist aber einmal mehr John Doman (bekannt als Dominic Wests ewiger Gegenspieler in „The Wire“ wie in „The Affair“) als höchst vielschichtiger, vom Leben gezeichneter Griesgram. Und auch Michael Gladis liefert nach seiner Rolle des Paul Kinsey in „Mad Men“ in einer ungleich brutaleren Rolle wieder eine gelungene Vorstellung ab. Mit Elijah Jacob konnte zudem ein sympathischer Kinderdarsteller gefunden werden.
Kern der Geschichte ist aber natürlich die konfliktreiche Beziehung der beiden ungleichen „Blutsbrüder“ Tommy und Dion, und hier tragen die Autoren leider manchmal etwas zu stark auf. So viel Lüge, Geheimniskrämerei und Verrat, wie zwischen den beiden alleine in diesen zehn Folgen deutlich werden, hält im wahren Leben wohl keine Freundschaft der Welt aus. Aber das Gesetz der Serie verlangt halt, dass es nach jeder neuen Enthüllung respektive Entgleisung Dions trotzdem immer weiter geht. Etwas weniger hätte der Glaubwürdigkeit jedoch sicher gut getan. Insgesamt sind diese – und fast alle anderen – Charaktere aber so menschlich, dass man ihnen auch in der zehnten Folge noch gerne bei ihren immer neuen Bemühungen und Verfehlungen zuschaut – und das auch gerne weiterhin machen würde. Sollte AMC die Serie wegen der nicht gerade berauschenden Quoten nach Staffel 1 einstellen, wäre das jedenfalls nicht nur wegen des Cliffhangers schade, sind solche höchst kurzweiligen, dabei aber nicht gänzlich anspruchslosen Dramaserien doch in der heutigen US-Fernsehlandschaft zwischen all ihren hochtrabenden Qualitätsserien relativ selten geworden.
Dieser Text basiert auf Sichtung der kompletten ersten Staffel der Serie.
Meine Wertung: 4/5
Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: AMC
Über den Autor
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.
Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing