Dirk Gentlys Holistische Detektei – Review

Netflix zeigt amerikanische Douglas-Adams-Adaption ab Sonntag – von Marcus Kirzynowski

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 10.12.2016, 17:00 Uhr

Gently (Samuel Barnett) und Todd (Elijah Wood) in misslicher Lage

Es ist kein guter Tag für Todd Brotzman (Elijah Wood). Ein aggressiver Nachbar, dem er Geld schuldet, zerlegt schon am Morgen mit einer Brechstange sein Auto. Auf der Arbeit im Hotel, wo er als Page angestellt ist, angekommen, laufen Todds Versuche, seinen Chef zu einer vorzeitigen Ausstellung des Gehaltsschecks zu überreden, ins Leere. Erst einmal solle er nachsehen, was in dem Penthouse vor sich gehe, dessen Gast die Miete schuldig ist. Auf dem Weg in die oberste Etage erhascht Todd einen kurzen Blick auf einen Mann, der aussieht wie er selbst. Im Penthouse findet er den Gast dann ermordet vor, wobei die Kampfspuren in dem verwüsteten Zimmer so aussehen, als hätte dort ein riesiges Raubtier gewütet. Später wird Todd dann noch fristlos entlassen, dabei braucht er doch so dringend Geld – nicht nur für seine Miete, sondern auch, um Medikamente für seine psychisch schwer kranke Schwester kaufen zu können.

Nachdem die Pilotfolge uns ausführlich in Todds desolate Lebenssituation eingeführt hat, bekommen wir nach einer Viertelstunde auch erstmals die eigentliche Hauptfigur der BBC-America-Serie zu sehen: den holistischen Privatdetektiv Dirk Gently (Samuel Barnett). Bis dahin denken Kenner der Romane von Kultautor Douglas Adams, auf denen die Serie angeblich beruht, vermutlich, sie hätten die falsche Sendung eingeschaltet. Dieses Gefühl dürfte sich im Verlauf der ersten Folgen nur unwesentlich abmildern. Mit der Vorlage hat diese Serie wirklich nur sehr wenig zu tun.

Adams’ parodistischer Detektivroman „Der elektrische Mönch“ sowie die Fortsetzung „Der lange dunkle Fünfuhrtee der Seele“ aus den 1980er Jahren galten lange als unverfilmbar. Deshalb übernahm auch Howard Overman 2010 für die erste TV-Version für BBC Four unter dem schlichten Titel „Dirk Gently“ lediglich die Hauptfiguren und einige andere Elemente der Romane, strickte darum aber gänzlich neue Geschichten. Die Fälle des damals von Stephen Mangan verkörperten Ermittlers waren mehr oder weniger inszeniert wie herkömmliche britische Krimiserien, mit dem Unterschied, dass darin keine noch so unwahrscheinliche Wendung unmöglich war. Trotz guter Kritiken und hoher Quoten war aber nach vier Folgen schon wieder Schluss, weil die BBC Geld sparen musste. Nun hat sich der US-amerikanische Tochtersender unter dem Originaltitel des ersten Romans „Dirk Gently’s Holistic Detective Agency“ (als „Dirk Gentlys Holistische Detektei“ jetzt in Deutschland bei Netflix) des Stoffes angenommen, dabei aber nicht mehr als die Grundidee übernommen: Gently ist ein Detektiv, der an die grundlegende Verbundenheit aller Dinge glaubt. Er verfolgt deshalb bei seinen Fällen einen ganzheitlichen Ansatz, der reichlich skurril wirkt: So ermittelt er bevorzugt zu Ereignissen, die mit dem Fall zunächst gar nichts zu tun zu haben scheinen. Meist stellt sich dann heraus, dass doch alles irgendwie zusammenhängt, was schließlich zur Lösung des ursprünglichen Falles führt.

Todds Schwester Amanda (Hannah Marks)

Serienschöpfer Max Landis hat den britischen Detektiv nun nach Seattle verpflanzt und mit einer ganzen Schar neuer Charaktere umgeben. Der Charme der Vorlage bleibt dabei leider weitestgehend auf der Strecke. Wie in den Romanen wechseln sich eine Vielzahl zunächst unverbunden erscheinender Handlungsstränge ab: Neben dem Mord im Hotel, bei dem Gently den glücklosen Todd als seinen Assistenten rekrutieren will, gibt es auch noch eine Entführung, eine in der Wohnung über Todd gefangen gehaltene Frau und eine durchgeknallte Killerin, die einen jungen Mann kidnappt. Es treten außerdem auf: zwei schusselige Beamte aus der Kripoabteilung für vermisste Personen (einer davon gespielt von Richard Schiff), mehrere FBI-Beamte, ein Scharfschütze einer nicht näher genannten Organisation, ein Haufen tumber Schergen mit Glatzen und deutschem Akzent sowie eine brutale Rockergang namens Rowdy 3 (die aber vier Mitglieder hat), außerdem diverse Hunde und Katzen. Besonders viel Sinn ergibt das alles nicht, vielmehr verlieren sich die beiden Auftaktfolgen in zunehmend absurderen Konfrontationen der verschiedenen Parteien, inklusive wilder Schießereien und Verfolgungsjagden und zumindest angedeuteter Zeitreisen und Bewusstseinsübertragungen. Mit Splattereffekten wird nicht gespart, so dass die ganze Mischung eher an Serien wie „Preacher“ oder „Orphan Black“ erinnert als an eine, wenn auch skurrile, Ermittlerserie. Gently selbst wirkt in all dem überdrehten Chaos als einzige Figur mit britischem Akzent eher wie ein Fremdkörper. Auch von dem titelgebenden Detektivbüro ist weit und breit nichts zu sehen, ebensowenig wie von seinem ursprünglichen Assistenten oder seiner Sekretärin.

Zwischendurch, wenn Dirk und sein Sidekick Todd kurz zur Ruhe kommen, lässt sich das Drehbuch auch einmal Zeit für ernstere Momente. Dann kümmert sich Todd um seine Schwester Amanda (Hannah Marks), die unter einer fiktiven psychischen Krankheit leidet, bei der ihr realistisch wirkende Halluzinationen das Leben zur Hölle machen. Oder Dirk fordert seinen neuen Kumpel eindringlich auf, die Opferrolle abzulegen und sein Schicksal endlich in die eigene Hand zu nehmen. Solche ruhigeren Momente dauern aber nie lange, denn schnell tritt schon wieder der nächste Knalleffekt ein. Das wirkt auf die Dauer ebenso atem- wie konzeptlos.

Es ist schon eine Krux mit den Douglas-Adams-Verfilmungen: Einerseits hat der Brite auch auf der anderen Seite des Atlantiks einen guten Ruf, von dem Produzenten profitieren wollen. Andererseits halten sie seine Werke dann aber wohl doch für zu britisch, um auf dem US-Markt reüssieren zu können. Deshalb schleift man sie entweder so weit ab, dass ein seelenloser Film wie die Kinofassung von „Per Anhalter durch die Galaxis“ von 2005 dabei herauskommt, oder man übernimmt gleich nur den Titel und die Titelfigur und kreiert damit eine TV-Serie, bei der weder von der ursprünglichen Geschichte noch von deren Charme etwas übrig bleibt. Das Ergebnis wirkt leider so, als hätten die Macher zu oft die britische Mystery-Satire „Utopia“ geguckt, ohne verstanden zu haben, was diese im Kern ausmachte. Wer Douglas Adams’ herrlich verrückten und zugleich philosophischen Humor schätzt, sollte lieber zur BBC-Verfilmung des Anhalters aus den 1980ern greifen – oder dem britischen „Dirk Gently“ eine Chance geben. Der hatte zwar ein deutlich niedrigeres Budget, aber dafür wesentlich mehr Herz.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten beiden Episoden der Serie.

Meine Wertung: 3/​5

Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: Netflix

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

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