Alcatraz – Review

J.J. Abrams und ein ganz anderes Insel-Geheimnis – von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 23.01.2012, 16:47 Uhr

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Santiago Cabrera (l.), Parminder Nagra (m.) und Robert Forster (r.)

Na, auf dieser Insel lässt man sich doch gerne einsperren! Der Pilot zu „Alcatraz“ ist spannend, atmosphärisch dicht, überzeugt durch ein sympathisches Ensemble und bietet ein solides, klar gezeichnetes Fundament für das, was sich im Idealfall später zu einer faszinierenden Mythologie entwickeln könnte. Dabei bleibt die Handlung trotz zahlreicher Zeitsprünge und nicht gerade weniger Protagonisten stets vollkommen nachvollziehbar. Von Reizüberflutung kann also keine Rede sein, aber sicher von genussvoller Reizauslastung. Die Welt von „Alcatraz“ ist zumeist in düsteren Gelb-, Grün- und Blautönen gehalten, die Serie bietet also sicher keine revolutionäre aber ähnlich wie bei dem NBC-Neustart „Grimm“ eine äußerst einladende Optik. Die vor Ort in San Francisco und auf Alcatraz gedrehten Szenen tun ihr Übriges, um die Qualität des Piloten zusätzlich zu steigern.

Zwei Ermittlerpaare stehen hier im Zentrum, wobei Rebecca und „Doc“ diejenigen sind, die den Zuschauer an die Hand nehmen und mit ihnen gemeinsam so manches Geheimnis aufdecken. Hauser und Lucy sind dagegen die „Cryptkeepers“, sie hüten viele jener Geheimnisse. Doch wie viel sie letztendlich über die Rückkehr der 63er wissen, bleibt offen – genau wie die Absichten, die sie für die Festgenommenen verfolgen. Ihre Handlungen liegen in der Grauzone zwischen Gut und Böse, erfolgen jedoch stets aus vollster Überzeugung, was man dank der hervorragenden Leistung von Sam Neill und Parminder Nagra deutlich spürt. Ein bisschen länger dauert es, bis man sich an Sarah Jones als Rebecca gewöhnt, doch ihr sehr gutes Zusammenspiel mit dem wie immer überdimensional sympathischen Jorge Garcia hilft über kleine Anfangsschwächen hinweg. Alleine durch die Tatsache, dass Rebeccas Onkel von dem einfach nur wunderbaren Robert Forster verkörpert wird, will man mehr über sie und ihre über Generationen hinweg mit Alcatraz verbundene Familie erfahren.

Jorge Garcia (l.), Sarah Jones (m.) und Sam Neill (r.)

Auch die Nebenfiguren und ihre Darsteller sind hervorragend, auch wenn man manche von ihnen, wie den recht unheimlich daherkommenden Gefängnisdirektor Edwin James (Johnny Coyne), erst im Laufe weiterer Episoden kennen lernt. Bemerkenswert ist hier, dass die zurückgekehrten Alcatraz-Häftlinge nach ihrer erneuten Ergreifung nicht in erzählerische Vergessenheit geraten, sondern von Hauser und Lucy gezielt studiert und befragt werden. Ihre ersten beiden „Exemplare“, Jack Sylvane (Jeffrey Pierce) und Ernest Cobb (Joe Egender), sind faszinierend genug, so dass man sich auch als Zuschauer freut, sie noch einige Zeit studieren zu können.

Alles in allem hat „Alcatraz“ inhaltlich einen äußerst erfreulichen Start hingelegt. Der Erfolg oder Misserfolg des Formats wird nun davon abhängen, ob es gelingt die übergreifende Mythologie erfolgreich mit der wöchentlichen Verbrecherjagd zu verschmelzen. Je mehr sie sich dabei von bekannten Profiler-Schemata ? la „Criminal Minds“ abhebt, desto besser. In der zweiten Episode ist diese Mischung sicher noch nicht perfekt. Doch die neu gelieferten Erkenntnisse um das Geschehen auf der Gefängnisinsel im Jahr 1960 geben Grund zur Hoffnung, dass wir es hier mit einer Mystery-Serie zu tun haben, die nicht die Absicht verfolgt, ihre Zuschauer endlos hinzuhalten. Stattdessen wird man bislang überraschend schnell mit neuen wichtigen Puzzleteilen versorgt. Sollte es dabei bleiben, könnte die Haftzeit auf „Alcatraz“ noch zu einem äußerst spannenden Vergnügen werden.

Meine Wertung: 4,5/​5

© Alle Bilder: FOX

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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