„All In The Family“-Star Jean Stapleton stirbt mit 90 Jahren

US-Version von „Ein Herz und eine Seele“ brachte Durchbruch

Stefan Genrich
Stefan Genrich – 02.06.2013, 10:19 Uhr

Jean Stapleton als Edith Bunker in „All In The Family“ neben US-Ekel Archie (Carroll O’Connor) – Bild: Sony Pictures Television, NYT
Jean Stapleton als Edith Bunker in „All In The Family“ neben US-Ekel Archie (Carroll O’Connor)

In Deutschland erinnern sich vielleicht nicht viele Fernsehzuschauer bewusst an Jean Stapleton – bis jemand erwähnt, dass die am Freitag (31.5.) im Alter von 90 Jahren gestorbene Schauspielerin die US-Variante von „Else, du dusselige Kuh!“ dargestellt hat: Zwischen 1971 und 1979 hat sie ihre größten Erfolge als nette, aber etwas einfach gestrickte Hausfrau Edith Bunker in „All In The Family“ gefeiert.

Laut USA Today hat Ihr Sohn, der Regisseur John Putch, die Öffentlichkeit am Samstag über den Verlust informiert und als Ursache „natürlicher Tod“ genannt: Jean Stapleton sei friedlich zu Hause in New York im Kreise von Familie und Freunden eingeschlafen. Die erfahrene Theater-Mimin war bereits von Anfang an dabei, als ABC 1968 einen Pilotfilm für eine schräge Familienserie testete und im Folgejahr einen zweiten Versuch wagte – aber als der Sender schließlich doch vor dem von Carroll O’Connor dargestellten großmäuligen und engstirnigen Hausherrn als Hauptfigur zurückscheute, schnappte sich CBS die Rechte und landete mit „All In The Family“ als amerikanische Adaption der britischen Vorlage „Till Death Us Do Part“ einen Riesenhit.

Carroll O’Connor und Jean Stapleton blieben nicht nur bis zum Serienende im Stammteam, sondern machten 1979 gleich mit der Fortsetzung „Archie Bunker’s Place“ weiter. Bei anderen Charakteren wechselten die Darsteller ab und zu, während sich die Drehbuchautoren bei Jean Stapletons Ausscheiden im Laufe der ersten Staffel der neuen Serie für den Tod von Edith Bunker entschieden. Bis dahin hatte sie nicht nur drei ‚Emmys‘ und zwei ‚Golden Globes‘ eingesammelt, sondern vor allem die Herzen der Zuschauer erobert.

Ähnlich wie in der deutschen Ausgabe „Ein Herz und eine Seele“ leidet die stets unvorteilhaft gekleidete Ehefrau standhaft unter den Beschimpfungen ihres reaktionären Gatten und kommt nicht ganz mit, wenn Archie Bunker gegen Minderheiten poltert und das politische Weltgeschehen auf seine Weise analysiert. Wenn es nach ihm geht, haben Frauen brav Heim und Herd zu hüten und ansonsten den Mund zu halten – daher der häufige Ruf an die leicht rebellierende Edith: „Stifle yourself!“, auf Deutsch etwa „Würg dich selbst ab!“ Wenn Else in deutschen Landen für ihr Ekel Alfred als „dusselige Kuh“ gilt, sieht der Dockarbeiter in den USA seine Angetraute ebenso uncharmant als „beloved dingbat“, also als „geliebten Knallkopf“. 1972 sagte Jean Stapleton in einem Interview für die New York Times, dass sie nicht glaube, dass Edith eine typische amerikanische Hausfrau sei – „jedenfalls hoffe ich, dass sie es nicht ist!“

Was in über 200 Folgen geschah, erlebte das deutsche TV-Publikum nur in homöopathischen Dosen ausschließlich im Norden: 1974 strahlten die Dritten Programme von NDR, RB und SFR einige Epiosden in der Originalfassung aus. Von diversen Spin-Offs wie „Maude“ und „Die Jeffersons“ hielt sich Jean Stapleton fern und konzentrierte sich auf ihre sonstige Karriere. Nach kleinen Auftritten etwa in „Klute“ an der Seite von Jane Fonda und im Fernsehfilm „Tail Gunner Joe“ über das Leben des berüchtigten Senators Joseph McCarthy angelte sie 1979 eine tragende Rolle im TV-Movie „You Can’t Take It With You“. 1982 folgte eine besondere Ehre, als der Serienstar die amerikanische Ikone Eleanor Roosevelt in „Eleanor, First Lady Of The World“ verkörperte und 15 Jahre später in einer One-Woman-Show auf die Bühne brachte. Zudem fiel die Schauspielerin 1986 als Ariadne Oliver in der TV-Umsetzung nach Agatha Christie „Mord mit verteilten Rollen“ auf und erntete 1998 als ungewöhnliche Buchhändlerin einen kleinen Teil des Ruhms von „e-m@il für Dich“ mit Meg Ryan und Tom Hanks.

Doch eigentlich blieb Jean Stapleton im Theater und in den Fernsehserien zu Hause. Neben ihrer Präsenz am Broadway mischte sie schon seit den frühen 1950er Jahren in einzelnen Folgen unzähliger Reißer wie „Lux Video Theatre“, „Dr. Kildare“ und „Gnadenlose Stadt“ mit. „All In The Family“ bescherte ihr den Durchbruch, so dass ihr 1976 sogar „Die Muppet Show“ Tribut als ihren Gaststar zollte. 1990 und 1991 erreichte sie als Freundin der von Whoopi Goldberg dargestellten Besitzerin vom „Bagdad Café“ wieder die Spitze in einer Serienbesetzung, allerdings durften schon nach zwei Staffeln keine weiteren Geschichten folgen. Der Fernsehfilm „Eine mörderische Familie“ mit Mary Tyler Moore schien 2001 den Schlusspunkt ihrer Karriere zu setzen, doch ausgegrabenes Archivmaterial schenkte Jean Stapleton ein kleines Comeback: Der erste Pilotfilm von „All In The Family“ aus dem Jahr 1968 hatte lange als verloren gegolten, bis 2009 die späte Premiere unter dem ursprünglichen Titel „Justice For All“ durch eine DVD-Pressung stattfand – so als ob ihr größter Erfolg die Laufbahn einer zumindest in den USA weit bekannten Schauspielerin am Ende abrunden sollte, obwohl sie schon lange mit diesem Kapitel abgeschlossen hatte. 2002 schilderte sie Associated Press ihre übliche Reaktion, wenn Fans sie in der Öffentlichkeit Edith nennen würden: Dann erinnere sie stets höflich daran, dass ihr Name Jean sei.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    ein stolzes Alter hat sie erreicht ... ich hoffe, sie musste nicht leiden ..
    Ach, hab ich sie als Edith geliebt ...
    Mein Beileid der Familie ..
    R.I.P., Jean ...

    Zur Erinnerung eine schöne Szene ..

    http://www.youtube.com/embed/Z8EKndHBy7U

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