2019, Folge 279–294
Männer leiden anders: Tabu Depression
Folge 279 (45 Min.)Burn-out? Ja! Aber eine Depression? Doch nicht bei Männern! Psychische Störungen beim „starken Geschlecht“ werden oft tabuisiert. Zudem bleibt die Depression vielen Ärzten verborgen. Das liegt auch daran, dass eine männliche Depression nicht typisch traurig, antriebslos oder zurückgezogen verläuft. Stattdessen: Alkoholkonsum, Aggressionen, exzessiver Sport, Arbeitswut oder Sexsucht. „45 Min“ begleitet Arthur H. ein ganzes Jahr lang auf seinem Weg durch die Depression. Der 55-Jährige leidet unter „Stimmungsschwankungen“. Seinen Beruf als Teamleiter bei Fielmann konnte er kaum noch ausüben. „Ich wurde immer aggressiver. Legte mich Kunden und Kollegen an.“ Es folgte sozialer Rückzug.
Die Freude am Leben verschwand. „Ich wusste: Entweder steige ich aus oder ich nehme mir das Leben.“ Aber auch die Psychologische Ambulanz und Tabletten brachten ihm keine Hilfe. Arthur H. entscheidet sich für eine Auszeit und zieht als Einsiedler in den Wald. Hier trifft ihn das Filmteam und begleitet ihn bei seinem Eremitendasein. Es geht mit ihm in ein nahe gelegenes Kloster, das er regelmäßig aufsucht. Hier hofft er, in den Gesprächen mit den Mönchen wieder Lebensmut zu finden. Die Benediktiner sind auf depressive Männer spezialisiert. „Frauen fällt es leichter, über ihre Gefühle zu sprechen“, erklärt Bruder Josef.
Bei Männern setzt der Geistliche auf Körperarbeit: Bogenschießen, Schwertkampf oder Gartenarbeit, Holz hacken, Zeichnen. Wird Arthur H. die Rückkehr in ein normales Leben schaffen? Ursachen männlicher Depressionen sind oft Leistungsdruck oder seelische Krisen, etwa nach Trennungen. Ein Problem: die Scham. 50 Prozent der kranken Männer akzeptieren die Diagnose erst gar nicht. Und halten das Schweigen kaum aus: Jeden Tag nehmen sich in Deutschland 18 depressiv erkrankte Männer das Leben. Andere hingegen lassen sich „einliefern“. Die Wartelisten in psychiatrischen Kliniken sind lang. „45 Min“ begleitet den 72-jährigen Henrik R. auf diesem Weg aus der Depression. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 14.01.2019 NDR Allein gegen Putin – Streit ums Gas
Folge 280 (45 Min.)Der deutsche Journalist Malte Heynen besitzt einen kleinen Streifen Ackerland im brandenburgischen Oderberg. Der Zufall will es, dass ausgerechnet hier ein deutsch-russsischer Gaskonzern eine Pipeline verlegen will. Sie gehört zu einem der größten Energieprojekte weltweit. Für rund 13 Milliarden Euro und unter deutscher Beteiligung baut der russische Staatskonzern Gazprom die hochumstrittenen Pipelines Nord Stream 2 und EUGAL. Über eine Strecke von 1.700 Kilometern soll Gas aus den sibirischen Gasfeldern durch die Ostsee nach Europa geliefert werden.
Doch niemand prüft dieses Projekt auf seine Klimatauglichkeit. In der „45 Min“-Reportage begeben sich Gesine Enwaldt und Malte Heynen auf die Suche nach dem Sinn dieses gigantischen Energieprojektes. Mit erschreckendem Ergebnis: Mit Nord Stream 2 sind die Klimaziele aus dem Übereinkommen von Paris (2015) nicht mehr einzuhalten, warnt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in seinen jüngsten Studien. Auch außenpolitisch ist der Bau der Pipeline fragwürdig.
Die Europäer sind in der Mehrheit gegen das Projekt, fürchten die Abhängigkeit vom russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dessen Ziel sei es, den Kriegsgegner Ukraine vom Gasgeschäft auszuschließen, so warnen Experten. Viele Europaabgeordnete werfen den Deutschen sogar unsolidarisches Verhalten vor, weil sie mit der EU energiepolitisch nicht an einem Strang ziehen, sondern sich von Putin instrumentalisieren ließen. Für Malte Heynen ist all dies am Ende der Recherchen Grund genug, den Zugriff auf seinen 38 Meter breiten Landstreifen zu verweigern.
Schafft er es, sich der Zwangsenteignung zu entziehen und damit das Megaprojekt aufzuhalten? Klingt nach David gegen Goliath, aber noch ist der Ausgang offen. Denn Heynen zieht vor Gericht. Die Genehmigungsbehörden und die deutsche Politik haben die russischen Gaspipelines durchgewunken. Die beiden Autoren gehen der Frage nach, welche Rolle dabei die mächtige Gaslobby spielt und wie viel Einfluss sie auf die deutschen Politiker hat. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 21.01.2019 NDR Messerangriffe – Was macht die Polizei?
Folge 281 (45 Min.)Meldungen über Messerangriffe auf Menschen häufen sich, immer wieder kommt es zu teils schweren Vorfällen. Ein Angstthema für viele Bürger. Haben solche Angriffe zugenommen? Valide Zahlen darüber gibt es kaum, denn Messerangriffe werden bisher in vielen Bundesländern gar nicht, in anderen nicht einheitlich erfasst. Die „45 Min“-Dokumentation geht der Frage nach, was dagegen getan wird, und begleitet dafür Polizisten, Politiker und Sicherheitsexperten. Polizeibeamte im Einsatz sind oft mit dem Thema Messerangriff konfrontiert. Die Autorin Djamila Benkhelouf begleitet zwei Polizeikommissare aus Hannover bei der Arbeit und kann beobachten, wie sich die Beamten schützen müssen.
Sie besucht exklusiv ein spezielles Messertraining der Polizei. Das ist eindrücklich: Bei Angriffen mit einem Messer gibt es kaum eine Möglichkeit, sich zu schützen. Und das Tatwerkzeug Messer ist zudem leicht zu bekommen. Allein im Internet gibt es verschiedene Messer, von martialisch bis gewollt unauffällig, aber nicht minder gefährlich. Viele dieser frei verkäuflichen Messer darf man eigentlich nicht ohne weiteres dabei haben. Doch eine Kontrolle in diesem Bereich ist schwierig und ein schärferes Waffengesetz nach Expertenansicht auch keine Lösung. Was also kann man tun? „45 Min“ über ein aktuelles und kontrovers diskutiertes Thema. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 28.01.2019 NDR Kampf dem Gelenkschmerz – Was tun bei Arthrose?
Folge 282 (45 Min.)Schmerzen beim Aufstehen, „eingerostete“ Knie, schmerzende Hüften oder Schultern und ein Knirschen in den Gelenken: Etwa sieben Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Arthrose oder Gelenkverschleiß. Viele Betroffene durchlaufen verschiedene Therapien, bevor es dann doch heißt, dass ein künstliches Gelenk eingesetzt werden muss. Der Film stellt verschiedene Methoden vor, die versprechen, dass eine Operation zumindest einige Jahre hinausgezögert wenn nicht sogar ganz vermieden werden kann. So werden Spritzen mit Hyaluronsäure zum Beispiel schon länger angewandt, allerdings mit wechselhaftem Erfolg.
Ein neues Kombinationspräparat aus zwei verschiedenen Hyaluronsäuren zeigt in ersten Studien vergleichsweise eine deutlich bessere Wirkung. Manche Kliniken kombinieren das „vermeintliche“ Wundermittel zusätzlich noch mit plättchenreichem Plasma (PRP) und berichten ebenfalls von erstaunlichen Erfolgen. Auch ein mechanischer Gelenkextender kann ganz ohne Injektionen Schmerzen lindern und ein künstliches Kniegelenk hinauszögern. Neue Methoden im Kampf gegen die Arthrose. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 04.02.2019 NDR Schule am Limit – Jetzt sprechen die Kinder
Folge 283 (45 Min.)Die Peter-Ustinov-Schule ist eine der sogenannten Brennpunktschulen in Hannover. Die Schüler träumen davon, Psychologie zu studieren oder als Mechaniker bei der Bahn zu arbeiten. Sie wünschen sich eine Familie und ein glückliches Leben ohne finanzielle Sorgen. Statistisch gesehen werden viele von ihnen ihre Ziele wahrscheinlich nicht erreichen. Denn ein Großteil der Schüler hat einen Migrationshintergrund und lebt in Armut. Eine aktuelle Studie der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) macht klar: In Deutschland hängt der Schulerfolg stark vom Elternhaus ab. Eine wirkliche Chancengleichheit gibt es nicht.
Eine große Lobby fehlt, aber es gibt Menschen, die für die Schüler kämpfen. Entgegen aller Widrigkeiten. Die Schulleiterin Karin Haller, die Lehrer und Freiwillige setzen sich für die Kinder ein, um ihnen eine Zukunft zu ermöglichen. Sie sind mehr als nur Vermittler von Wissen. Sie sind Elternersatz, Sozialpädagogen und manchmal Kumpel. Der Film erzählt aus mehreren Perspektiven von der Lebensrealität an der Peter-Ustinov-Schule in Hannover. Die Schüler stehen dabei im Fokus. Denn sie geben mit ihren persönlichen Geschichten der Debatte um Bildung und Chancengleichheit ein Gesicht. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 11.02.2019 NDR Medikamente im Alter – Die unterschätzte Gefahr
Folge 284 (45 Min.)Die Zahl der alten Menschen steigt. Und mit dem Alter auch der Medikamentenkonsum. Doch viele Tabletten helfen nicht immer viel, im Gegenteil: Denn im Alter verändert sich der Stoffwechsel. Medikamente, die bei 40- oder 50-Jährigen gut wirksam sind, haben bei 70-Jährigen plötzlich ganz andere Auswirkungen. Die Leistungskraft von Leber und Niere nimmt bei älteren Menschen ab. Der Körper braucht länger, um die Substanzen abzubauen. Die Faustregel lautet: Wer mehr als fünf Medikamente einnimmt, läuft Gefahr, dass der gewohnte Pillencocktail den Gesundheitszustand nun sogar negativ beeinflusst.
Meist hat kein Arzt den Überblick über all die verschiedenen Medikamente, die der Patient einnimmt. Denn neben dem Hausarzt schreiben auch Fachärzte den alten Menschen fleißig Rezepte aus. Das kann schwere Folgen haben wie Desorientierung oder Zerstreutheit. Seit Oktober 2016 haben Patienten, die mehr als drei Medikamente täglich einnehmen, endlich einen Anspruch auf einen sogenannten bundeseinheitlichen Medikationsplan, auf dem alle eingenommenen Präparate aufgelistet werden.
Im Idealfall führt der Plan dazu, dass einige der Pillen abgesetzt werden können. Aber dem Hausarzt fehlt häufig die Zeit, sich länger mit den Wirkungen der einzelnen Arzneimittel untereinander auseinanderzusetzen. Da bedarf es schon des Fachwissens und der Zeit eines Geriaters, einem Spezialisten für die Behandlung älterer Leute. In Krankenhäusern arbeiten zwar schon viele dieser Fachärzte, doch im ambulanten Bereich sind sie bisher wenig verbreitet. Und die Versorgung variiert je nach Bundesland.
Besonders groß ist die Unterversorgung mit Geriatern in ländlichen Regionen. Liselotte Gärtner ist fast 80 Jahre und recht gebrechlich. Sie lebt allein in ihrem Haus in der Nähe von Ueckermünde und nimmt zehn unterschiedliche Tabletten täglich sein. Ihre größte Sorge ist es, dass sie in ein Heim ziehen muss. Ihre Hausärztin Sabine Meinhold ist gleichzeitig Geriaterin. Sie empfiehlt der alten Dame eine spezielle dreiwöchige ambulante geriatrische Reha in ihrer Praxis. Jetzt hat sie die Patientin unter Beobachtung und kann auch die Tabletten überprüfen.
In dieser Zeit trainiert Frau Gärtner mit Physio- und Ergotherapeuten, damit sie wieder fit wird und zu Hause wohnen bleiben kann. Dieses besondere Konzept hat die Ärztin gemeinsam mit Krankenkassen entwickelt. Denn aufgrund des demografischen Wandels muss die Versorgung von alten Menschen neu organisiert werden. Der Film aus der Reihe „45 Min“ begleitet unterschiedliche ältere Menschen, spricht mit Geriatern und fragt: Wer behandelt Menschen im Alter? Und wie ist es, alt zu werden? (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 18.02.2019 NDR Was atmest du? Wie sauber ist die Luft in Norddeutschland?
Folge 285 (45 Min.)Die gute Luft gehört zu Norddeutschland wie Leuchttürme und Rapsfelder. Aber ist die Norddeutschlands Luft wirklich sauber? Denn trotz frischer Brise: Auch im Norden gelangen viel Dreck und jede Menge Abgase in die Luft. Schuld sind längst nicht nur die Autos: Auch Schiffsverkehr, Massentierhaltung und Kaminöfen setzen Feinstaub oder Stickstoffdioxid frei. Und all das atmen die Menschen täglich ein. Aber wie gefährlich ist das überhaupt? „45 Min“ hat die bisher größte Luftmessaktion Norddeutschlands gestartet und mithilfe von Hunderten Zuschauerinnen und Zuschauern Luftproben genommen. In der Dokumentation „45 Min Spezial“ werden die Ergebnisse gezeigt und mit Toxikologen und Umweltwissenschaftlern diskutiert.
Wie sauber ist die Luft im Norden? Und was macht man, wenn man an einer viel befahrenen Straße wohnt? Zunehmend gerät auch Feinstaub in den Fokus der Experten. Vor allem der ultrafeine Feinstaub, der als besonders schädlich gilt, weil er bis in das Lungengewebe und in den Blutkreislauf eindringen kann. Für diesen ultrafeinen Feinstaub gibt es bisher keine Grenzwerte. Die Autoren Nils Casjens und Lucas Stratmann machen sich auf eine Reise durch Norddeutschland, um gemeinsam mit Experten die Quellen für Feinstaub zu suchen: Massentierhaltung, Kaminöfen, Schiffsverkehr. Wie gravierend ist die Luftverschmutzung und welche Folgen hat das? (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 25.02.2019 NDR Dreckige Luft vom Traumschiff
- Alternativtitel: Dreckige Brise - Traumschiffe als Luftverschmutzer?
Folge 286 (45 Min.)Der Boom der Kreuzfahrtindustrie hält nach wie vor an, das wird auch im Jahr 2019 so sein. In Hamburg, Kiel und Rostock gehen wieder Tausende Menschen an Bord gigantischer Schiffe. Branchensprecher betonen die Bedeutung der Kreuzfahrt für die deutsche Wirtschaft, 2017 habe man 6,4 Milliarden Euro dazu beigetragen. Doch auf wessen Kosten? Die NDR Dokumentation untersucht die Schattenseiten dieses Milliardengeschäfts. Leidtragende sind zum Beispiel Anwohner der Hafenstädte an Nord- und Ostsee, aber auch am Mittelmeer, die durch Schiffsabgase gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt werden. Neue Untersuchungen der Universität Rostock und München bestätigen, dass Treibstoffe der Schiffe gefährliche Wirkungen haben können: Entzündungen in der Lunge und Schlaganfälle sind mögliche Folgen.
Schon im Jahr 2014 hatte Autor Andreas Orth für „45 Min“ über dieses Thema berichtet. In den letzten Jahren hat die Kreuzfahrtindustrie immer wieder propagiert, dass die Kreuzfahrtriesen umweltfreundlicher werden. Doch was ist wirklich geschehen? „45 Min“ untersucht, ob die angekündigten Lösungen wie Landstrom oder moderne Antriebe wie Flüssiggas tatsächlich eingesetzt werden und auch Wirkung zeigen. Während die Kreuzfahrtindustrie neue Techniken ausprobiert, ist in vielen deutschen Häfen bisher wenig geschehen.
Probleme gibt es auch mit den überregionalen Auswirkungen der Schiffsabgase, die weiter landeinwärts mit Abgasen aus der Landwirtschaft reagieren. Umfassend werden neben den Umweltbelastungen auch die wirtschaftlichen und sozialen Schäden, die in den Zielhäfen der Traumschiffe entstehen, recherchiert: Einwohner in kleinen Siedlungen in den Fjorden Norwegens werden von Touristen überrannt. Venedig fürchtet um seine Bausubstanz. Das Geld der Touristen aber bleibt meist vor allem in den Kassen der Reedereikonzerne. Immer mehr Städte wollen die Anzahl der Traumschiffe, die in ihren Häfen anlegen, begrenzen. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 25.02.2019 NDR Wölfe – Schützen oder schießen?
Folge 287 (45 Min.)Die Wölfe sind zurückgekehrt und breiten sich in Deutschland aus. Ob in Niedersachsen, Sachsen oder Nordrhein-Westfalen, allerorten werden die Raubtiere gesichtet. Derzeit gibt es 73 Rudel sowie 29 Paare, insgesamt etwa 800 Tiere. Und immer mal wieder Begegnungen zwischen Mensch und Wolf. Schäfer beklagen Verluste, Dorfbewohner fürchten um ihre Kinder, Politiker von CDU, SPD, FDP und AfD schlagen Alarm und fordern inzwischen den Abschuss von Wölfen und eine Obergrenze für ihren Bestand. Alles nur Hysterie? Oder geht von Wölfen tatsächlich eine Bedrohung aus? Stimmt der Eindruck, dass sich Wölfe in Deutschland unkontrolliert ausbreiten und eine Gefahr darstellen? Monatelang hat Filmautor Herbert Ostwald mit Wolfsforschern, Bürgermeistern, Dorfbewohnern, Tierfilmern und Schäfern gesprochen, um Antworten zu bekommen.
Seine Recherchen zeigen ein wesentlich differenzierteres Bild, als es die Schlagzeilen vermuten lassen. Manches Missverständnis beruht auf der verbreiteten Annahme, Wölfe seien scheu. Tatsächlich sind sie „von Natur aus neugierig, aber auch vorsichtig“, so Tierfilmer Sebastian Koerner, der seit vielen Jahren Wölfen so nahe gekommen ist wie niemand sonst.
Fakt ist: In den 20 Jahren, seit Wölfe in Deutschland wieder heimisch sind, gab es keinen einzigen Angriff auf Menschen, keinen einzigen Verletzten. Der heimgekehrte Räuber ist so gut erforscht wie kaum ein anderes Wildtier: Hunderte Wolfsberater sammeln bundesweit täglich Spuren, die akribisch ausgewertet werden. Dadurch haben Wolfsforscher einen guten Überblick, welche Tiere sich wo niederlassen. Wenn Wölfe trotzdem ein unnormales Verhalten zeigen, können Behörden schon heute dank vorhandener Managementpläne einzelne „Problemwölfe“ erschießen lassen.
Für Nutztierhalter gibt es Subventionen für Elektrozäune und Herdenschutzhunde. Hat der Wolf dennoch ein Schaf gerissen, wenn das eindeutig nachgewiesen ist, gibt es Ausgleichszahlungen. Allerdings müssen viele Schäfer für den Schutz ihrer Tiere einen erheblichen Aufwand betreiben und bleiben auf einem Teil der Folgekosten sitzen. Jagd auf Wölfe halten Forscher trotzdem für Unsinn. Denn die Zahl der Raubtiere reguliere sich allein über ihr Nahrungsangebot und die Reviergröße.
In einem Revier pendelt die Größe des Rudels immer zwischen etwa zwei und 15 Tieren, einwandernde Konkurrenten werden vertrieben. Die Zahl der Wölfe in Deutschland wird weiter zunehmen: Die Tiere sind in der EU streng geschützt. Der Abschuss von Problemwölfen wird erst dann leichter möglich sein als heute, wenn das Überleben der einst ausgerotteten Art gesichert ist. Ein Film mit überraschenden Einsichten und einzigartigen, zum Teil noch nie im Fernsehen gezeigten Bildern von wilden Wölfen in Deutschland. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 18.03.2019 NDR Sarg war gestern – Wohin geht die letzte Reise?
Folge 288 (45 Min.)„45 Min“ wirft einen ganz persönlichen Blick auf den Wandel der Bestattungskultur in Deutschland. Ein Denkanstoß für die eine Frage, die noch immer zu oft totgeschwiegen wird: Was bleibt von mir, wenn ich einmal gehe? Kolumbarium, Friedwald, Bergbach oder doch lieber als Edelstein? Bestattungen werden immer persönlicher. Viele Menschen sehnen sich nach individueller Freiheit, auch über den Tod hinaus. Für die Friedhöfe in Deutschland wird diese Sehnsucht aber zum Problem: Sie beklagen zunehmend Leerstände und müssen teilweise sogar schließen. „45 Min“ fragt Menschen, wie sie gerne einmal bestattet werden wollen und begleitet sie bei der Organisation ihrer eigenen Beisetzung.
Die Autoren Philipp Kafsack und Christian Papesch besuchen den einzigen Übungsfriedhof Europas und sprechen mit Bestatterschülern über Gegenwart und Zukunft ihres Wunschberufs und dessen Herausforderungen. Anders als in den meisten Nachbarländern gelten in Deutschland nämlich Friedhofszwang und die Unteilbarkeit der Asche, was viele moderne Bestattungsformen hierzulande gesetzeswidrig macht. In Tschechien hingegen ist von der Luft- bis zur Bergbachbestattung fast alles möglich. Eine Firma aus Österreich bietet sogar ein Stück Erinnerung zum Mitnehmen: einen Edelstein, gefertigt aus der Asche des Verstorbenen. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 25.03.2019 NDR Deutschland – deine Döner: Was essen wir da eigentlich?
Folge 289 (45 Min.)Der Döner gehört zu den beliebtesten Fast-Food-Gerichten der Deutschen. Geschätzt 16.000 Döner-Imbisse und -Restaurants gibt es in Deutschland. Milliardenumsätze werden mit dem Verkauf des Fleisches vom Drehspieß gemacht. Der Film wirft einen Blick auf die rasante Erfolgsgeschichte des Fast-Food-Klassikers, der allerdings öfter schon unter Verdacht geraten ist, dass Gammelfleisch verwendet wurde. Es stellt sich daher die Frage: Was isst man da eigentlich? Die Autoren Cordula Stadter und Carsten Rau begleiten Kontrolleur Bornemann und seine Kollegen durch Döner-Imbisse und Fabriken im Großraum Stuttgart, machen aber auch eigene Testkäufe und lassen das Dönerfleisch anschließend in einem Labor analysieren.
Ergebnis: neben Geschmacksverstärkern werden vor allem Fett und künstliche Phosphate zugesetzt, um Wasser zu binden und das Fleisch in Form zu bringen. Je mehr Wasser, desto schwerer wird der Spieß, desto teurer kann er an den Döner-Imbiss verkauft werden. Ein Trick, der unter Umständen zu Lasten der Döner-Konsumenten geht. Denn die Aufnahme von zu viel Phosphat kann zu gravierenden Gesundheitsschäden führen. Die ebenso brisante wie unterhaltsame Spurensuche führt die Autoren auch in die Türkei, wo sich die traditionellen Fleischspieße schon seit Jahrhunderten drehen. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 01.04.2019 NDR Unsere Bienen – Rettung in Sicht?
Folge 290 (45 Min.)Über ein Jahr hat „45 Min“-Autor Tim Boehme den kontroversesten deutschen Bienenforscher, Torben Schiffer, begleitet. Eigentlich ist er Lehrer für Biologie und Englisch an einer Hamburger Gemeinschaftsschule. Durch die Hobby-Forschung mit seinen Schülern ist der renommierte Bienenforschung Würzburg e.V. rund um Prof. Jürgen Tautz auf ihn aufmerksam geworden und rekrutierte ihn für die Bienenforschung. Torben Schiffer sucht nach den Gründen für die Anfälligkeit der Honigbienen in Deutschland. Sein Ziel: die Bienenvölker für die Zukunft erhalten.
Die Dokumentation zeigt, welche möglichen neuen Lösungen es dafür gibt. Und fragt, welche Folgen diese für die Menschen haben. Im Frühling sind die Honigbienen wieder unterwegs und fliegen umher. Aber für viele Imker bringt der Frühling auch Stress. Der erste Blick in den Bienenstock nach dem Winter offenbart nicht selten eine kleine Katastrophe: Tausende von toten Bienen, Kolonien, die den Winter nicht überlebt haben. Einzelne Imker erleiden Verluste von über 30 Prozent bis zur völligen Vernichtung ihrer Völker.
Von Jahr zu Jahr beobachtet Bienenforscher Torben Schiffer, dass der Bien anfälliger wird. Bien ist der alte imkerliche Begriff für den Superorganismus Bienenvolk. So kann man es sich vorstellen: Jede Biene in einer Kolonie ist wie eine Zelle im Körper des Biens. Und dieser Superorganismus hält zwar enorm viel Stress und widrige Bedingungen aus, doch nur bis zu einem gewissen Grad. Ist die Belastungsgrenze erst einmal erreicht, bringt ein Quäntchen mehr Umweltstress die Kolonie zur Implosion.
Dabei ist die moderne Landwirtschaft mit ihren Pestiziden und der Monokultur ein großes Problem, viel wurde darüber in der Vergangenheit schon berichtet. Für die Bienengesundheit spielen aber die Haltung und Züchtung mindestens eine genauso wichtige Rolle. Und über diese Faktoren wurde bislang in der Öffentlichkeit so gut wie gar nicht informiert. Ohne eine jährliche Säurebehandlung der Honigbienen gegen gefährliche Parasiten gäbe es wohl kaum noch deutschen Honig im Supermarktregal.
Ohne den Imker können die sanft gezüchteten Bienen nicht mehr überleben. Wie kann das sein? Torben Schiffers Befund: Ausgerechnet die Imker, also die Menschen, die sich den Bienen verschrieben haben, haben die Anfälligkeit des Biens mit zu verantworten. Millionen Jahre lang haben die Bienen ohne Imker in der Natur problemlos überlebt, eine der erfolgreichsten Tiergattungen überhaupt. Schiffers These: In weniger als 150 Jahren werden die Bienen so „erfolgreich“ gezüchtet sein, dass sie genetisch verarmt sind und nicht mehr ohne fremde Hilfe überleben können.
Außerdem seien die Haltungsbedingungen für Bienen nicht annähernd artgerecht, so der Wissenschaftler. War früher die Baumhöhle im Wald eine bunte Gesellschaft von unterschiedlichen Lebewesen, die sich gegenseitig halfen, „wohnen“ Bienen heute einsam und allein in feuchten „Plattenbauten“. Das sei nicht bienengerecht, empört sich Torben Schiffer, und macht sich damit eine Menge Feinde. Doch inzwischen wird er als Redner zu Fachkongressen der Imker eingeladen. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 15.04.2019 NDR Wie gut ist „Essen auf Rädern“?
Folge 291 (45 Min.)Mehr als 320.000 Menschen in Deutschland beziehen nach Berechnungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung jeden Tag eine warme Mahlzeit durch Essen auf Rädern. Für viele Anbieter, gerade im ländlichen Bereich, ist der Bringservice ein Zuschussgeschäft oder gar ein Auslaufmodell. Deshalb verändert sich der Markt in Norddeutschland seit einigen Jahren rasant: Es wird kaum noch frisch gekocht, industrielle Großanbieter mit Tiefkühlkost drängen ins Geschäft. NDR Autor Michael Nieberg hat den Markt in Norddeutschland wochenlang beobachtet und schaut hinter die Kulissen.
Das Filmteam ist für die „45 Min“-Doku mit Essensboten zu Senioren gefahren und hat Forscher an der Hochschule Bremerhaven bei der Untersuchung von Stichproben beobachtet. Vielen Bürgern ist gar nicht klar, dass hinter romantischen Werbeversprechen und Namen wie „Landhausküche“ industrielle Großküchen stecken. Doch egal, ob frisch gekocht oder tiefgekühlt: Essen auf Rädern ist wichtig. Für viele Kunden ist der Essensbote der einzige Kontakt zur Außenwelt, und das für Tage oder gar Wochen.
Einer dieser Boten ist Erich Knoch. Für den Paritätischen Wohlfahrtsverband in Bückeburg bringt er jeden Tag 30 warme Mahlzeiten über Land. Dafür fährt er rund 100 Kilometer durch den Landkreis Schaumburg-Lippe in Niedersachsen. „Den meisten übergebe ich das Essen persönlich“, berichtet Knoch. So könne er gleichzeitig sehen, ob bei seinen oft betagten und allein lebenden Kunden alles „in Ordnung“ sei.
Die Sozialkontrolle sei „mit im Preis“. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung beschäftigt sich seit Jahren mit der Qualität von Essen auf Rädern, kritisiert den Boom zu industrieller Fertigkost. Es fehle an Vitaminen und frischen Salaten. „Dieses Defizit sollte ergänzt werden“, empfiehlt Prof. Ulrike Arens-Azevêdo, die DGE-Präsidentin aus Hamburg. Selbst gemachte Fruchtsäfte oder Smoothies könnten das Angebot sinnvoll abrunden, um eine Mangelernährung zu verhindern.
Die Bürgerhilfe in Schüttorf kocht noch jeden Morgen frisch, geht beim ihrem Essen auf Rädern sogar auf individuelle Wünsche der Rentnerinne und Rentner ein: Einige bekommen das Fleisch schon klein geschnitten und den Eintopf püriert gebracht. 350 Portionen frisches Essen gehen für eigene Wohnheime und fürs Essen auf Rädern jeden Tag auf Reisen. „Durch die frische Küche erhalten wir sogar noch Zulauf, denn viele Kunden mögen die industrielle Tiefkühlkost einfach nicht“, berichtet Karin Heckert, Fachbereichsleiterin für Hauswirtschaft bei der Bürgerhilfe. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 13.05.2019 NDR Unsere Erdbeeren
Folge 292 (45 Min.)Norddeutschland ist Erdbeerland. Hier residieren große Erdbeer-Imperien wie der Erdbeerhof Glantz. Hier probieren Biobauern einen umweltschonenderen Anbau, inmitten neuer Herausforderungen: Durch den Klimawandel wird das Wetter immer weniger kalkulierbar. Und Erntehelfer fehlen zunehmend. Was bedeutet das für die Saison? Die Dokumentation aus der Reihe „45 Min“ begleitet konventionelle Anbieter und Biobauern aus dem Norden. Der Film blickt hinter die Kulissen des Erdbeergeschäfts, vom Setzling bis zur Beere. Die Erdbeersaison war früher war sie nur vier Wochen lang.
Inzwischen dehnen die Obstbauern die Saison auf vier Monate aus. Im Norden beginnt die Ernte in der Regel Mitte Mai und endet im September. Die Erdbeeren müssen immer widerstandsfähiger werden, zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt reif sein und eine vorher exakt definierte Größe erreichen. 2018 wurden in Deutschland auf 17.700 Hektar 141.693 Tonnen Erdbeeren geerntet. Fast 48.000 Tonnen entfielen dabei auf die Bundesländer im Norden: Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Drei bis vier Kilogramm Erdbeeren verspeist jeder Deutsche jedes Jahr.
Über diese Zahl kann Markus Staden nur müde lächeln. Er isst jedes Jahr das Zehnfache: Der Firmeninhaber von Beerenpflanzen Kraege ist Deutschlands größter Erdbeerzüchter und einer der größten Anbieter von Erdbeerpflanzen in Europa. „Jedes Jahr gehen hier über 100 Millionen Erdbeerpflanzen vom Hof“, erzählt Staden. Er schätzt, dass etwa 70 Prozent der Erdbeeren in Deutschland aus seinen Züchtungen stammen. Um herauszufinden, welche Sorten in Zukunft interessant für den Markt sein könnten, baut Staden mit seinem Team derzeit über 140 Testsorten im firmeneigenen Versuchsgarten an und probiert alle Erdbeeren daraus regelmäßig.
So verzehrt Staden 30 bis 40 Kilogramm Erdbeeren im Jahr und entscheidet maßgeblich mit, welche Sorten auf die Felder in Norddeutschland gelangen. Auf dem Biohof Gut Wulksfelde bei Hamburg sind die Erdbeeren immer ein paar Wochen später reif als die der konventionellen Konkurrenz. Der Biobauer und Geschäftsführer Rolf Winter verzichtet bewusst auf den Einsatz von Pestiziden und Folientunneln. „Wir denken, dass eine Erdbeere nur dann wirklich bio sein kann, wenn der Anbau regional und möglichst umweltschonend geschieht, also ohne Gifte und mit möglichst wenig Plastik“, sagt er.
Die Erdbeersaison auf dem Gut Wulksfelde sei mit rund vier Wochen damit aber auch deutlich kürzer als die der konventionellen Anbieter. Wie beispielsweise beim Erdbeerhof Glantz. Um erntefrische Erdbeeren über Monate hinweg verkaufen zu können, setzt Enno Glantz flächendeckend auf Folien. Ein Großteil seiner Erdbeeren wächst inzwischen darunter. So bleiben die Erdbeeren im Idealfall frei von Schädlingen, reifen deutlich schneller und sind damit besser für den Verkauf kontrollierbar. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 27.05.2019 NDR Mission Stimmenfang – Unterwegs mit einem Jungpolitiker
Folge 293 (45 Min.)Seine Partei, die SPD, ist im Dauersinkflug, er will nach oben: Patrick Dahlemann steht in Torgelow auf dem Parkplatz eines Discounters und wirbt für die SPD. Es ist nicht seine Wahl, aber es ist seine Partei. Und es ist sein Leben, von frühmorgens bis spätabends, oft sieben Tage die Woche. Jede Frau und jeder Mann wird auf dem Parkplatz angesprochen. Aufgeben gilt nicht. „Bis zum Schluss stehen, ist ein ganz wichtiges Bild, selbst für die, die vorbeifahren. Bis zum Schluss kämpfen!“ Eigentlich hat es Dahlemann längst geschafft, ist schon mit 28 Jahren Staatssekretär für Vorpommern geworden, direkt bei der Ministerpräsidentin angesiedelt, mit großzügigem Büro in der Staatskanzlei, Topgehalt, Dienstwagen, Fahrer, Personal, Amtssitz in Anklam.
Doch das ist die Außensicht. Der Druck ist enorm. Nicht nur die SPD steht am Abgrund. Das Vertrauen in die Politik bröselt, so nimmt Dahlemann es wahr. Er soll Kümmerer sein für Vorpommern, soll zuhören, verstehen, helfen, darf mit seinem Vorpommern-Fonds hier und da kleinere und mittlere Geldbeträge zuschießen, wenn es vor Ort klemmt. So rast Dahlemann zwischen Berlin, Schwerin und Anklam hin und her, dann wieder kreuz und quer durch Vorpommern und immer wieder ins benachbarte Polen. Politik ist anstrengend, zeitraubend, kräftezehrend.
Hier zieht sich die Finanzierung von ein paar Spielgeräten für ein Schwimmbad, dort gelingt der Erhalt eines Museums, wird aber nicht beachtet, da Medien und Politik sich gerade um ein bundesweites Aufregerthema rangeln, das nach wenigen Tagen passé ist. Was Patrick Dahlemann erlebt, erleben viele in der Politik, in vielen Parteien. In seiner allerdings steht es besonders Spitz auf Knopf. Nach einem Jahr ist die SPD im Bund weiter stabil unter 20 Prozent. Es geht um die Existenz, jede Stimme, jede Unterstützung zählt. Der nächste Termin, die nächste Wahl wartet. Wahlkampf ist immer. Ein „45 Min“-Team unterwegs mit einem Jungpolitiker auf Stimmenfang. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 03.06.2019 NDR Wie Dörfer ihre Kneipen retten
Folge 294 (45 Min.)Als Ende 2017 der Wirt des Gasthauses Zum Schanko im Handorf-Langenberg (Niedersachsen) verstarb, stand das Dorf auf einmal ohne Kneipe da. Ein typischer Fall von Kneipensterben, das sich in ganz Norddeutschland seit Jahren ausbreitet. Doch anstatt den Lauf der Dinge einfach so hinzunehmen, raufte sich die Dorfgemeinschaft zusammen und beschloss, die Kneipe mit einer Genossenschaft am Leben zu halten. Reichen Engagement und Ehrenamt aus, um die Schließung abzuwenden? In Niedersachsen sind in den letzten zehn Jahren 40 Prozent der Kneipen verschwunden.
In Mecklenburg-Vorpommern zeichnet sich ein ähnliches Bild: In Wiendorf bei Rostock sucht Gudrun Olschewski nach einem Käufer für den Wiendorfer Hof, die letzte Kneipe im Ort. Seit über 50 Jahren gibt es den Wiendorfer Hof schon, Frau Olschewski arbeitet seit zwölf Jahren hinterm Tresen und in der Küche, zapft Bier und serviert ihren Gästen Hausmannskost nach Rezepten ihrer Großmutter. Jetzt muss sie schweren Herzens verkaufen und wünscht sich, dass der potenzielle Käufer die Kneipe offen hält. Wird sich jemand finden, der die Kneipe übernimmt oder wird das Gebäude in ein Wohnhaus umfunktioniert? Auch in Schleswig-Holstein grassiert das Kneipensterben.
Jede zehnte Kneipe hat hier in den letzten fünf Jahren geschlossen. Hannelore und Wolfgang Steen, ein Wirtspaar in Grebin (Plön), suchen seit Jahren nach einem Nachfolger, bisher vergeblich. Der Grebiner Krug ist für seine Fischspezialitäten und regionale Küche bekannt. Wolfgang Steen angelt selbst und bereitet Stinte und Lachsforellen zu. Er ist bereits über 70 und möchte eigentlich in Rente gehen. Doch er will so lange kochen, bis eine Lösung gefunden ist, die den Grebiner Krug samt Kegelbahn und Saal am Leben hält.
Könnte auch hier eine Genossenschaft die Rettung sein? Verlassene Dorfkneipen, leer stehende Gebäude in Dörfern in ganz Norddeutschland. Sie verheißen eine schwere Zukunft für die Institution Dorfkneipe, die vielerorts über Jahrzehnte das Dorfleben mit geprägt hat. Die Dokumentation zeigt anhand der drei Kneipen, dass es trotzdem noch Hoffnung gibt. Initiativen wie die Gründung einer Genossenschaft können eine Dorfgemeinschaft wieder zusammenbringen, um die Kneipe zu retten.
„45 Min“ begleitet die Entwicklung der drei Kneipen über ein Dreivierteljahr lang im Kampf um ihr Überleben und beleuchtet die Gründe für das große Kneipensterben: Fachkräftemangel, Schwund der Vereine und ein verändertes Freizeitverhalten, strengere behördliche Auflagen und gestiegene Betriebskosten. Dabei steht für die Dörfer viel auf dem Spiel: Denn mit dem Verlust der Kneipe geht auch ein zentraler Veranstaltungsort verloren. Stammtische und Sportvereine haben keinen Treffpunkt mehr. Familienfeste müssen in anderen Räumlichkeiten gefeiert werden. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 17.06.2019 NDR
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